EMAN. European Migration Architecture Network
Einleitung
Der Umgang mit Migration und heimatlosen Menschen ist und wird eines der Hauptthemen der nächsten Jahrzehnte in Europa und der EU. Bisher gibt es weder einen rechtlichen noch einen gesellschaftlichen Konsens zu den daraus resultierenden Aufgabenfeldern.
Obwohl der Begriff “Migration” bisher überwiegend mit Problemen in Verbindung gebracht wird, hat die Thematik großes Potential als gesellschaftlicher Katalysator. Im gesamtgesellschaftlichen Diskurs zum Umgang mit daraus entstehenden Entwicklungen sind Architekturschaffende als Mediatoren und Übersetzer zwischen einzelnen Akteuren und beteiligten Parteien von besonderer Bedeutung.
In den letzten Jahren, insbesondere seit der “Flüchtlingskrise” 2015, sind an den Architekturfakultäten der europäischen Universitäten vermehrt Forschungs- und Lehrgebiete mit eben diesem Schwerpunkt entstanden. Die Vernetzung und Koordination dieser unterschiedlichsten Ansätze ist jedoch unzureichend fortgeschritten. Insbesondere der direkte Bezug zu EU-Politik, NGO´s und lokalen Akteuren ist ein wichtiges und bisher vernachlässigtes Handlungsfeld. Lösungskonzepte müssen dabei in Kooperation mit Partnern aus EU und weltweit gefunden werden. Neben einer gemeinsamen Vision muss der größte Fokus auf der Entwicklung eines starken und handlungsfähigen Netzwerks liegen.
Flucht und Architektur
Nach aktuellen Zahlen der United Nations Organization (UNO) sind mehr als 70,8 Mio. Menschen weltweit auf der Flucht. Zahlreiche Studien zeigen übereinstimmend, dass diese Zahl in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Erderwärmung drastisch ansteigen wird. Hauptursache für Flucht sind extreme Wetterbedingungen, welche auf den Klimawandel zurückzuführen sind.
Einen enormen Anteil am Klimawandel und seinen Folgen trägt die Bauindustrie, welche durch Bau und Erhalt von Gebäuden für ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Deshalb ist Ziel des Projekts, die Rolle der Architektur grundlegend zu ändern. Architektur kann als schaffende Kraft eine positive Entwicklung ermöglichen. Dabei muss die gebaute Umwelt als Teil einer verantwortungsbewussten gesellschaftlichen Vision als Interaktion von Raum und Wahrnehmung agieren. Das Beschränken von Architektur auf die reine Funktion des umbauten Raumes soll durchbrochen werden. Dabei ist Migration als überschreitendes Element von räumlichen und inhaltlichen Übergängen einzubinden.
Warum Dresden?
Dresden (554.649 Einwohner:innen) ist als Hauptstadt Sachsens weltweit bekannt für ihre kulturellen und universitären Einrichtungen. Allein die, häufig internationalen, Studierenden und Arbeitenden der Universitäten machen über ein Zehntel der Stadtbevölkerung aus. Zahlreiche Technologieunternehmen aus verschieden Ländern sind im Stadtgebiet angesiedelt und sorgen für einen, in Ostdeutschland eher ungewöhnlichen, relativen Wohlstand.Dresden ist aber auch Ort gesellschaftlicher Spaltung und Auseinandersetzung, Schauplatz von Versuchen einer Umdeutung der Menschenwürde sowie Mittelpunkt zahlreicher international beachteter rassistischer Vorfälle.
An der Architekturfakultät der TU Dresden gibt es zwar vereinzelte Projekte zu Thematiken mit humanitärem oder migrationsrelevantem Bezug, jedoch fehlt eine gezielte, nachhaltige und vor allem praxisbezogene Auseinandersetzung.
Gerade im Hinblick auf die aktuelle Tagespolitik sowie rechtsextremen und rassistischen Entwicklungen ist Dresden als Standort und die TU als Institution verpflichtet, diesen Problematiken proaktiv zu begegnen.
Netzwerk
Spezifische und aktive Vernetzung für interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die zugrundeliegende Idee von EMAN. ist der beständige Ausbau eines internationalen Netzwerks, bestehend aus Akteuren, welche sich bereits mit dem Themenfeld der Migration beschäftigen oder an ähnlichen Problemstellungen arbeiten. Daher müssen passende Partner gefunden werden, die dem Netzwerk einen Mehrwert verleihen.
Um die Akteure aktiv zu vernetzen, werden EMAN. und die strategischen Partner Veranstaltungen und Aktivitäten organisieren, spezifische Kooperationen fördern und die Akteure über die Plattform mit einbinden. Vom Netzwerk entwickelte Fähigkeiten werden über das Netzwerk hinaus angewendet und getestet. Dies ermöglicht eine effizientere Suche nach Lösungen für vorhandene Problemfelder und beugt gleichzeitig unerwünschten Entwicklungen vor. Mit diesen neu erworbenen Werkzeugen wird das Projekt Methoden zur Umsetzung der Strategien in verschiedenen Bereichen der Lehre und Forschung, bei kooperierenden Initiativen und anderen Akteuren etablieren.
