Entwurfsstudio Katharina Leuschner
„Wir leben länger, aber ungenauer und in kürzeren Sätzen.“ Szymborska 2008
Ich empfinde die gesellschaftliche Atmosphäre, in der wir leben, oftmals geprägt durch das Pragmatische und sehe einen zunehmenden Verlust an kulturellen Werten. Die Arbeit am Lehrstuhl gibt mir die Chance, einen, wenn auch bescheidenen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu dürfen, dem entgegenzuwirken und den Studierenden den Wert des Vorhandenen, sei es Gebautes oder Natur, im Sinne einer Nachhaltigkeit aufzuzeigen und mit Sorgfalt und Bescheidenheit daran anzuknüpfen.
Wir stehen an einem Wendepunkt. Die Verantwortung, die wir als Architekten gegenüber der Gesellschaft haben ist größer denn je. Es besteht Einigkeit, dass Veränderungen im Bauen notwendig sind und es Strategien zu entwickeln gilt, die auf die Bedrohungen durch den Klimawandel und die ungleiche Verteilung von Ressourcen reagieren. Radikale Ansätze und polarisierende Thesen, die zu früheren Zeiten oftmals Veränderungen im Bauen ausgelöst haben, scheinen heute angesichts der Komplexität der Fragestellungen nicht mehr angemessen. Vielmehr gilt es die Erkenntnisse aus der Vergangenheit mit den Anforderungen der Gegenwart zu vereinen, weniger an einen Umbruch zu glauben, mehr an eine Anreicherung und Modifizierung, an eine behutsame, reflektierte Weiterentwicklung und Transformation als Ausgangspunkt für eine notwendige Veränderung.
Eine Konzentration auf singuläre Themen, die in ihrer Dringlichkeit erdrückend erscheinen, bietet auf den ersten Blick die Möglichkeit eines erlösenden Auswegs angesichts der manchmal hoffnungslos anmutenden Situation, in der sich unsere Welt befindet. Den Diskurs dieser Themen sehe ich untrennbar verbunden mit übergeordneten architektonischen Themen, aus meiner Sicht ist dieser nur in einem umfassenden Kontext zu führen. Erst dann ist eine nachhaltige Entwicklung möglich, persönlich und gesellschaftlich, nicht im Sinne von Erfindungen von Neuem, sondern auf Grundlage unserer Geschichte Teil einer Kontinuität, eines Ganzen zu werden zu können.
Katharina Leuschner, September 2023
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I feel that the social atmosphere in which we live is often characterized by a pragmatic attitude and I see an increasing loss of cultural values. Working at the chair gives me the chance to make a contribution, albeit a modest one, to society, to counteract this and to show students the value of what exists, be it built or natural, in terms of sustainability and to build on it with care and humility.
We are at a turning point. The responsibility we have as architects to society is bigger than ever. There is a consensus that changes in building are needed and that strategies must be developed to respond to the threats posed by climate change and the unequal distribution of resources. Radical approaches and polarizing theses, which often triggered changes in construction in earlier times, no longer seem appropriate today given the complexity of the issues. Rather, it is necessary to unite the insights of the past with the demands of the present, to believe less in upheaval and more in enrichment and modification, in careful, reflected further development and transformation as the starting point for necessary change.
A focus on singular themes that seem overwhelming in their urgency offers, at first glance, the possibility of a redemptive way out in the face of the sometimes seemingly hopeless situation in which our world finds itself. I see the discourse of these issues as inextricably linked to overriding architectural themes; in my view, this discourse can only be conducted in a comprehensive context. Only then is sustainable development possible, personally and socially, not in the sense of inventing something new, but being able to become part of a continuity, of a whole, based on our history.
Katharina Leuschner, September 2023