Ökologische Studien an Bilchen (Schläfer, Gliridae) im Großherzogtum Luxembourg
Laufzeit
2009 bis 2013
Projektleitung / Betreuung
Prof. Dr. Mechthild Roth (TU Dresden), Dr. Sandro Bertolino (Universita di Torino)
Projektmitarbeiter
Dipl. Biogeograph Jörg Schlichter
Finanzierung
Fonds National de la Recherche Luxembourg (www.fnr.lu), Aide à la Formation Recherche (AFR), Code PHD 08-002
Schlagworte
Bilche, Umweltbildung, Modellierung der landesweiten Verbreitung, Fang-Wiederfang, Habitatnutzung, Modellierung von Überlebens- und Wiederfangraten
Allgemeines
Die Bilche bilden eine eigene Familie (Schläfer, Gliridae) innerhalb der Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Sie sind eine phylogenetisch relativ alte Gruppe mit ursprünglichen Merkmalen. Charakteristisch ist v.a. der namengebende Winterschlaf, der je nach geogr. Lage, Witterung, Mikroklima, Alter und Art bis zu 8 Monate dauern kann. Desweiteren können sie ihren Schwanz bei Verfolgung durch Feinde (v.a. Eulen und Marder) oder im Kampf mit Artgenossen abwerfen (Autotomie). Dieser wächst dann im Vergleich zu Eidechsen allerdings nicht mehr nach. </ br> In Mitteleuropa kommen vier Arten vor: Siebenschläfer (Glis glis), Gartenschläfer (Eliomys quercinus), Baumschläfer (Dryomys nitedula) und Haselmaus (Muscardinus avellanarius), wobei der Baumschläfer in Luxembourg fehlt.
Methoden und Ziele der Studie (Stand August 2012)
Schwerpunkt 1: Klärung der Verbreitung der Bilche im Großherzogtum Luxembourg
Alle drei im Großherzogtum vorkommenden Bilcharten leben am nordwestlichen Rand ihres Areals. Da über die genaue Verbreitung in Luxembourg nahezu keine gesicherten Daten vorlagen, ist ein Hauptziel der Arbeit, diese Wissenslücke zu schließen. Da Sieben- und Gartenschläfer Kulturfolger sind und auch in Siedlungen (z.B. Dachböden, Schuppen) anzutreffen sind, kann man sie dort relativ leicht nachweisen. Diese Tiere sind meist wenig scheu, zeigen sich i.d.R. ihren menschlichen Mitbewohnern, oder fallen zumindest durch lautes nächtliches Pfeifen und Keckern (negativ) auf.
Im Sommer 2009, 2010 und 2011 wurde deshalb eine Umfrage an die Bevölkerung über die Pressestelle des naturhistorischen Museums (www.mnhn.lu) herausgegeben. U.a. erschien der Artikel in diversen Tageszeitungen; des Weiteren wurden mehrere Radio- und Fernsehinterviews über das Projekt gegeben.
Es zeigte sich, dass die Gartenschläfer-Nachweise fast ausschließlich aus dem Osten des Landes (Mosel und Hinterland) stammen, wo es noch relativ viele Streuobstbestände, Weinberge, Winzerdörfer mit alter Bausubstanz und Kalk-Steilwände (Moselterrasse) gibt. Siebenschläfer-Nachweise gab es fast keine im Osten, dafür auffällige Cluster im Norden (Sauertal, Müllertal, felsige Bereiche), aus der Hauptstadt, die ebenfalls viele an Wald und Parks grenzende Steilwände aufweist, und aus dem Süden an der französischen Grenze, wo ausgedehnte Buchenwälder und ehemalige Tagebaugebiete („Terres rouges") dominieren. Basierend auf den Fundpunkten wird mit Hilfe der Software Maxent eine Lebensraummodellierung durchgeführt, um auch über Gebiete, aus denen keine Meldungen vorliegen, Aussagen über deren potentielle Eignung als Bilchlebensraum führen zu können.
Darüber hinaus wurden - neben Posterbeiträgen und Präsentationen auf Fachkonferenzen - populärwissenschaftliche Vorträge (z.B. bei Naturschutzverbänden) gehalten, um über die Arten zu informieren, sowie Exkursionen (mit luxemburgischem, deutschem und belgischem Publikum) angeboten und auch Bilchforscher (z.B. aus Italien, den Niederlanden, der Schweiz) durch das Gebiet geführt. Aufgrund der leichten Beobachtbarkeit der Tiere ist das Bilchgebiet an der Mosel mittlerweile auch ein beliebter Anlaufpunkt für Naturfotografen aus Nah und Fern.
Die Haselmaus ist übrigens gar nicht oder nur sehr selten direkt in Häusern zu finden, aber durchaus in unmittelbarer Nähe von Siedlungen (z.B. in verwilderten Gärten oder angrenzenden Parks und Gebüschen). Da die Umfrage erwartungsgemäß wenig Rückmeldungen für diese Art brachte, werden andere Methoden benötigt, um die Art nachzuweisen. Große Wichtigkeit kommt der Erfassung der Haselmaus insbesondere vor dem Hintergrund des FFH-Status der Art zu, der ja bekanntlich Monitoring- und Berichtspflichten einschließt.
