Interview mit Professor Harald Linke zum Thema „50 Jahre Institut für Landschaftsarchitektur an der TU Dresden“
1. Wie kam es zu dem Namen „Landschaftsarchitektur“ als Studienrichtung? Der Name war ja vorher noch ganz unbekannt und lautete eher „Grünplanung“ oder „Gartenarchitektur“ ...?
Es war erkannt worden, wie wichtig es ist, die Anordnung der Häuser bzw. des Gebauten im Allgemeinen in die Landschaft harmonisch einzuordnen und nicht die natürlichen Gegebenheiten an architektonische Ideen anzupassen! Zum einen erleichtert es die Errichtung geplanter und notwendiger Anlagen, wenn man mit und nicht gegen die gegebenen Verhältnisse wie das Relief arbeitet. Zum anderen senkt es damit den Aufwand an Arbeitsleistung und Material – ein wichtiges Merkmal, das galt nicht nur vor 50 Jahren. Das ist gerade heute in Zeiten des deutlich erlebbaren Klimawandels mit all seinen negativen Folgen im Sinne der Nachhaltigkeit nicht hoch genug einzuschätzen!
2. Welcher "neue" Beruf sollte damit begründet werden bzw. wie sah das notwendige Berufsprofil aus?
Der sogenannte „neue“ Beruf sollte nicht den eines spezialisierten Gärtners oder den eines modernen Stadtgestalters, den eines Naturschützers im städtischen Umfeld mit gestalterischen Fähigkeiten darstellen – nein: der neu zu schaffende Beruf sollte all diese Ansprüche in einem vereinen! Damit konnte den hohen Forderungen an das sich wandelnde Leben der Menschen in den Städten und stadtnahen Gebieten und der damit notwendigen Vielseitigkeit beim Schaffen eines qualitätvollen Wohnumfeldes entsprochen werden.
3. Gab es um 1970 zwischen Ost und West fachliche Unterschiede?
Unabhängig von gestalterischen und damit persönlichen Unterschieden, Prämissen und Vorlieben jedes Einzelnen, die beim Lösen von gestalterischen Aufgaben immer unabhängig von politischen Zeiten vorhanden sind, bestand ein Unterschied in den ungleichen Voraussetzungen und andersartigen materiellen Voraussetzungen
zwischen Ost und West. So war zwar der Fantasie im Studium beim Umsetzen von gestellten Aufgaben und in Belegen keine Grenzen gesetzt. Die Ernüchterung kam dann meist erst nach dem Studium im Beruf. Die Kontingentierung sowohl der eingeschränkten Baumaterialien als auch eine sehr begrenzte Auswahl an Pflanzen aus den ostdeutschen Baumschulen zwang die Planer im Allgemeinen und damit natürlich auch die Landschaftsarchitekten zu einer hohen Virtuosität im Umgang mit den vorhandenen Ressourcen.
4. Was waren die Schwerpunkte der Ausbildung zum Landschaftsarchitekten? Und warum wurden diese Schwerpunkte gebildet?
Ein Schwerpunkt bei der Ausbildung der Landschaftsarchitekten nach 1970 bis zu den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bildete die Vielseitigkeit der Wissensvermittlung sowie das gemeinsame Studieren mit Kommiliton:innen anderer Fachbereiche und sogar anderer Sektionen. Beispiele dafür sind das gemeinsame Studieren mit den Studenten der Forstbotanik in Tharandt (Geobotanik, Geologie, Chemie, Grundlagen des Waldbaues, Standortlehre), aber auch das gemeinsame Belegen von Seminaren mit den Architekturstudent:innen des gleichen Studienjahrganges, so z.B. das Freihandzeichnen bei Professor Georgi, die Grundlagen der Gestaltung (im Hinblick auf räumliche Anordnung, Materialwahl und farblicher Umsetzung der Ideen) und die Möglichkeit der gemeinsamen Belegung von Vorlesungen der Architekturstudent:innen zu Themen wie Baugeschichte und Städtebau.
Die wichtige Fähigkeit der gemeinsamen Erarbeitung interessanter Lösungen wurde durch die teilweise partnerschaftliche Bearbeitung größerer Seminararbeiten bis hin zur gemeinsamen Erarbeitung und Verteidigung der Abschlussarbeiten, der Diplome, gefördert. Damit war ein wichtiger Grundstein für das gemeinsame erfolgreiche Arbeiten im Beruf bereits im Studium gelegt worden.
5. Warum ist der neugeschaffene Lehrstuhl „Landschaftsarchitektur“ unter den verschiedenen Bewerbern an die TU Dresden vergeben worden?
An der TU Dresden waren die gegebenen Voraussetzungen zu einer sinnvollen Weiterentwicklung des Studienganges am Besten gegeben. Am Lehrstuhl Architektur war zum einen der Platz und zum anderen durch Professor Werner Bauch das Angebot zu einem teilweise gemeinsamen und damit zukunftsorientierten Studium mit den Architekturstudent:innen gegeben. Außerdem gab es mit der schon bestehenden Verbindung nach Tharandt einen weiteren interdisziplinären Fakt, der die Verlagerung des Studienganges „Garten- und Landschaftsgestaltung“ von Berlin nach Dresden begründet, zukunftsfähig und damit ermöglicht hat. Außerdem standen hochqualifizierte und politisch unbelastete Lehrkräfte für die einzelnen Studienfächer zur Verfügung.
