Jun 14, 2019
Der fast vergessene Dresdner »Kokon für Luftschiffe«
Kurt-Beyer-Preisträger Dr. Roland Fuhrmann hat die weitgehend unbekannte Baugeschichte der ehemaligen Luftschiffhalle in Dresden-Kaditz erforscht
Für seine Dissertation über die ehemalige städtische Dresdner Luftschiffhalle wurde Dr. Roland Fuhrmann an der TU Dresden vor wenigen Tagen mit dem Kurt-Beyer-Preis 2018 geehrt. UJ sprach mit ihm.
UJ: Dr. Fuhrmann, zunächst herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung mit dem Kurt-Beyer-Preis 2018. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?
Dr. Roland Fuhrmann: Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung. Sie bedeutet fachliche Anerkennung und verhilft meinem Forschungsthema zu öffentlicher Wahrnehmung.
Das Thema Ihrer Dissertation an der Fakultät Architektur lautet »Dresdens Tor zum Himmel – Die erste aerodynamisch geformte Luftschiffhalle und ihr Einfluss auf die Baugeschichte «. Was war das Besondere an dieser Halle?
Die städtische Luftschiffhalle wurde 1913 in Dresden-Kaditz errichtet und bestand etwa sieben Jahre. Mit ihren 191,6 m Länge, 37 m Höhe und 56 m Breite zählte sie zu den größten Luftschiffhallen ihrer Zeit. Das Besondere an ihr aber war neben ihrer gerüstlosen Montagetechnologie vor allem ihre neuartige, allseits abgerundete Form mit Kuppeldrehtoren, die ganz der Funktion folgte und Luftschiffe wie ein Kokon umschloss. Damit unterschied sie sich stark von den damals üblichen kastenförmigen Luftschiffhallen, war ihrer Zeit zu weit voraus und wurde verkannt. Erst der im Ersten Weltkrieg gewachsene Wissensstand der Aerodynamik rehabilitierte ihre Form als besonders strömungsgünstig, denn die durch Luftschiffhallen verursachten Turbulenzen gefährden den Luft(schiff)verkehr auf dem Landeplatz. 1928 diente die Konstruktion der Dresdner Luftschiffhalle als Vorbild und Grundlage zum Bau des Airdocks in den USA, der heute noch stehenden Luftschiffwerfthalle in Akron/ Ohio. Dessen Erfolg beeinflusste den Luftschiffhallenbau weltweit bis hin zur ehemaligen CargoLifter-Halle. Erst durch diese Folgebauten erhält der vergessene Dresdner Ursprungsbau seine baugeschichtliche Bedeutung.
Warum ist dieser baugeschichtlich interessante »Kokon für Luftschiffe« im Jahr 1921 abgerissen worden? Was wurde aus den Stahlkonstruktionen?
Der Demilitarisierung des Versailler Vertrages folgend musste auch die städtische Dresdner Luftschiffhalle abgerissen werden, weil sie im Ersten Weltkrieg militärisch genutzt wurde. Während ein großes Teilstück der Dresdner Militärluftschiffhalle (1914/15 ebenfalls in Kaditz erbaut) heute noch in Wilthen/Sachsen steht, ist der Verbleib des Tragwerks der städtischen Halle leider nicht aktenkundig und bleibt künftigen Forschungen vorbehalten. Dazu dient meine Arbeit als Grundlage.
Eine kurze Renaissance erlebte das Thema Luftschiff von 1996 bis 2002 mit dem Unternehmen CargoLifter und jener Luftschiffhalle, die heute der Freizeitpark Tropical Islands in Brandenburg ist. Ähnelt diese Halle der damaligen Dresdner Konstruktion?
Wie schon geschildert, konnte ich den Einfluss der Dresdner Luftschiffhalle auf das Airdock in Akron/Ohio nachweisen. Daneben existieren in den USA noch zwei weitere Luftschiffhallen dieser »Dresdner Form«: in Sunnyvale/ Kalifornien und Weeksville/North Carolina. Letztere wurde von den Konstrukteuren während der Planungsphase der CargoLifter-Halle auch besichtigt. Über diesen Umweg ist eine Beeinflussung durch den Dresdner Pionierbau nachvollziehbar. Das Grundprinzip beider Hallen ist sichtbar ähnlich, doch von 1913 bis zum Jahr 2000 haben sich Größe und Bauausführung natürlich wesentlich weiterentwickelt.
