Next-Generation-Sequencing (NGS)
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Neben der NGS-Paneldiagnostik werden im Rahmen der Forschung am Institut für Klinische Genetik auch noch weitere Verfahren aus dem Bereich NGS verwendet. So nutzen wir für die verschiedenen Forschungsschwerpunkte zum Beispiel Gesamt- Genom-, Exom-, Transkriptom- oder RNA-Sequenzierungen. Einige dieser Methoden sind im Folgenden beschrieben.
Exom-Sequenzierung
Ziel der Exom-Sequenzierung: Seit Jahrzehnten steht die Entdeckung von krankheitsverursachenden Defekten in bisher unbekannten Genen - oder salopp gesagt: die Identifizierung neuer „Krankheits-Gene“ - im Mittelpunkt der humangenetischen Forschung. Die Ergebnisse einer solchen Forschung sind sowohl für die Patienten als auch für die Wissenschaftler von großer klinischer und praktischer Relevanz: den Patienten ermöglicht die Identifizierung eines neuen „Krankheits-Gens“ zukünftig eine klare Diagnosestellung, eine zuverlässige Prognose und ein genau kalkulierbares Wiederholungsrisiko; den Wissenschaftlern gewährt sie Einblick in die Funktion des betroffenen Gens und in beteiligte Signal- und Stoffwechselwege. Hieraus können langfristig eine bessere Patientenversorgung und Therapie resultieren.
Vorteile der Exom-Sequenzierung: Mit Einführung der Hochdurchsatz-Sequenzierung (engl.: next generation sequencing, NGS) vor etwa 10 Jahren ist die Analyse des kompletten Erbguts eines Menschen („whole genome sequencing“, WGS) möglich geworden. Da WGS mit einem Sequenzierumfang von ca. 3 Milliarden DNA-Bausteinen jedoch relativ langwierig und kostenintensiv ist, beschränkt man sich im normalen Forschungsumfeld (d.h. außerhalb einer Großforschungseinrichtung) auf die Untersuchung des sogenannten „Exoms“, worunter man die Gesamtheit aller Protein-kodierenden DNA-Abschnitte des menschlichen Erbguts versteht. Die Exom-Sequenzierung („whole exome sequencing“, WES) ist mit einem Sequenzierumfang von ca. 50 Millionen DNA-Bausteinen sowohl zeitlich, ökonomisch als auch bio-informatisch gut zu bewerkstelligen. Da Sequenzänderungen in Protein-kodierenden DNA-Abschnitten eine deutlich höhere Effektwahrscheinlichkeit haben als in nicht-kodierenden DNA-Regionen ist das Kosten/Nutzen-Verhältnis einer Exom-Sequenzierung ausgesprochen hoch.
Ablauf der Exom-Sequenzierung: Die Analyse eines Exoms ist recht komplex und umfasst die folgenden Schritte: die Anreicherung des Exoms, das Sequenzieren der angereicherten DNA, das Kartieren der gelesenen DNA-Abschnitte („reads“) auf ein Referenz-Genom, das Detektieren der Varianten („variant calling“) und zuletzt die Kommentierung („annotation“) und Interpretation der Varianten. Während die meisten dieser wichtigen Schritte durch kommerzielle Produkte vereinfacht werden, stellt die Beurteilung der pathogenetischen Relevanz der beim Patienten gefundenen Sequenzvarianten die eigentliche Herausforderung dar. Diese werden zum einen durch Variantenbeurteilung im interdisziplinären Auswerter-Team, bestehend aus Fachärzten und erfahrenen Molekularbiologen und zum anderen durch vergleichende Sequenzierung der gesunden Eltern eines betroffenen Patienten („Trio-Analyse“) gemeistert. Exemplarisch für die erfolgreiche Anwendung dieser Methode sei hier auf die Identifikation des EXOSC2-Gens als Kandidatengen für ein neues Syndrom durch das Institut für Klinische Genetik verwiesen [1].
[1] Di Donato N, Neuhann T, Kahlert AK, Klink B, Hackmann K et al.: Mutations in EXOSC2 are associated with a novel syndrome characterised by retinitis pigmentosa, progressive hearing loss, premature ageing, short stature, mild intellectual disability and distinctive gestalt. J Med Genet. (2016), doi: 10.1136/jmedgenet-2015-103511