6. Welche Rolle spielten einst die Praxis bzw. konkrete Fragestellungen, die aus der Praxis an das Institut herangetragen wurden? Gab es so etwas wie eine Auftragsforschung?
Neben der Analyse von gegebenen Standortbedingungen (z.B. Gehölzerfassungen in der Bürgerwiese am Zoo in Dresden und der Erfassung städtebaulicher Bestandssituationen bei Seminaren zum Städtebau bei Professor Schwarzbach) vor Ort, wurden auch Aufgabenstellungen aus der Praxis, oft auch aus kleineren Gemeinden, gerne als Grundlage für Semesterbelege genutzt. Eine sehr sinnvolle Arbeitsmöglichkeit, da auf diese Art des Be- und Zuarbeitens zum einen Praxisprobleme und deren Lösungen sowie die Arbeit im Berufsalltag von den Studierenden direkt erlebt werden konnten, zum anderen brachte das „frischen Wind“ und neue Ideen in den Ausführungsalltag der Büros und Gemeinde- bzw. Stadtverwaltungen. Hauptsächlich betrafen diese Arten der Zusammenarbeit von Universität und städtischer oder ländlicher Praxis besonders die Studierenden der höheren Studienjahre, also ab dem 7. Semester und die Diplomjahrgänge.
7. Wie sah der Austausch mit den Kollegen im Ausland aus? Gab es so etwas wie fachliche oder persönliche Vorbilder? Gab es Konkurrenzen?
Besonders im Fachbereich „Städtebau“ (eine teilweise gemeinsame Ausbildung ist für das Studium der „Landschaftsarchitektur“ sehr vorteilhaft und auch weiterhin wünschenswert!) waren ausländische Dozenten tätig. Fachliche Konkurrenzen gab es sicher, sowohl zwischen den Lehrenden als auch zwischen den Studierenden. Was keinen Makel, sondern eher einen Vorteil im Hinblick auf eine gute universitäre Ausbildung darstellt!
8. Wie gestaltete sich der Umgang mit den Studierenden (Exkursionen, Art der Zusammenarbeit, Wahl und Ausgabe der Themen)?
Zu Exkursionen kamen in der Regel die entsprechenden Dozenten und deren Assistent:innen mit. Es gab zum einen die sogenannte Nord-Exkursion, wo städtische Freiräume und Parks in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg besucht und erkundet wurden, und die Süd-Exkursion, die wichtigen Orten und Bereichen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und in Sachsen selbst vorbehalten war.
Weiterhin fand es das allseits beliebte (und teilweise auch gefürchtete) dreiwöchige Mähen der mit wertvollen Orchideen-Populationen bewachsenen Gebirgswiesen im Osterzgebirge als eine Art Naturschutz-Praktikum - immer mit tatkräftiger Unterstützung durch Professor Siegfried Sommer selbst - in der warmen bis heißen Jahreszeit statt.
Als eine weitere wichtige und sehr schöne Exkursion ist die gemeinsame Zeichenexkursion mit den Architekturstudent:innen zu nennen, die unter der Leitung von Professor Georgi immer ein wichtiger Meilenstein im Studium war!
9. Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft: Wohin sollte sich die
Landschaftsarchitektur und damit das Studium dazu heute entwickeln?
Wir haben nur diese eine Erde, die uns das Leben ermöglicht! Das Fachgebiet der Landschaftsarchitektur muss den ihm möglichen Beitrag zu deren Erhaltung leisten. Ob das nun im Bereich einer auf die Bedingungen des Klimawandels abgestimmten, vorausschauenden Stadtplanung der Fall ist, oder auf dem Gebiet der Ingenieurbiologie, wo mit naturnahen, sinnvollen Maßnahmen den zunehmenden Wetterextremen und ihren Folgen begegnet werden kann und muss!
10. Welchen Wunsch haben Sie einerseits für die Art der Ausbildung, besser des Studiums, am Institut für Landschaftsarchitektur und anderseits für die Studenten der nun folgenden Jahrgänge?
Die Vielseitigkeit der Ausbildung sollte unbedingt beibehalten werden, ebenso die sinnvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Student:innen verschiedener Fachbereiche! Um nach dem Studium einerseits lebenswerte städtische Freiräume mit hoher gestalterischer Qualität im Zeichen des Klimawandels schaffen zu können und um anderseits aber auch ein zukunftsfähiges Umland außerhalb von Siedlungen zu erhalten
und zu stärken. Dabei sollte die Ingenieurbiologie in all ihren Formen und mit ihren Möglichkeiten nicht vergessen, sondern eher wieder mehr und sinnvoller genutzt werden!
Interviews (Februar und März 2022) geführt und aufgezeichnet von Ulrike Jarmer.