Forschungsfelder
Architekturfakultäten weisen im Vergleich zu ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten insgesamt weniger klassische Forschungsleistungen in Form von Drittmittelprojekten, Promotionen, Habilitationen oder Patenten auf. Insofern wissenschaftliche Leistungen in der Regel durch die Veröffentlichung nachgewiesen werden, stellt der Architekt seine Leistung vor allem in Form des gebauten Ergebnisses unter Beweis. Das realisierte Bauwerk wird der Öffentlichkeit präsentiert und stellt damit eine fachspezifische Form der „Publikation” dar. Realisierte Bauten als Ergebnisse der angewandten architektonischen Forschung tragen zum Leistungsnachweis und zur Aussenwirkung einer Architekturfakultät erheblich bei, auch wenn sie hochschulintern nicht als Leistungsgrößen in Erscheinung treten.
Architektur und Landschaftsarchitektur verknüpfen in erster Linie kulturelle, soziale und ökologische Aspekte. Für die meisten Lehrgebiete, dazu zählen auch die Kernfächer in einer Architekturfakultät, kommt wegen der erwähnten Verflechtung von Forschung und Baupraxis im Bereich der Entwurfsfächer nur ausnahmsweise eine Forschungsfmanzierung durch Unternehmen in Betracht.
Die Disziplin leidet unter der gegenwärtig eher nachrangigen Berücksichtigung von kulturellen und Umweltbelangen in den öffentlichen Haushalten. Kommunale und staatliche Auftraggeber müssen für wissenschaftliche Gutachten die gesamten Personalkosten übernehmen, da wegen der hohen Lehrbelastung (Deputatsüberlastung z.T. über 150%) keine wissenschaftlichen Mitarbeiter für Forschungsaufgaben eingesetzt werden können. Der Betreuungsaufwand ist an den Architekturfakultäten noch dazu überproportional hoch. Das erschwert nicht nur das Zustandekommen neuer Drittmittelprojekte ganz erheblich, sondern ebenso die Erarbeitung von Forschungsanträgen. Auch Forschungsprojekte, die ohne Sachmittelaufwand durch das Stammpersonal der Professuren realisierbar wären, sind aus Gründen der Überlast in der Lehre so gut wie unmöglich. Immerhin gelingt es, wenn auch im bescheidenen Maße, in den Entwurfsbereichen mit qualifizierten Diplomarbeiten sowie durch Dissertationen Beiträge zur Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung zu leisten.
Die steigende Betonung der Drittmitteleinwerbung ist nicht rein ökonomisch zu sehen -schließlich sind die Hochschulen keine gewinnorientierten Betrieb, sondern Drittmittel gelten nach der derzeit propagierten ökonomistischen Weltsicht als Gradmesser für wissenschaftliche Leistungen (auch wenn tatsächlich nur die unternehmerisch-ökonomische Leistung damit belegbar ist). Es gilt aber deutlich zu machen, daß solche Leistungen auch anders erzielbar und belegbar sind als über Kapitalumsätze auf TU-Konten. Dafür sind fachgebietsspezifische Leistungskriterien zu entwickeln.
Um den Status der Fakultät Architektur an den Universitäten zukünftig sichern zu können, sind alle Möglichkeiten der Forschung, besonders im technischen Bereich, aber eben auch in den der Architektur eigenen Feldern auszuschöpfen. Dazu bieten sich zahlreiche fakultätsübergreifende Kooperationsmöglichkeiten. Hierzu gehört auch, Planungs- und Beratungsleistungen, die bislang über private Büros bearbeitet werden, daraufhin zu überprüfen, ob sie als Drittmittel-relevante Projekte über die Hochschulen geleitet werden können. In Verbindung mit den Nebentätigkeiten ergeben sich hier gewisse Spielräume. Zahlreiche unserer praktischen Aufgaben könnten ohne weiteres die Kriterien universitärer Forschung und Entwicklung erfüllen. Sie sind aber weder als Forschung noch als Dienstaufgaben zu verbuchen, lediglich deshalb, weil sie nebenberuflich in privaten Büros ausgeübt werden. Das hat seine guten Gründe. Hochschulen werden hier u.a. von Haftungsfragen nicht berührt. Doch gibt es in Bereichen, die nicht klassische HOAI-Leistungen betreffen, die Möglichkeit, solche Aufgaben über den Weg der Drittmittelforschung auch als Dienstaufgaben wahrzunehmen. Das Problem umfangreicher Nebentätigkeit ließe sich damit vielleicht besser lösen. (Im Bereich der Medizin scheint es in diesem Sinne geregelt zu sein.)