Sie sind seit über 20 Jahren Bildender Künstler in Berlin mit dem Schwerpunkt »Kunst am Bau«. Was verbindet Sie mit der TU Dresden?
Vor meinem Kunststudium war ich 1989/90 technischer Mitarbeiter an der TU Dresden und arbeitete als Design- Modellbauer in Prof. Johannes Uhlmanns Arbeitsgruppe Industrielle Formgestaltung, Wissenschaftsbereich Arbeitsingenieurwesen. Dort konnte ich unter anderem im TUD-eigenen Niedergeschwindigkeitswindkanal an der Strömungsoptimierung von Automobilmodellen mitarbeiten. Das war eine sehr prägende und anregende Zeit für mich, für die ich sehr dankbar bin.
Sind Arbeiten von Ihnen auch an der TU Dresden zu sehen?
Ja, im Jahr 2010 konnte ich für den Neubau des Atriums der Chemischen Institute der TU Dresden die permanente Rauminstallation »Spektralsymphonie der Elemente« realisieren. Dabei verwandelte ich die Linienspektren der 99 chemischen Elemente in eine Art impressionistisches Raumgemälde aus Farbglasröhren. Wie auch bei der Dresdner Luftschiffhalle zeigt sich hier eine Schönheit, die aus der Logik von Naturgesetzen hervorgeht. Eine weitere Arbeit von mir, »Jungbrunnen«, ist im Gebäude des CRTD, Zentrum für Regenerative Therapien Dresden, zu sehen.
Sie haben mit fast 52 Jahren promoviert. Was hat Sie zur Promotion bewogen? Sie hätten ja auch »nur« ein Buch über die Luftschiffhalle schreiben können …
Ja, das wollte ich ursprünglich auch. Das Thema beschäftigte mich schon seit 1988, seit dem Bau eines Architekturmodells der Dresdner Luftschiffhalle für das Verkehrsmuseum (siehe dort). Neu entdecktes Bildmaterial und das anstehende einhundertste Baujubiläum der Luftschiffhalle waren dann der Auslöser für ein Buch. Die eigenwillige Form, das besondere Tragwerk und der hindernisreiche Bauablauf der Dresdner Luftschiffhalle faszinieren mich auch als Künstler. In meiner künstlerischen Arbeit bin ich es gewohnt, mir meine Arbeitsfelder, Themen und Interessensgebiete selbst zu suchen. Zur Promotion hat mich dann das Buchprojekt an sich bewogen. Mir war klar, dass ich als Quereinsteiger auf den fachlichen Austausch mit Gleichgesinnten angewiesen bin, dass ich den freien Zugang zu internationalen Archiven und Bibliotheken brauche und der universitäre Rahmen auch den eigenen Anspruch an das Ergebnis heben würde. Mit der Promotion rechtfertigte ich vor mir selbst diese nebenberufliche und eigenfinanzierte Forschung über fast sechs Jahre hinweg.
In Prof. Hans-Georg Lippert, TUD-Fakultät Architektur, fand ich einen Doktorvater, der das Potenzial dieses ausgefallenen Forschungsthemas erkannte und mich auch dann unterstützte, als meine gesammelten Quellen ausuferten und schwer zwischen zwei Buchdeckeln zu bändigen waren.
Was können Sie jungen Leuten, die auch promovieren wollen, auf den Weg geben?
»Man muß nur wollen, daran glauben, dann wird es gelingen«, schrieb Graf Zeppelin, der als Quereinsteiger im Luftschiffbau sehr viel Gegenwind bekam, bis sich seine Idee durchsetzte. Eine Promotion sollte kein Zwang sein, denn sonst wird sie zur Last. Ich hatte das Glück mein Thema selbst gewählt zu haben, dessen Untersuchung es mir wert war, mich damit jahrelang zu beschäftigen. Die Entdeckerfreude beim Vorstoß auf bisher unerforschtes Gebiet und das Bewusstsein, damit neue Erkenntnisse einem breiten Fachpublikum zu erschließen waren meine Motivation.
Mit Dr. Roland Fuhrmann sprach Karsten Eckold.
❞Dr. Roland Fuhrmanns Dissertation ist 2019 im Thelem Universitätsverlag Dresden erschienen, DIN-A4-Querformat, 536 Seiten, 770 Abb., ISBN 978-3-95908-482-6.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 11/2019 vom 11.Juni 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.