Walzel-Preis
Über Oskar Walzel
Oskar Walzel (1864 bis 1944) wurde im Jahr 1907 nach Dresden
berufen, in doppelter Funktion als Nachfolger Adolf Sterns an
der Technischen Hochschule, als Nachfolger Hermann Hettners an
der Kunstakademie. Zwar hatte der Germanist Walzel 1894 bei
Jacob Minor habilitiert, doch seine akademische Laufbahn war
bis dahin nicht ganz zunftgemäß verlaufen. Denn er hatte sich
auch einen Namen mit Beiträgen zum Feuilleton großer
Tageszeitungen und zu Kulturzeitschriften gemacht, hatte zudem
vielfältige Kontakte zur jungen Schriftstellergeneration
aufgebaut, zunächst von der Wiener Moderne ausgehend, späterhin
auch die jungen Expressionisten einbeziehend. Die Bemühungen um
den Kontakt zur Gegenwartskultur setzte Walzel in Dresden fort.
Es ist nicht zuletzt der Verdienst dieses großen Mittlers und
Literaturvermittlers, daß die Avantgarde beim gebildeten
Bürgertum in Dresden – anders als in anderen Zentren der
‚Moderne’ – heimisch wurde. – Fachlich war Walzel als Kenner
der Literatur der Goethe-Zeit und insbesondere der deutschen
Romantik anerkannt. Zudem erwies sich aber, daß dieser
‚Grenzgänger’ aus seinem breiten kulturellen Engagement heraus
auch der Germanistik Wege in die Zukunft wies. Das
wirkungsmächtige Schlagwort von der „wechselseitigen Erhellung
der Künste“ ist zugleich die Maxime des groß angelegten
Handbuchs der Literaturwissenschaft, das er in den 20er Jahren
herausgeben wird; der Band Gehalt und Gestalt im Kunstwerk
des Dichters (1923) behauptet sich lange Zeit als
Standardwerk.
Im Jahr 1921 erfüllt sich Walzels lang gehegter Wunsch der
Berufung auf eine universitäre Professur. Er geht als
Nachfolger Berthold Litzmanns nach Bonn. Die innovativen
Ansätze, die er sich in Dresden erarbeitet hatte, verflachen in
seinen letzten Berufsjahren. Er wird jetzt allerdings „der im
Ausland bekannteste Literarhistoriker“ und feiert denn
auch „in ganz Europa gelegentlich seiner Vorträge Triumphe“
(Carl Enders). Im Jahr 1933 wird er emeritiert, im Jahr 1936
lässt der Rektor der Universität Bonn den bei den
Nationalsozialisten mißliebigen Oskar Walzel „davon in Kenntnis
[setzen], dass seine Vorlesungstätigkeit nicht erwünscht sei.
Sein Name wurde daraufhin aus dem Vorlesungsverzeichnis
gestrichen.“ (Höpfner) Seine Ehe mit Hedwig Karo, die nach dem
Erlaß Nürnberger Rassegesetz als Mischehe mit einer Jüdin
geächtet wurde, löste Walzel gleichwohl nicht auf. Bei einem
Brand nach einem Bombenangriff kam Oskar Walzel am 29.
September 1944 in seiner Wohnung ums leben, kurz nach der
Verschleppung seiner Frau ins Lager Theresienstadt.
Oskar Walzels Lebensleistung und insbesondere seine Dresdner
Jahre belegen eindrucksvoll, welche Chance die germanistische
Literaturwissenschaft in Deutschland mit dem Aufbruch zur
Moderne erwachsen waren. Sogleich belegt die Biografie dieses
großen Gelehrten, den erschreckenden Rückfall des Faches in
provinzielle Barbarei. – Es gibt heute hinreichend Gründe,
Oskar Walzel als ein bedeutendes Mitglied der Technischen
Hochschule Dresden und eines wegweisenden Germanisten zu
gedenken. Die Oskar-Walzel-Vorlesungen, die mit dem
Sommersemester 2010 an der TU Dresden beginnen, geben dazu den
Rahmen.
Literaturangaben:
Frank Almai: Expressionismus in Dresden. Zentrenbildung der
literarischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in
Deutschland. Dresden: Thelem 2005. S. 191–199.
Carl Enders: Oskar Walzel. Persönlichkeit und Werk. In:
Zeitschrift für deutsche Philologie 75, 1956, S. 186–199.
Hans-Paul Höpfner: Die vertriebenen Hochschullehrer der
Universität Bonn 1933–1945. In: Opfer nationalsozialistischen
Unrechts an der Universität Bonn. Hg. von Klaus Borchard. Bonn
1999, S. 37–78.
Peter Salm: Drei Richtungen der Literaturwissenschaft. Scherer
– Walzel – Staiger. Tübingen: Niemeyer 1970.
Walter Schmitz: Oskar Walzel (1864–1944). In:
Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Hg. v.
Christoph König, Hans-Harald Müller u. Werner Röcke. Berlin
u.a.: de Gruyter 2000, S. 115–127.
Eine Auswahl aus dem Briefwechsel Oskar Walzels mit
Schriftstellern wird am Lehrstuhl für Neuere deutsche
Literatur- und Kulturgeschichte der TU Dresden
vorbereitet.
Der Oskar Walzel Preis für hervorragende Abschlussarbeiten (Master / Staatsexamen)
Oskar Walzel, der bedeutende und wirkungsreiche Gelehrte, hat
sich stets in besonderem Maße seiner Schüler und Schülerinnen
angenommen. Es ist also nur angemessen, daß mit dem Oskar
Walzel Preis heute diejenigen Leistungen anerkannt werden, mit
denen unsere Absolventen und Absolventinnen zeigen, daß sie
ihre Wissenschaft gelernt haben, – also die Master- wie auch
die Staatsexamenarbeiten im Bereich Neuere deutsche Literatur
und Kulturgeschichte. Der Preis bietet unseren AbsolventInnen
zweierlei: Nach außen wirksame Anerkennung und eine Betreuung
über die Prüfungssituation hinaus. Denn der Preis besteht in
der Veröffentlichung der Abschlussarbeiten. Sie wird von den
Autorinnen und Autoren gemeinsam mit einem Betreuer erarbeitet
und soll die erste angesehene wissenschaftliche Publikation für
die PreisträgerInnen werden. Die Arbeiten erscheinen in der
Reihe der „Oskar Walzel Schriften“.
Oskar Walzel Schriften - die Preisträgerinnen und Preisträger und ihre Arbeiten
Andreas Känner: „Jeder Ort hat seinen Heiligen ...“
Gruppenbildung um Ludwig Tieck in Dresden − Inszenierung und
Selbstinszenierung eines Autors. Dresden: Thelem 2009,
gebunden, 178 S., 23 x 15 cm (Juni
2009).
Michael Bittner: Ästhetischer Staat oder politische
Kunst. Die Stellung Georg Büchners in der Literatur am Ende der
Kunstperiode. Dresden: Thelem 2010.
Cornelia Bögel: „Geliebter Freund und Bruder“. Eine
Edition der Briefe Friedrich Tiecks an August Wilhelm Schlegel
von 1804-1811.
Johannes Näder: Wissenschaftliche Verwertung im
Zeitalter von Digitalität und Internet. Dresden: Thelem
2010.
Anni Schoppe: Germanistik im digitalen Zeitalter –
Nutzungsmöglichkeiten des Internets für die Neuere deutsche
Literaturwissenschaft.