Es sollte die Notwendigkeit einer begleitenden praktischen Tätigkeit bei der Mehrzahl der Architektur Professuren vorrausgesetzt werden. Anders läßt sich praxisrelevante Lehre auf neuestem Stand und hohem Niveau auf Dauer nicht anbieten. Das Ziel darf folglich nicht sein, anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung einzuschränken oder auf den Bereich der theoretischen Wissenschaften zu reduzieren. Vielmehr sind sie organisatorisch so geschickt an die neuesten Möglichkeiten der Hochschulforschung anzupassen, daß die erbrachte Leistung nicht nur in der Fachwelt, sondern auch innerhalb der Hochschulen und ihrer buchhalterisch schlichten, nach Stückzahlen und Kapitalumsatz aufgebauten Leistungsrechnung anerkannt wird. So dürfte es am ehesten gelingen, die praktische Entwicklungsarbeit – ob im hochschulfinanzierten Labor oder im privatfinanzierten Büro – als Erfordernis erfolgreicher Hochschullehre in den Kernfächern der Architektur weiterhin absichern können. Hier muss insbesondere die architekturtypische Projektarbeit in den Studios betrachtet werden. Sie bilden die Schnittstelle zwischen praktischer Erfahrung der Hoschullehrer und -zu einem gewissen Grad- Zweck ungebundene Hochschulforschung. Entwurfsprojekte mit den Medien eben auch des Planes und der Zeichnung und nicht nur des Textes und der Tabellen sollte in Zukunft im Vertiefungsbereich dieselbe Gültigkeit wie eine textlastige theoretische Ausarbeitung für den Forschungsbereich erhalten. Entwürfe sind eben auch Forschung.
Zum Bereich Forschung und Entwicklung in der Architektur gehört eben auch ein beträchtlicher Teil jener Arbeit, die seit den 1970er Jahren in Deutschland, als die universitätseigenen Planungsbüros ausgegliedert wurden, privat betrieben und finanziert werden. Praxisrelevante Lehre auf neuestem Stand und universitärem Niveau ist in der Architektur bei einer Mehrzahl der Professuren nur über eine solche begleitende, eigenverantwortliche praktische Tätigkeit zu erreichen. Sie tritt bei diesen Professuren in der Regel schon als Berufungskriterium an die Stelle der klassischen wissenschaftlichen Qualifikation. Die Architekturprofessuren werden zum Größten Teil über ihr Werk, ähnlich wie Künstler, berufen. Dass hochschulinterne Leistungsrechnungen diese Tätigkeiten bislang nicht erfassen, darf nicht dazu verleiten, die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung, die heute (auch aus haftungsrechtlichen Gründen) außerhalb der Universität betrieben wird, einzuschränken oder auf den Bereich der empirischen und theoretischen Wissenschaften zu reduzieren. Als Ergebnisse dieser angewandten Forschung tragen realisierte und in anerkannten Fachpublikationen veröffentlichte Bau-, Stadt- und Landschaftsplanungen erheblich zum Leistungsnachweis und zur Außenwirkung der Hochschulen bei.
Prof. Thomas Will und Jörg Joppien; TU Dresden, Deutschland