studium generale WS98/99
Geleitwort zum Vorlesungsverzeichnis

Wenn ‚Ausbildung‘ auch ‚Bildung‘ bedeuten soll, so ist ausgemacht, dass damit die Studierenden selber das Wissensangebot zu ihrer Sache machen müssen. Denn obschon sich hinter der Berufung auf das traditionelle Ideal der “Humboldt-Universität” oft genug nur eine Verkennung der gewandelten historischen Bedingungen verbirgt oder vielleicht auch eine allzu optimistische Beurteilung der eigenen wie der institutionellen Anpassungsfähigkeit, so bleibt als Kern dieser Tradition für uns der Respekt vor den Studierenden als Subjekt der Bildung und nicht als blosses Objekt der Ausbildung. Dies ist ein für alle Seiten unbequemer, anspruchsvoller und herausfordernder Respekt. Er verbietet es der Universität, sich als blosses Dienstleistungsunternehmen zu begreifen. Er verbietet es dem Studierenden, als schlichten Kunden auf die Qualität der gelieferten Produkte zu pochen. Bildung hingegen stellt beide Seiten unter einen Anspruch. Das Wort hat, wie schon die Wortgeschichte zeigt, mit Vorbildlichkeit zu tun. Es hat aber auch, wie die Kulturgeschichte – nicht nur der Universität – zeigt, mit der Verantwortung dessen zu tun, der seine Bildung fördern will.
Gerade im Bereich des studium generale ist die Hoffnung auf eine bildende Wirkung des Wissenserwerbs an den deutschen Universitäten noch immer institutionalisiert. Es freut mich nun besonders, dass eine Gruppe Studierender der TU Dresden unter dem Namen Integrale sich der Mitverantwortung für dieses Studienangebot gestellt hat. Das studium generale darf gewiss nicht gleichsam als der Platz dienen, an dem sich Bildungsanprüche bequem entsorgen lassen, es ist vielmehr das Forum, auf dem die spezifischen Wissensbestände der Fachausbildung nun in einen Dialog gebracht werden können, der uns auf dem Weg zu dem weitgesteckten Ziel der Bildung ein Stück voranbringen mag. Integrale hat sich schon mit dem Namen zu zwei Aspekten bekannt, zum umfassenden Blick, der den wahrhaft Lernenden und Studierenden vom blossen Fachmenschen unterscheidet, und zur integrativen Kraft, die Fragmente des Wissens wieder in komplexe Zusammenhänge der Weltorientierung überführen will und kann. Zugleich hat Integrale die Verantwortung für die gesamte Universität wahrgenommen. Die Aktivitäten dieser studentischen Gruppe verstehen sich als partnerschaftliches Angebot an die Lehrenden, die sich schon bisher im studium generale engagiert haben. Hier ist in Zukunft Kompetenz und Engagement auf seiten der studentischen Partner zu erwarten, hier werden Anregungen aufzunehmen sein, hier werden auch neue Formen des Lehrens im studium generale zu erproben sein.
Die Senatskommission für “Lehre, Studium und Studienentwicklung” hat die Fakultäten der TU Dresden schon in ihrer Sitzung vom 29. 4. 1998 aufgefordert, ihre studium-generale-Politik zu bestimmen. Es ist zu wünschen, dass sich im Zusammenwirken aller Gruppen an dieser Universität ein studium generale entwickeln wird, das dem Profil unserer Volluniversität TU Dresden gerecht wird, auch angesichts des globalen Wandels unserer Lebens- und Arbeitswelten, der zwar nur zufällig, aber doch bedeutungsvoll mit einer Jahrtausendwende zusammenfällt.
Weil aber Integrale die eigene Arbeit nicht unter weitgespannten Zeithorizonten vertagt hat, sondern sogleich mit ihr begonnen hat, will ich nun den Veranstaltern auch für ihre erste Initiative in diesem Wintersemester 1998/99 sogleich einen guten Erfolg wünschen: Mögen weitere folgen!


Prof. Dr. Walter Schmitz
Prorektor für Bildung




Prof. Schmitz
Vorlesungsverzeichnis-Home | Integrale-Home

© Integrale - Institut für studium generale
c/o Studentenrat, TU Dresden, Mommsenstraße 13, 01062 Dresden
Tel.: 0351/463 2043, Fax: 0351/463 4714
integrale@stura.tu-dresden.de
http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~integral
12. Oktober 1998, Torsten Zech