Wilhelm-Wundt-Haus Großbothen
Wilhelm Wundt (1832-1920) war Physiologe und ist heute weltweit als Gründerpersönlichkeit der akademischen Psychologie anerkannt. Das letzte Domizil des Wissenschaftlers in Großbothen bei Grimma war nach der Wende 1989/90 dem Verfall preisgegeben.
Einer Denkmalschützerin, deren Ehemann sich der Wundt-Forschung widmete, gelang es vor einigen Jahren, das Gebäude in Großbothen zu erwerben. Die Rettung glückte: Der Bund und das Land Sachsen stellten 500.000 Euro für die Sanierung bereit. Seit Juni 2022 wird das Haus umfassend restauriert. Eine virtuelle 360-Grad-Ansicht vom Zustand des Hauses 2020 finden Sie unter diesem LINK.
Die Nutzungsfrage ist jedoch noch ungeklärt. Gedacht ist an eine Verwendung des Hauses für spezielle (bspw. auf Wundt bezogene) Forschungszwecke oder als Stipendiatenzentrum für internationale Forschende aus der Psychologie- und Medizingeschichte. Ein tragfähiges wissenschaftliches Konzept wird derzeit von Mitarbeiter*innen des Instituts für Geschichte der Medizin der TU Dresden erarbeitet.
Wilhelm Wundt
Wilhelm Wundt (1832-1920) war ein deutscher Physiologe und Psychologe. Er gründete 1879 das erste Institut für experimentelle Psychologie in Leipzig. Weltweite Anerkennung erhielt er bereits zu seinen Lebzeiten. An seinem Institut studierten Mediziner und Psychologen aus vielen Ländern und begründeten anschließend in ihrer Heimat eigenständige psychophysiologische Laboratorien und Institute. Zu seinem Umfeld gehörten u.a. die Physiologen Carl Ludwig und Johann Nepomuk Czermak, der Anatom Ernst Heinrich Weber, der Universalgelehrte Gustav Theodor Fechner (1801–1887) und der Mediziner Rudolph Hermann Lotze (1817–1881). Die Bedeutung Wundts für die Psychologie lässt sich durchaus vergleichen mit derjenigen Freuds für die Psychoanalyse.
Die Wahl Wundts zum Rektor im Amtsjahr 1889/1890 und als Redner der 500-Jahr-Feier der Universität Leipzig bezeugt sein hohes Ansehen. Zwischen 1875 und 1919 hat Wundt 184 Doktoranden betreut, über 60 stammten aus dem Ausland. Schwerpunkte der Untersuchungen waren philosophische und psychologische Themen, die „Psychophysik“ sowie Reaktionszeitmessungen.
Das Haus in Großbothen
Im sächsischen Großbothen befindet sich das leerstehende Sommerhaus (und gleichzeitig der Sterbeort) des berühmten deutschen Psychologen Wilhelm Wundt (1832-1920). Die Häuser, in denen Wundt in Leipzig wohnte, wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Erhalten blieb sein letztes Domizil, das in Großbothen bei Leipzig, Grimmaer Straße 28, liegt. In Großbothen, wenige hundert Meter entfernt, lebte auch der Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853-1932), mit dem Wundt eng befreundet war (heute Gedenkstätte Ostwald-Park). Die Freundschaft mit Ostwald, der in Wundt seinen Mentor sah, war für Wundt der Grund für den Kauf des Gebäudes Grimmaer Straße 28.
Wundts Sommerhaus ist „wohl proportioniert im italienischen Stil“ um 1903/04 nach Plänen des Maurermeisters Fleming errichtet worden (vgl. Fotos). Es hat eine Wohnfläche von etwa 120 Quadratmetern auf zwei Etagen und steht auf einem etwa 880 Quadratmeter großen Grundstück. In Großbothen diktierte er am 24. August 1920 noch das Vorwort zu seinem Werk „Erlebtes und Erkanntes“ und wollte im Herbst wieder nach Leipzig zurückkehren, verstarb dann aber am 31. August 1920. Ende 1920 wurde das Haus an einen Wilhelm Guhlemann veräußert. Wundts Tochter verfügte nur über ein sehr geringes Einkommen und habe „sehr bescheiden“ leben müssen. Sie arbeitete von 1927 bis 1943 im Psychologischen Institut Leipzig und war mit Grete Ostwald, der Tochter des ebenfalls in Großbothen lebenden Chemikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, befreundet.
Während der DDR-Zeit, als das Haus im Besitz der Öffentlichen Hand war, wurde zur Würdigung Wundts eine Inschrift angebracht. Danach stand es viele Jahre leer und verfiel. Das Haus befindet sich seit 2018 im Besitz einer Denkmalpflegerin, die es seit 2022 sanieren lässt. Im Juni 2016 gründete sich auf Schloss Altranstädt ein Förderverein, dessen Ziel es war, die Nutzungsrechte am Wilhelm-Wundt-Haus im Großbothen zu erwerben. Der Verein wurde zum Jahresende 2022 aufgelöst, da das Vereinsziel (die Vorbereitung der Sanierungsarbeiten) erfüllt wurde.