Rückblick ACT MOVE PERFORM II (2020)
Act. Move. Perform. II – Körper im digitalen Raum
Performance-Symposium des Fachbereichs Kunstpädagogik der TU Dresden auf Schloss Siebeneichen bei Meißen
Ein Rückblick von Christin Lübke und Anna Zorn
Vom 19.10. – 23.10. 2020 fand in der Fortbildungsstätte Schloss Siebeneichen bei Meißen das Performance-Symposium Act. Move. Perform. II – Körper im digitalen Raum statt. Das Sächsische Bildungsinstitut finanzierte die Veranstaltung als Fortbildung für Kunstlehrende sowie Pädagogen und Pädagoginnen im Bereich des Theaters und des Museums.
Im Folgenden wird aus der Perspektive einer Teilnehmerin und einer Organisatorin über die Veranstaltung berichtet. Anna Zorn hat als unterrichtende Kunstlehrerin an einem Dresdner Gymnasium am Workshop “In Between - Performing Costumes” von Alexandra Börner teilgenommen. Christin Lübke hat das Symposium als wissenschaftlichen Mitarbeiterin gemeinsam mit Prof. Dr. Marie-Luise Lange und vielen studentischen Helfer*innen inhaltlich vorbereitet und organisiert.
Vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierungsdynamiken und den gestiegenen Anforderungen an Schule und Bildung, sinnvolle fachbezogene Zugänge zu digitalen Medien zu ermöglichen, sollte der Fokus auf performatives Aktivitäten in Anknüpfung an das erste Performancesymposium im Jahr 2017 um die Komponente des Digitalen und Medialen erweitern werden. Ein Anliegen, das durch die unerwarteten pandemiebedingten Umwälzungen im Bildungsbereich umso bedeutsamer in Erscheinung trat. Folgende Künstler und Künstlerinnen wurden eingeladen, um ihr Wissen zur Fluidität und Virtualität körperlicher Identitäten in Workshop- und Lecture-Formaten weiterzugeben:
- Alexandra Börner “In Between - Performing Costumes” (https://www.super-health-studios.com/)
- Franziska Hofmann “Follow me” (http://hoffmann-projekte.de/)
- BBB Johannes Deimling “art to tape” (http://www.bbbjohannesdeimling.de/)
- Franticek Klossner und Marc-André Gasser ““Performative Installation / Interaktive Videoskulptur / Digitale Kulturvermittlung” (https://www.franticek.com/)
Ein Performance-Symposium unter Pandemiebedingungen durchzuführen hat durchaus seine Tücken, offenbarte jedoch unerwartet stimulierende Aspekte: Eine riesiges Schloss für eine kleine, aber feine Anzahl von Teilnehmenden, viel Raum und Ruhe zur intensiven Auseinandersetzung, kleine Arbeitsgruppen und Freude am analogen Austausch, alles unter den Vorzeichen anstehender Kontaktbeschränkungen, durch welche Kunstunterricht nach den Herbstferien erneut in den digitalen Raum verlagert werden würde. Das lehrseitige Interesse an digitalen Formaten künstlerisch-performativen Gestaltens war dementsprechend groß. Der eröffnende Impulsvortrag von Prof. Dr. Hanne Seitz richtete den Blick zunächst auf Körper und Performance am Übergang zwischen digitalen und analogen Räumen. Die Keynote “plunge in, move on, handle it. Zeitgenössische Kunstpraxis auf der Schwelle zum Digitalen” skizzierte einen Überblick zu performativen Künsten entlang der Schlagworte #interaktiv, #generativ, #immersiv, #participate und #perform. In einer postdigitalen Gesellschaft, in der physical computing, artificial intelligence und virtual reality zum real life gehören, wird nicht mehr mit Medien sondern vielmehr in Medien agiert – so die These von Hanne Seitz, die im Vortrag anhand zahlreicher Werkbeispiele ausdifferenziert wurde. Mit den vielfältigen Anregungen und Bildern im Kopf ging es anschließend an die eigene künstlerische Erprobung in den Workshops. Die thematischen und didaktischen Zugänge zeigten sich unterdessen sehr vielfältig: die fotografische und filmische Exploration des Schlosses (Franziska Hoffmann), eine umfängliche Einführung in hard- und softwaretechnische Aspekte intermedialen plastischen Gestaltens (Franticek Klossner und Marc-André Gasser), die körperliche Erkundung des Raumes mittels reduzierter Gesten für Single-Take-Aufnahmen (BBB Johannes Deimling) oder die schweigende Imagination eines Alter Ego in Konfrontation mit verschiedensten textilen Materialien (Alexandra Börner). Die Arbeit in den Workshops oszillierte zwischen körperlicher und intellektueller Auseinandersetzung, lustvoller und reibungsvoller Konfrontation.