Die Idee der sogenannten Nussjagd stammt aus Großbritannien, wo man herausfand, dass Haselmäuse arttypische Nagespuren an Haselnüssen hinterlassen. Dies ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Art nachzuweisen und gleichzeitig v.a. jüngere Generationen (Kindergartengruppen, Grundschulklassen) für Natur zu begeistern und gemeinsam auf (Nuss)Jagd zu gehen. Allerdings funktioniert diese Methodik natürlich nur dort, wo auch Haselsträucher wachsen. Eine weitere Möglichkeit ist die Suche nach den typischen, etwa orangengroßen Kugelnestern der Haselmaus. Diese wird seit 2010 im Rahmen des o.g. FFH-Monitorings vom Centre de Recherche Publique Gabriel Lippmann (www.crpgl.lu) durchgeführt.
Schwerpunkt 2: Fang-Wiederfang-Studie an zwei koexistierenden Bilcharten (Sieben- und Gartenschläfer) im luxemburgischen Moseltal
Seit 4 Saisons (2009-12) werden im luxemburgischen Naturschutz- und FFH-Gebiet „Kelsbaach“ die dort zusammen vorkommenden Sieben- und Gartenschläfer in einer Fang-Wiederfang-Studie erfasst. Zwischen April und Oktober werden alle 2 Wochen für 2 Nächte (mit 1 Nacht Pause zwischen den Fangnächten) 240 Lebendfallen aktiviert. Die Fallen sind in einem Gitternetz mit 10-15 m Maschenweite aufgestellt und decken rund 1 ha ab. Sie verteilen sich auf insgesamt 80 Fangpunkte (d.h. 3 Fallen je Fangpunkt) und 3 nahezu gleichgroße, aneinander grenzende, jedoch ökologisch vollkommen unterschiedliche Gebiete: einen noch in Nutzung befindlichen Weinberg mit Trockenmauern, einen Bereich mit wärmeliebenden Sträuchern (Waldrand) und einen kühl-feuchten Hangschuttwald.
Die Tiere werden in Zusammenarbeit mit einer Veterinärin im nahen Konz mit Mikrochips markiert. Des Weiteren werden neben dem Fangort Informationen zu Geschlecht, Reproduktionsstatus und Gewicht erhoben sowie eine kleine Gewebeprobe aus dem Ohr zur genetischen Analyse entnommen. Als Köder wird eine Müsli-Marmeladen-Mischung mit Äpfeln verwendet. Die Fallen werden abends aktiviert und am frühen Morgen kontrolliert und entschärft. Bereits markierte Tiere werden unmittelbar nach dem Wiegen wieder am Fangort freigelassen. Bis August 2012 konnten rund 400 Individuen (250 Garten- und 150 Siebenschläfer) markiert werden.
Neben dem Fallenfang wurden im Gebiet auch rund 30 spezielle Bilchnistkästen in unterschiedlichen Habitaten ausgebracht. Diese haben das Eingangsloch zu Stammwand, was den Besatz mit Vögeln reduzieren soll. Außerdem werden die an das Fallengebiet angrenzenden Bereiche mit Fotofallen auf Bilchpräsenz untersucht.
Die Haselmaus konnte im von den Lebendfallen abgedeckten Gebiet zwar nie gefangen werden, jedoch wurde sie anhand der Nagespuren an Haselnüssen, auf Fotofallenbildern und ein einziges Mal in einem Nistkasten nachgewiesen werden.
Hauptziele:
• Modellierung der Überlebens- und Wiederfangraten: existieren art-, geschlechts- und / oder altersspezifische Unterschiede ?
• Nutzung der (Mikro-)Habitatstruktur: gibt es bzgl. Art, Geschlecht und Alter Präferenzen im genutzten Lebensraumtyp ?
Internationale Kooperationen:
• Siebenschläfergenetik (Gewebeproben Kelsbaach): Dr. M. Dabert, Adam-Mickiewicz-Universität Posen, Polen
• Gartenschläfergenetik (Gewebeproben Kelsbaach): V. Mikes, Universität České Budějovice, Tschechien
• Gartenschläfergenetik (Gewebeproben aus ganz Luxemburg): A. Mouton, Universität Liège, Belgien
Publikationen:
SCHLICHTER, J., ROTH, M., BERTOLINO, S. & ENGEL, E. (2011): Capture-mark-recapture study on coexisting dormouse species in Luxembourg. Mammalian Biology Vol. 76 Supplement: S. 21.
SCHLICHTER, J (2011): Distribution of dormice in Luxembourg. Mammalian Biology Vol. 76 Supplement: S. 21.
Schlichter, J., Roth, M., Bertolino, S. & Engel, E. (2012): A capture-mark-recapture study on coexisting dormouse species (Eliomys quercinus and Glis glis) in the Grand Duchy of Luxembourg – Preliminary results. Peckiana 8: 51-58.