Hauptziele
Hauptziel 1ist es, die allgemeine Anerkennung und Akzeptanz des Begriffs Migration zu einem dauerhaften Bestandteil der gesellschaftlichen Struktur und als Chance weitere zu entwickeln. Darüber hinaus ist es notwendig, Integration durch die Optimierung besserer Bedingungen für den Prozess selbst sowie durch die Verbesserung der räumlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen zu unterstützen. Das Projekt stellt eine positivere Definition von Migration auf, was ein gemeinsames Verständnis eines globalen Wandels mit neuen und verbesserten Möglichkeiten für alle betrifft. Mauern werden in der Gesellschaft erschaffen indem man über Migranten als eine separate Gruppe von Menschen spricht. Die Entwicklung eines inklusiven Systems ist der erste Schritt zu einer erfolgreichen Lösung. Das Projekt bildet die Grundlage für eine gemeinsame gesellschaftliche Interaktion mit Migration in einem europäischen Kontext.
Hauptziel 2 des Projektes bildet die Erneuerung des Architekturbegriffs. Die Akteure des Planungs- und Bausektors sollten sich in kreativen Prozessen mehr mit dem öffentlichen Interesse und dem Gemeinwohl auseinandersetzen. Profitorientierte Ansätze, welche durch das Streben nach individueller Bereicherung angetrieben werden, sind keine Grundlage für eine zukunftsorientierte Gesellschaft. Die Rolle der Entwerfenden muss sich hin zu aufgeschlossenen Vermittler:innen zwischen verschiedenen Interessensgruppen und Bereichen entwickeln.
Daher ist das Hauptziel 3 des Projektes eine ständige Weiterentwicklung und Ausweitung zu einem Netzwerk mit einer Vielzahl internationaler Akteure und Teilnehmer:innen. Im ersten Schritt der Analyse wird in Zusammenarbeit der strategischen Partner eine Datenbank von (internationalen) Akteuren und Organisationen entwickelt. Diese Sammlung von bestehenden Praktiken und Lösungen wird notwendige Aktionen und Ansätze aufzeigen. Der Überblick wird über notwendige Handlungsansätze sowie über bereits bestehende und praktizierte Lösungen informieren. Darüber hinaus werden räumliche, soziale und politische Zusammenhänge erforscht. Um die optimalsten Lösungen zu finden, muss man die zugrunde liegenden Probleme verstehen und gleichzeitig versuchen, nachhaltige und langlebige Systeme zu entwickeln.
Schritte
Vernetzung von Institutionen und Initiativen im Kontext von Migration und strukturellem gesellschaftlichen Wandel zur Schaffung eines internationalen Netzwerks
Analyse bestehender Problemstrukturen im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen, räumlichen und politischen Kontext.
Entwicklung von Strategien zur präventiven Vermeidung aktueller und vergangener Problemherde.
Implementierung der generierten Erkenntnisse sowohl in Formate universitärer Lehre und Forschung als auch in die Arbeit beteiligter Initiativen.
Lösung akuter und konkreter Probleme im Kontext von Migration durch Vermittlung und Anwendung der im Netzwerk generierten Kompetenzen.
Transformation des überwiegend negativ konnotierten Narrativs “Migration” hin zu einer gemeinsamen gesellschaftlichen Vision.
Zeitplan
a. Auftakt
Ein erstes Zusammentreffen zum offiziellen Start des Projektes EMAN. Die strategischen Partnerinstitutionen versammeln sich vollzählig zur Koordination von Ressourcen, Verteilung anstehender Aufgaben sowie zeitlichen Abstimmungen. Die TU Dresden wird in ihrer Rolle als gastgebende Institution entsprechende Partner zusammenführen, um realisierbare Tätigkeitsbereiche und Möglichkeiten zu definieren. Die Veranstaltung verschafft allen strategischen Partnern eine Übersicht über das Projekt und die zu bewältigenden Einzelaufgaben. Ein Tagesordnungspunkt wird die Themenwahl für die folgenden Simultanen Studios.
b. Simultane Studios
Ein einführender Workshop/Studio, durchgeführt von jeder Institution zu einem bestimmten Thema, bildet die Grundlage für die anschließende Summer School. Um eine repräsentative Anzahl an Ergebnissen zu erlangen, integriert jeder Partner eine bestimmte Aufgabe in ein Lehrmodul aus seinem Studienprogramm, welche die Studierende bearbeiten werden. Auch wenn jeder Partner seine Lehrveranstaltung lokal an seiner jeweiligen Fakultät durchführt, ist eine Umsetzung in der gleichen Zeitspanne anzustreben. Nach Veröffentlichung werden die finalen Ergebnisse gesammelt und zu Arbeitsmaterialien für das folgende Strategie-Meeting aufgearbeitet.
