Projektbeschreibung
Sächsische Landtage vom Späten Mittelalter bis heute
Das Jahr 1438 nannte der Landtagsmarschall Günther Graf von Bünau beim letzten Zusammentreffen der kursächsischen Ständeversammlung im Jahre 1831 als Anfang der sächsischen Landtagsgeschichte. Auch die aktuelle Historiografie geht davon aus, dass die kursächsischen Landstände sich 1438 zum ersten Mal konstituierten. Denn in diesem Jahr verpflichtete sich das Fürstenhaus Wettin, über Steuern mit allen seinen Ständen nur gemeinsam zu verhandeln. Dennoch gingen dem ersten Landtag auch Versammlungen voraus, die man als Vorläufer ansehen kann.
Ein halbes Jahrtausend Geschichte
Das Graduiertenkolleg „Geschichte der Sächsischen Landtage“ widmet sich einem Phänomen der longue durée über einen Zeitraum von fast sechs Jahrhunderten hinweg. Sachsen hat im Vergleich zu den meisten deutschen Bundesländern eine ungewöhnlich lange und dichte Geschichte ständischer bzw. parlamentarischer Mitwirkung. Dies gilt nicht nur für die Phasen, in denen die Landtage allgemein stark waren, sondern auch für Epochen, in denen andernorts der Einfluss der ständisch-parlamentarischen Körperschaften sank, wie etwa im 17. Jahrhundert. Im Kurfürstentum Sachsen waren die Stände auch in dieser Periode sehr einflussreich.
In mehr als einem halben Jahrtausend Landtagsgeschichte gab es selbstverständlich nicht nur Kontinuitäten, sondern auch Lücken, Brüche und vor allem fortwährenden Wandel. Obwohl stets Bezüge zum Herkommen aufrecht erhalten wurden, änderten sich der Kreis der Teilnahmeberechtigten und die Routinen ihrer Kommunikation, die zeichenhaften Handlungen und Gepflogenheiten. Deshalb muss der Begriff „Landtag“ für jede seiner Epochen definiert werden. Auch die Räume, aus denen Mitglieder zu Landtagen kamen, wechselten und der Einfluss der Ständeversammlungen auf die Politik wandelte sich. Bis zum Dreißigjährigen Krieg sprachen die kursächsischen Landtage auch bei der Außenpolitik mit. Danach finden sich in den landständischen Akten nur noch Gegenstände der Innenpolitik. Dennoch hatten die Ständeversammlungen in Dresden auch weiterhin hohen Einfluss auf die Politik Sachsens. Als das Kurfürstentum nach dem Siebenjährigen Krieg vor dem Staatsbankrott stand, retteten die Stände das Land sogar, indem sie für die Schulden ihres Fürsten bürgten.
Kontinuitäten und Forschungslücken
Landtage waren in jeder Epoche etwas anderes, aber sie haben auch epochenübergreifende Kontinuitäten: Personen gehörten nacheinander verschieden konstituierten Landtagen an. Tagungsmodalitäten und Teilnahmelegitimationen modifizierten vorangegangene Arrangements. Das Recht, Steuern zu bewilligen, hatten alle Landtage in (Kur-)Sachsen. Im Gegensatz zu den Fürstenhöfen, die es in Deutschland nur bis 1918 gab, sind Parlamente auch heute noch Orte, an denen sich das politische Zentrum einer Gesellschaft konstituieren kann.
Die historische Erforschung der Sächsischen Landtage ist im 20. Jahrhundert durch den Nationalsozialismus und die DDR weit ins Hintertreffen geraten. Deshalb soll das Graduiertenkolleg „Geschichte der Sächsischen Landtage“ diesen Strang der ständisch-parlamentarischen Tradition, der die sächsische Geschichte über rund sechshundert Jahre durchzieht, erforschen und sichtbar machen.
Laufzeit: Juli 2013 bis Dezember 2018 |
Projektleiter: Uwe Israel / Josef Matzerath |