Botanischer Garten Breslau (Marcus Köhler)
Der „botanist gardener“ (Botanischer Gärtner) bildete sich als Berufssparte im 18. Jahrhundert heraus und bezeichnete diejenigen Männer, die unter wissenschaftlichen Kriterien Pflanzen nicht nur erhalten und vermehren, sondern vielmehr auch ästhetisch stimmig ansprechend präsentieren konnten. Mit der Geschichte des Landschaftsgartens aber auch der Gärten des gemischten Stils sind sie untrennbar verwoben.
Umso erfreulicher ist es, wenn man auch heute noch in den Botanischen Gärten diesen Ethos entdeckt, der zwischen akademischer Erkenntnis und publikumswirksamer Präsentation einen intelligenten Mittelweg einschlägt, wie beispielsweise in Breslau. Botanische und gärtnerische Raritäten werden in Bildern arrangiert und abwechslungsreich kombiniert, so dass in dem sieben Hektar großen Areal nicht nur geologische Formationen des Waldenburger Braunkohlereviers mit Pflanzen (Schachtelhalm und Farn) interpretiert werden, sondern auch neuerdings ein Teilgebiet mit Kletterpflanzen bestückt wurde. Die auffälligen und attraktiven Blüten der im ausgewählten Handel fassbaren Pflanzen werden hierbei – wie auch in anderen Teilen des Gartens - mit zahlreichen unscheinbaren aber spannenden Wildsorten kombiniert. Sammeln, Bewahren und Präsentieren sind hier nachvollziehbare Maximen.
Neben den bewundernswerten Sammlungen von Iris, Hedera und Nymphaea gibt es in Breslau jedoch auch zwei weitere, die erst in den Nachkriegsjahren aufgebaut wurden und sich nicht so schnell entdecken lassen, da ihre Blütezeit historisch längst vergangen ist und sie zudem auch weniger wegen floraler Aspekte bekannt sind. Diese Schätze finden sich in den etwa 30 Süßwasseraquarien, die atemberaubende Arrangements bieten, wie sie die Aquaristik-Literatur des 19. Jahrhunderts ihren Anhängern nahebringt: Vorder-, Mittel- und Hintergrundpflanzungen, Bodendecker und Rahmenpflanzungen ergeben hierbei ausgefeilte Miniaturlandschaften unter Wasser, die landschaftsarchitektonischen Gestaltungsweisen folgen, wie sie die Größen der Gartenkunst im ausgehenden 19. Jahrhundert an Land umgesetzt haben. Die Fische scheinen wie Spaziergänger durch diese Unterwasserparks zu flanieren, - nicht als Attraktion, sondern als „scènes mouvantes“.
Einige Bilder Paul Klees oder Max Ernsts erscheinen rätselhaft, da sie vor der Verbreitung des Tauchsports faszinierende Unterwasserwelten darstellen. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als Reflektionen auf die zeitgenössischen Miniaturlandschaften in den Aquarien, die heute weitgehend vergessen und nur noch an besonderen Orten - wie etwa dem Botanischen Garten in Breslau - zu bewundern sind.