Bereits zum Auftakt des Workshops “In Between - Performing Costumes” von Alexandra Börner wurde deutlich, dass es sich um eine besondere Situation handelte, in welchem über die Dauer des ersten Tages nicht gesprochen, dafür jedoch aufmerksam geschaut, beobachtet, bewusst gehandelt, spontan gezeichnet, Materialien erprobt, Kleidung gezeigt, der Körper in Szene gesetzt und vieles erlebt werden würde. Über die Annäherung an verschiedene Materialien, die manchmal einen direkten und teilweise nur sehr indirekten Verweis auf Mode oder Kunst zuließen, stellte man sich mit kleinen Gesten der Gruppe vor. Das Material wurde bespielt und der Körper wurde genutzt – alles unerwartet analog. Alexandra Börner stellte einen umfangreichen, extrovertierten und ungewöhnlichen Materialfundus zur vielsinnlichen Erkundung zur Verfügung. Ohne die Kleidungsstücke zu sehen und nur mit der sinnlichen Beschreibung der Wirkung dieser Objekte durch Worte, zeichneten die Teilnehmenden ihre Assoziationen auf große Papierbahnen auf dem Boden. Anschließend wurde ein enganliegendes, schwarzes, schuppiges, kleinteiliges und verhüllendes Kleidungsstück wie auf dem Laufsteg präsentiert. Im wortlosen Gespräch lernten die Teilnehmenden eine andere Person durch einen Fragekatalog kennen. Für diese noch unbekannte Person wurde in den nächsten Tagen ein mediales Double in der Mode erschaffen und ein passender Instagram-Account gefüllt. Anschließend entstanden zu einzelnen Versatzstücken der Informationen in kürzester Zeit eine Vielzahl an kleinen Collagen aus Modezeitschriften, welche eine Persönlichkeit konturierten und erste Ideen von Kleidung, Accessoires und Setting eines Modeshootings visualisierten. Am nächsten Tag wurden die Fashion-Ideen aus gefundenen Naturmaterial und Alltagsgegenständen als Legecollagen in Form von Accessoires, Kleidungsstücken oder Gewebeproben gestaltet. Dies wurde in fast lebensgroßen Folienhüllen vakuumiert, aufgehängt und mit dem eigenen Körper, projizierten Bildern und Videos oder auch einem Schattenspiel des Overheadprojektors bespielt. Der analoge und digitale Raum verschmolz zu sensibel gestalteten Ausdrucksformen. Es wurde äußerst intensiv und vielfältig experimentiert.
Am letzten Tag präsentierten die Teilnehmenden ihr Arbeitsergebnis, welches die Schnittstellen von Mode, Körper, Performance und digitalen Medien ganz individuell interpretierte. Auch die Abschlusspräsentationen der anderen Workshop-Teilnehmenden zeigten die Vielfältigkeit der Resultate im gesamten Schloss. Dabei wurde ein differenziertes Ausloten des individuellen Körpereinsatzes und der verschiedenen Medien deutlich sichtbar. Alle einte, dass man die eigene Arbeit gern präsentierte, diese mit anderen Werken gedanklich in Beziehung setzte, reflektierte und mit anderen Teilnehmenden und Workshopleitenden darüber ins Gespräch kam.
Die Abschlussdiskussion fokussierte sich auf die Korrespondenz zwischen analogen und digitalen Medien im performativen Arbeiten. Der Umgang mit Übergängen vom Alten zum Neuen, vom Bekannten zum Unbekannten bzw. vom präsenten zum reproduzierbaren körperlichen Handeln wurden im Gespräch als impulsreicher Forschungsprozess in der eigenen künstlerischen Praxis reflektiert. Die Auseinandersetzungen wurden durchweg von der Neugier und Experimentierfreude der Teilnehmenden getragen. Bildlust in der performativen Thematisierung des Körpers und Codierfrust im digitalen Arbeiten lagen dabei durchaus nah beieinander, sodass die Grenzen der imaginierten Ausdrucksmöglichkeiten mit dem Blick auf Vermittlungspraxis im Regelunterricht (mitunter schmerzlich) bewusst wurden, da sie letzten Endes nur in zeitintensiver Auseinandersetzung überwunden werden können. Nichtsdestotrotz lud das Symposium dazu ein, einen zeitgenössischen, postdigital informierten Performance-Begriff zu befragen und in Korrelation zu anderen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten wie der Collage und Assemblage, der Videokunst und Fotografie, der Installation und Plastik zu schärfen.
Anna Zorn / Lehrerin am Gymnasium Dresden-Cotta für Kunst, Künstlerisches Profil und Geschichte / Schriftführung im Vorstand des BDK / zorn@bdk-online.info
Christin Lübke / wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft der TU Dresden im Fachbereich Kunstpädagogik / Leiterin des BDK Hochschulreferats / christin.luebke1@tu-dresden.de