c. Strategie Meeting
Ein Netzwerktreffen, welches an einer der Partner-Institutionen stattfindet, um die Resultate der simultanen Studios auszuwerten und die Ideen für die zukünftigen Veranstaltung zu präzisieren. Die Veranstaltung ermöglicht einen ersten auswertenden Rückblick und präsentiert, woran die verschiedenen Partner arbeiten. Das erworbene Wissen sowie Ergebnisse aus den vorangegangenen Studios werden diskutiert und ausgewertet. Hauptziel dieser Veranstaltung ist die Definition wesentlicher Tätigkeitsbereiche, die in der nächsten Summer School bewältigt werden sollen.
d. Summer-School Malta
Ein praktisches und theoretisches Trainingsprogramm für Studierende, um gemeinsam eine experimentelle Grundlage für innovative Ideen und mögliche Lösungen zu schaffen. Die Pilotveranstaltung auf Malta ist ein praxisbezogener Intensivkurs, der die Lücke in der Architekturausbildung zwischen Theorie und Baupraxis schließen kann. Internationale Studierende sammeln gemeinsam wertvolle praktische Erfahrungen, indem sie Problem- und Potentialfelder im Testgebiet Malta betrachten, fehlende Ressourcen und Verbindungen analysieren und Entwicklungsprozesse anstoßen. Durch das Vernetzen mit Gleichgesinnten und interdisziplinären Akteuren können unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse ausgetauscht werden. Durch den theoretischen Input lokaler Akteure und internationaler Expert:innen werden sie während des gesamten Entwurfsprozesses inspiriert und können sich über Problemstellungen und inhaltliche Positionierungen in der Gemeinschaft austauschen.
e. Reflektions-Workshop
Bewertung der geleisteten Arbeit. Nachdem eine Reihe unterschiedlicher Strategien und Konzepte getestet wurden, bietet dieser Workshop die Möglichkeit einer qualitativen und quantitativen Bewertung der Ergebnisse. Die gesammelten Daten werden aufbereitet und in einer Präsentation für die Netzwerkkonferenz zusammengefasst.
f. Netzwerk-Konferenz
Einladung aller Akteure im Themenfeld Migration. Hauptziele dieser Konferenz sind es einen Überblick über die aktuelle Situation in der EU und weltweit zu erlangen, Informationen auszutauschen und neue Verbindungen zu knüpfen. Zur Stärkung und Verstetigung des Wissensaustauschs wird im Rahmen der Konferenz die digitale Plattform vorgestellt, über welche die Partner ihre Arbeit mit anderen teilen können.
g. Summer-School Germany
Implementierung der entwickelten praktischen/theoretischen Intensivkurse für Studierende. Basierend auf den verschiedenartigen methodischen Lehransätzen und vielfältigen Ergebnissen aus den Simultan-Studios aller beteiligten Partnerhochschulen, bildet dieses Event eine Weiterentwicklung der Summer School Malta 2021. Als finale Implementierung der neu entwickelten Methodik, werden neue Erkenntnisse und interdisziplinäre Praxismethoden aus dem weiter wachsenden Netzwerk an die Studierenden vermittelt.
h. Evaluierungsworkshop
Ein adaptierbares Modul für interdisziplinäre Intensivkurse. Nach näherer Betrachtung von Wirksamkeit und Mehrwert der bisher angewandten Lehrmethoden, wird in diesem Workshop der Prototyp eines Lehrmoduls entwickelt. Grundlegend ist dabei die Kombination aus interdisziplinären Ansätzen und der Anwendung von demokratischen Entwurfsprinzipien. Dies ermöglicht einen fundierten Output des gebündelten Wissens aller Teilnehmenden.
i. Netzwerk - Gipfel
Ein abschließender Kongress aller Akteure von EMAN. Um das geschaffene Netzwerk im vollen Umfang zu nutzen, soll diese abschließende Konferenz alle an EMAN. beteiligten Parteien sowie andere Akteure, die im Themenfeld Migration tätig sind, zusammenbringen. Aufgrund des bevorstehenden Endes der Förderperiode, bietet die Zusammenkunft die Möglichkeit, zukünftige Kooperationen, Kollaborationen und Partnerschaften zu schließen. Außerdem bietet das Treffen den entsprechenden Raum für die Fertigstellung und Präsentation der wichtigsten Ergebnisse von EMAN.
j. Ausstellung
Eine Präsentation der Ergebnisse des gesamten Projektes. Die Wanderausstellung hat große Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung und die positiven Effekte des gesamten Projektes EMAN. Um nicht nur im akademischen Umfeld zu agieren, wird der Inhalt und Fortschritt des Projektes in einer Ausstellung visualisiert, um sie einer großen Bandbreite von Menschen an öffentlichen Orten im Stadtraum zu präsentieren. Dafür wird nach dem Ende der Förderperiode die Ausstellung in jedem Partnerland stattfinden.