03.05.2023
Call - Fassadentheater - Workshop 26.-27.10.2023
Fassadentheater, Straßenszenen und Online-Auftritte. Theater des Über-setzens
Workshop im Rahmen des DFG-Projekts: Theater der Trans-lation. Dynamiken und Konstellationen von Übersetzen und Herabsetzen in Theater und Performance des 21. Jh.
Das Theater eröffnet seinen Erscheinungsraum, indem das on vom off räumlich wie zeitlich abgeschieden (Bettine Menke 2014) wird: Bühnenmaschinerie, Garderobe, Werkstätten, Proberaum sowie der Probenprozess selbst, aber auch die Vermarktungskalküle und impliziten Imagepolitiken seines “Hauses” wirken im submedialen Raum jenseits geteilter Aufmerksamkeit. Somit ist jeder Auftritt auf dem Theater Schwellenübertritt oder vielmehr eine von Spielweisen, Architekturen, Infrastrukturen, kulturellen Gepflogenheiten und Moden abhängige Verhandlung von Schwellen, auch jenen zwischen Bühnen- und Zuschauer:innenraum. Während der Covid-19-Pandemie wurde besonders offensichtlich, was nur auf den ersten Blick banal erscheint: Der theatrale Verhandlungsort der Schwelle setzt einen weiteren Übertritt voraus, und zwar den Eintritt in das Haus, die Spielstätte, den weiteren theatralen Raum. Theaterschaffende arbeiten sich zwar pandemieunabhängig an der Begrenzung und Öffnung der Szene ab, indem etwa Anfang wie Ende einer Inszenierung ausgedehnt werden, Medienschaltungen in den Theaterraum hinein, aber auch aus diesem heraus erfolgen. Oder aber das Theater “schwärmt aus” (Carena Schlewitt 2011) und lässt auf diese Weise seine stationäre Festsetzung hinter sich. Worauf die coronabedingte Schließung und zaghafte Wiedereröffnung der Häuser und Spielstätten jedoch in besonderer Weise aufmerksam machte, ist die Prekarität des Eintritts und der theatralen Versammlung. Was sich außerdem zeigte, war eine Verschiebung im Verhältnis von on und off der Szene einerseits zur Relation von Innen und Außen des Hauses andererseits. Waren Theaterhäuser auch zuvor darum bemüht, sich selbst zu inszenieren, sich off- wie online der Öffentlichkeit im Modus von Relevanzbehauptung zu präsentieren, um ein Publikum mittels Beflaggung, Plakatierung, Teasern oder Merchandise förmlich anzulocken und in ihr Inneres zu holen, veranlasste die notgedrungene Schließung verstärkt dazu, die Straße, aber auch Internetplattformen zu ihren Zuschauer:innenräumen zu machen. Die Häuser, ihre Fassaden und digitalen Erweiterungen wurden zum eigentlichen Spielort – insbesondere dann, wenn es darum ging, sich weiterhin (politisch) einzumischen und damit die eigene Zeitgenossenschaft unter Beweis zu stellen.
Dass die Häuser in diesem Sinne selbst als Akteurinnen fungieren, lässt sich u.a. am Beispiel der Volksbühne zeigen: Am 26. April 2020 entzog sich das Haus seiner Funktion als Kulisse für die sogenannten “Hygiene-Demos”, die u.a. am Rosa-Luxemburg-Platz stattfanden. Die Fassade wurde durch eine Plakatierung und den Slogan „Wir sind nicht eure Kulisse!“ sprechend. Gleichzeitig wurde das ikonische Mauerrad Bernd Neumanns wie auch das Namensschild verhüllt. Der inszenierte Entzug präsentierte sich so als markante Positionierung.
Andere Beispiele solchen Fassadentheaters lassen sich im Zusammenhang des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nennen: Viele Häuser beflaggten sich mit der (Brecht’schen) Friedenstaube, zogen Plakate mit Antikriegsslogans auf und beleuchteten sich mehr oder weniger auffällig in den ukrainischen Nationalfarben.
Das Anliegen dieses Workshops ist, diese sehr spezifischen Phänomene des Beachtungsmanagements in einen weiteren Zusammenhang zu stellen und danach zu fragen, wie sich Übertritte, Verhältnisse von Innen und Außen, on und off gestalten und in welchen politischen, kulturpolitischen und marketingstrategischen Dynamiken sie eingebunden sind. Diese Operationen und Dynamiken eines so gefassten Theaters des Über-setzens sollen dabei in ihren performativen, medienwirksamen und affektiven Wirkweisen beleuchtet werden. Leitend wird die Frage, in welcher Art und Weise sich das Theater in der eigenen Inszenierung überschreitet, wenn es darum ringt, ein Publikum affektiv zu mobilisieren (Matthias Warstat 2020) und über seine baulichen Grenzen hinweg Verhandlungsräume mitzugestalten.
Erbeten werden Beitragsvorschläge, die sich in verschiedener Weise auf Phänomene der Selbst-Inszenierung und Schwellenverhandlung des theatralen Raumes beziehen. Von Interesse sind dabei Strategien einer öffentlichkeitswirksamen Aufmerksamkeitsökonomie (Plakatierungen, Merchandise, Internet-Auftritte, Kulturcafés, Rezeptionsmanuale etc.) ebenso wie künstlerische Formen, die sich auf die Selbstpositionierung der sie beherbergenden Häuser beziehen oder auf andere Weise versuchen, on und off des Auftritts mit der Schwelle des theatralen Raumes in Beziehung zu setzen.
Der Workshop findet am 26.-27.10.2023 in Dresden statt.
Der Aufruf kann als PDF heruntergeladen werden unter: Call Fassadentheater Workshop 26.-27.10.2023.
Abstracts bitte bis zum 01.06.2023 an , und
Literaturverweise:
- Menke, Bettine: „ON/OFF“, in: Vogel, Juliane/Wild, Christopher (Hg.): Auftreten. Wege auf die Bühne. Berlin 2014.
- Schlewitt, Carena: Das Theater schwärmt aus. Ein Plädoyer für ein nomadisches Gegenwartstheater. In: Goebbels, Heiner/Mackert, Josef/Mundel, Barbara (Hg.): Heart of the City. Recherchen zum Stadttheater der Zukunft. Berlin 2011.
- Warstat, Matthias: Politische Dynamiken des Gegenwartstheaters. Funktionen einer Selbstmobilisierung. In: Eusterschulte, Birgit/Krüger, Christian/Siegmund, Judith (Hg.): Funktionen der Künste. Transformatorische Potentiale künstlerischer Praktiken. Berlin 2020.