Exkursionsbericht (Josephine Wolf)
Die viertägige Pfingstexkursion des Lehrgebietes Geschichte der Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege hat uns dieses Jahr nach Wrocław geführt. Keine 300 Kilometer östlich von Dresden liegt die Europäische Kulturhauptstadt 2016. Ziel der Exkursion war es die historische Freiflächenentwicklung Breslaus nachzuvollziehen.
Kaum mit dem Zug angekommen, wurden wir von der Landschaftsarchitektur-Studentin Lilia empfangen, welche derzeit Erasmus in Dresden macht und uns vier Tage durch ihre Studienstadt Wrocław begleiten wollte. Der erste Weg führte uns zu unserer wunderschönen Unterkunft, einer um die Jahrhundertwende, im Zuge der Entstehung der Gartenstadt Karłowice, gebauten Villa mit Garten, die uns während unseres Aufenthalts komplett zur Verfügung stand. Vom Gepäck befreit, machten wir uns zu einem ersten Stadtspaziergang auf und besuchten spontan die Räumlichkeiten des Instituts für Landschaftsarchitektur in der Partneruniversität Wrocławski. Dort konnten uns einige ausgehängte Projekte ansehen. Besonders aufgefallen sind dabei die aussagekräftigen Handzeichnungen. Nachdem Herr Köhler uns am neu gestalteten Oderufer mit Blick auf die Dominsel, dem Ursprungspunkt der heutigen Stadt, einen historischen Überblick über Breslau gegeben hatte, gingen wir in die Altstadt, um die Entwicklung der Stadt anhand von Gebäuden und Freiflächen verschiedener Zeitschichten, Nutzungen und politischen Ausgangspunkten nachzuvollziehen. Im Vorfeld der Reise hatten sich die Exkursions-Teilnehmer*innen jeweils mit Gebäuden und Grünflächen der Stadt auseinandergesetzt. Die Ausarbeitungen wurden in Form von Steckbriefen in einem Reader zusammengefasst, der uns die vier Tage begleitet hat. Vom Turm des barocken Universitätsgebäudes, konnten wir uns als Einstieg ein Bild der Stadt aus der Vogelperspektive machen. Dabei war schon das eine oder andere Objekt aus der Vorbereitungsphase wieder zu entdecken und vor allem die Fülle an Kirchen verschiedener und in der Vergangenheit teilweise wechselnder Konfessionszugehörigkeiten bemerken. Gebäude, die von den Altstadtspaziergängen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Architektur besonders im Gedächtnis geblieben sind, waren beispielsweise die Markthalle (Hala Targova), welche ein Beispiel für den Historismus ist. Die Stahlbetonkonstruktion im Inneren lässt an eine moderne Kirche und die Backsteinfassade an ein Bahnhofsgebäude erinnern. Ein weiteres eindrucksvolles Gebäude war die gotische Kathedrale St. Johannes der Täufer auf der Dominsel, welche Elemente verschiedener Baustile aufweist. Besonders auffällig waren die seitlich angebauten barocken Kapellen. Mich hat speziell die Synagoge 'Zum Weißen Storch' überrascht, welche im klassizistischen Stil von Karl Ferdinand Langhans, Sohn des Architekten des Berliner Tors, erbaut wurde und als solche nicht auf den ersten Blick identifizierbar ist.
Betrachtet man einen Stadtplan Breslaus fallen besonders die Kanalüberreste der ehemaligen äußeren Befestigungsanlage auf, die gemeinsam mit der Oder die Altstadt umfassen. Nach Schleifung der Stadtbefestigung Anfang des 19. Jahrhunderts entstand eine Promenade mit daran integrierten Parks. Die Breslauer Promenade wurde uns im Rahmen einer Führung durch die Breslauer Garten- und Denkmalhistorikerin Frau Dr. Iwona Binkowska vorgestellt. Die Anlagen sollten der Bildung der Allgemeinheit dienen, beherbergten viele Denkmale und boten Blickbezüge zu wichtigen öffentlichen und kulturellen Einrichtungen. Zuvor führte uns Frau Dr. Mularczyk durch den botanischen Garten, der unter uns aufgrund seiner Größe und vielfältigen Gestaltung und Ausstattung Bewunderung ausgelöst hat. Die ersten zwei Abende ließen wir bei gemeinsamem Kochen und dem Verspeisen des Gezauberten ausklingen.
Während wir uns am Montag und Dienstag fast ausschließlich innerhalb des Altstadtrings bewegten, ging es am Mittwoch in den Osten der Stadt. Geprägt durch die sehr auffälligen städtebaulichen Strukturen des Messegeländes mit der beeindruckenden Jahrhunderthalle Max Bergs sowie der Gartenstadt Zimpel ist der Stadtteil Zentrum der modernen architektonischen Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Innerhalb einer Wohnungs- und Werkraumausstellung auf dem Messegelände von 1919 wurde auch die angrenzende Versuchssiedlung Grüneiche gebaut, welche heute durch verschiedenste Überformungen ein stark verändertes Erscheinungsbild aufweist. Mit dem Scheitniger-Park befindet sich dort auch die älteste und größte Parkanlage der Stadt, die einen starken Pflegenotstand aufweist.
Am Donnerstag besichtigten wir zunächst den Alten Jüdischen Friedhof im Süden Breslaus. Dessen Gestaltung und Ausstattung uns eindrücklich von Herrn Köhler erklärt wurde. Im Anschluss besuchten wir den Südpark, wo Frau Dr. Justyna Jaworek uns dessen geschichtliche Entwicklung näher brachte und Nora Kindermann uns auf gestalterisch sinnvolle, kleinere Eingriffe hinwies, die das positive Erscheinungsbild dieser Anlage noch stärken würden
Unser Breslauaufenthalt endete an unserem Ausgangspunkt, dem, an eine Festung englischen Vorbilds erinnernden, Hauptbahnhof. Während des Aufenthalts 'stolperten' wir über den ein oder anderen der 400 Bronze-Zwerge, die in der gesamten Stadt in Anlehnung an die Zwerg-Graffito und den gusseisernen Papa Zwerg der "Orangenen Alternative" überall in der Stadt verteilt sind. Eine Zwergen-Rallye hätte eindeutig den Rahmen der Exkursion gesprengt und wird vielleicht von so Manchem privat nachgeholt werden. Übrigens ist auch in Dresden ein Breslauer Bronze-Zwerg zu finden, der von der Stadt Wrocław im Rahmen eines Städtepartnerschafts-Jubiläums überreicht wurde. (Viel Spaß bei der Suche!) Insgesamt war herauszuhören, dass die Stadt bei den Studierenden berechtigterweise Interesse an einem erneuten Besuch geweckt hat.