Personen
Julia Boog-Kaminski interessiert sich für den Zusammenhang zwischen der Praxis des Versammelns und dem Phänomen der Vision. Auf psychoanalytisch und kulturtheoretisch fundierte Weise untersucht sie die Schnittstelle zwischen Phantasie und Wahrnehmung, Aktion und Kreation und lotet die Grauzonen einer gemeinsamen (Zukunfts-)Vorstellung aus: die Ansteckungsgefahr und das Verführtwerden durch Phantasmen, Halluzinationen und Trugbilder. Zurzeit arbeitet sie an einer Habilitation über Das Wissen des Kindes, in der alternative Formen infantiler Welt- und Wissensaneignung in der Kinder- und Jugendliteratur, Pädagogik, Philosophie und Psychoanalyse erforscht werden.
Prof. Dr. Valentin Dander beschäftigt sich aus der Perspektive von Kulturtechniken des Versammelns mit der Schnittstelle von Medienbildung und Politischer Bildung. Hierbei interessieren insbesondere digitale Daten, Medienarchitekturen und -praktiken sowie die Loslösung eines Verständnisses von Bildung von individuellen Transformationen, hin zu kollektiven, ‚Welt-verändernden‘ Prozessen.
Sebastian Köthe promoviert über Folter-Kultur im „global war on terror“.
Dabei fokussiert er einerseits das Wechselverhältnis von „sauberer“ Folter
und aisthetischen Praktiken des Überlebens und Widerstandes in Guantánamo
Bay, und andererseits die Epistemologien und Ethiken von Kunstwerken,
sowohl von den Gefangenen Guantánamos selbst als auch von Dritten. Das
Versammeln tritt dabei in dreifacher Gestalt auf: erstens als
rassifizierende Praxis der Verschleppung, Entrechtung und Gefangennahme;
zweitens durch die Konstitution einer politischen Häftlingsgemeinschaft
unter den einander zuerst fremden Gefangenen; und drittens als Effekt
ästhetischer Interventionen in den von demobilisierender Staatszensur
geprägten US-Diskurs.
Ursula Mindler-Steiner forscht zu Dynamiken des Versammelns in zionistischen Kontexten. Konkret stehen dabei zionistische Agitationen im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet der Zwischenkriegszeit im Fokus und Fragen nach den Formen und Orten des „(Ver-)sammelns“, welche sich nicht immer klar definieren und abgrenzen lassen. In der Praxis gestaltet sich dies vielfältig und reicht vom Spendensammeln im Rahmen des Keren Hayesod über den Besuch von zionistischen Vorträgen bis hin zum Besuch von Hachschara-Kursen, die auf das Leben und Arbeiten im Kollektiv vorbereiten sollten.
Julia Prager forscht zu affektiven und invektiven Dynamiken des Versammelns im Zusammenhang von Theater und Protest. Im Fokus stehen theatrale Spielweisen und mediale Anordnungen, die Relationen zwischen Akteur*innen ermöglichen, unterbrechen oder sogar verhindern. In ihrem Habilitationsprojekt "Theater der Anderssprachigkeit" untersucht sie, in welcher Weise Einsätze von Fremdspache, Dialekt, Soziolekt, Akzent oder technischer Stimme im zeitgenössischen Theater sowie in historischen Beispielen kollektivierend und vereinzelnd wirksam werden.
Martin Jörg Schäfer forscht zu politischen Fiktionen, wie sie sich in Theater und Performance des 21. Jahrhunderts imaginiert finden: als Ort eines verschobenen Aushandelns von Konflikten, als Ort der Zusammenführung eines wie auch immer flüchtigen Gemeinwesens, aber auch als Laboratorium, in dem sich die Machart dieser Bindung ausstellen, auflösen und eventuell ‚ausbessern‘ lässt. Stets geht es darum, wie jeweils eine Verbindung von Verschiedenen und Verschiedenem hergestellt wird, bzw. darum, auf die Machart dieser Bindungen zu reflektieren. Besonders interessieren ihn derzeit in Gruppen und Prozessen entstehende Theatertexte. Ein mit Karin Nissen-Rizvani herausgegebener Sammelband zum Thema („TogetherText“) ist bei „Theater der Zeit“ in Vorbereitung.
Assoziiert
Evelyn Annuß arbeitet momentan zu kollektiven Auftrittsformen, Männlichkeiten und Drag aus globaler Perspektive. Im Fokus stehen karnevalistische Praktiken. Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit dem Nachleben kolonialer Geschichte sind zunächst die Cape Minstrels im südlichen Afrika. Anhand unterschiedlicher Mardi Gras-Praktiken in New Orleans soll es um Fragen der Kreolisierung gehen. Mit Blick auf die alpenländischen Perchten wiederum wird der Erfindung von Versammlungstraditionen nachgegangen, um schließlich in Auseinandersetzung mit dem aktuellen ‚Karneval rechtspopulistischer Kulturen' wie etwa den Coronademos die Frage nach dem Status von Versammlung und Maske heute zu stellen.
Sabine Müller ist FWF-Habilitationsstipendiatin am Institut für Germanistik der Universität Wien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten im Bereich der Literatur- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zählt unter anderem auch das Feld der politischen Ästhetik, mit einem besonderen Fokus auf das Verhältnis von Kollektivität, Performativität, Stimme und Stimmabgabe. Hier ist auch ihr Forschungsprojekt „Demokratie verstehen. Zur politischen Ästhetik der Kollektivstimme im langen 19. Jahrhundert“ (2020-2024, Fördergeber: Österr. Nationalbank) angesiedelt. Es nähert sich Phänomenen des Sich-(Ver-)Sammelns aus einem interdisziplinär-kulturwissenschaftlichen, Theorie und Historiografie verschränkenden Blickwinkel (siehe hierzu die Projektbeschreibung).
Sebastian Kirsch forscht zu Erscheinungsformen und Praktiken des Chores im Kontext der Geschichte von Gouvernementalität und Environmentalisierung. Neben Gegenwartsfragen (Technologie, Ökologie, ‚kontrollgesellschaftliche‘ Machtformen) interessiert ihn dabei vor allem die Zusammengehörigkeit des griechischen Theaterchores und der antiken Sorge- und Wahrheitstechniken, wie sie Gegenstand der letzten Vorlesungen von Michel Foucault waren. Seit 2019 arbeitet Sebastian Kirsch zudem über Hermann Brochs Poetik der „Atembilder“ und über seine „Massenwahntheorie“, die er ebenfalls unter dem Vorzeichen der Weiterentwicklung des Chores in der Moderne untersucht.