21.03.2020
Der Schinkelpreis 2020 im Städtebau geht an die TU Dresden
Wir gratulieren den Studentinnen Elisa Mado Lenius und Anne-Sophie Schoss ganz herzlich zum Schinkelpreis 2020 in der Fachsparte Städtebau. Die Entwurfsverfasserinnen konnten sich mit ihrer konsumkritischen Arbeit Apfel*mus durchsetzen. Der Entwurf entstand am Lehrstuhl Urbanismus und Entwerfen bei Prof. Melanie Humann im Rahmen des Entwurfseminars „Tomorrowland“.
Aufgabe
Im Oktober 2020 wird Berlin in seiner heutigen Form 100 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Gründung, am 1. Oktober 1920, hatte Groß-Berlin rund 3,8 Millionen Einwohner*innen und war eine die bevölkerungsreichsten und am weitesten ausgedehnten Gemeinden der Welt. Und das, obwohl die große Bevölkerungsexplosion erst noch bevor stand, so dachte man. 100 Jahre nach der Fusion zu Groß-Berlin steht der Metropolraum Berlin-Brandenburg vor ähnlichen Herausforderungen, ist doch die demografische Entwicklung mit Blick auf von Klimawandel und Ressourcenknappheit kaum vorsehbar.
Vor diesem Hintergrund lobte der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) – 1907 Mitinitiator für den „Wettbewerb um einen Grundplan für die Bebauung von Groß-Berlin“, kurz „Wettbewerb Groß-Berlin“ – zum 165. Mal den AIV-Schinkel-Wettbewerb aus. Gesucht wurden nun Ideen und Visionen für das „Berlin in fünfzig Jahren“. Als eine besondere Herausforderung definierten die Auslober die Ausarbeitung progressiver oder gar provokativer Ideen, die entweder einen Beitrag zum Nachdenken leisten oder aber künftig realisierbar sein sollten.
Als Aufgabengebiet wurde der Siedlungsstrahl Berlin – Karow – Buch – Panketal – Bernau definiert, anhand dessen den Fragen nachgegangen werden sollte, wie sich die absehbaren Veränderungen von Umwelt und Gesellschaft stadträumlich, landschaftlich und baulich darstellen und auf die zukünftige Gestaltung von Stadt- und Landschaftsräumen auswirken. Insgesamt wurden 92 Arbeiten junger Planer*innen unter 35 Jahren eingereicht, aus denen acht Preisträger*innen gewählt wurden. Die „preisgekrönten Arbeiten zeigen große Zuversicht, die Aufgaben der Zukunft in Angriff zu nehmen, aber auch den Mut, Außergewöhnliches zu wagen“, so Eva Krapf, Vorsitzende des AIV-Schinkel-Ausschusses.
Beurteilung der Jury:
„Seit wir Nestlé von den Feldern jagten schmecken Äpfel so wie Äpfel und Tomaten nach Tomaten.” (Hurra die Welt geht unter – Lied von K.I.Z)
Wie ein Echo aus einer fernen Zukunft durchdringt die Textstelle der Berliner Rapper K.I.Z diesen Konsum-kritischen Entwurf. Was nicht nur Jugendliche im Jahr 2020 jeden Freitag auf der ganzen Welt einfordern, ist 2070 gelebte Realität. Aus ihrer verbal formulierten Kritik am „Konsumismus” des 20. und frühen 21. Jahrhunderts entwickelten die Verfasser eine städtebaulich plausible Vision für die Zukunft Zepernicks. Unter Pflastersteinen der Sandstrand: Der Charme dieser Arbeit liegt in der überzeugend durchdachten wie auch behutsamen Nachverdichtung des engeren Bearbeitungsgebietes. Das Post-Consumere Quartier 2070 in Zepernick kennt keine vermeintlichen Gegensätze zwischen der Stadt und dem Land. Es ist beides. Ein urbanes Dorf, mit vielen post-consumeren Höfen, auf denen vor Ort und mit Hilfe smarter Technologien nur die Mengen produziert werden, die auch tatsächlich verbraucht werden. Dezentral, nachhaltig und ohne Widerspruch zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit. Ein urbanes Dorf, mit Sinn für Gemeinschaft und Raum zur individuellen Entfaltung. Ein urbanes Dorf, im mensch-lichen Maßstab mit renaturierten Landschaften entlang der Panke- und Dranseauen. Die Kritik der Verfasser an der heutigen Konsumgesellschaft ist laut, ihre Antworten auf die dringlichen Fragen unserer Zeit leise. Um der dystopisch anmutenden Zukunft zu entrinnen, die uns zu drohen scheint solange wir aufgrund unseres Lebensstil bald zwei Erden zur Ver-sorgung ihrer Bevölkerung benötigen, bedarf es scheinbar nur weniger kluger Maßnahmen. Damit diese Utopie wahr wird, soll „EGO” zu „ECO” werden. Frei nach dem Motto „Kann man alles teilen, braucht man sich gegenseitig auch nichts wegzunehmen”.
Weitere Arbeiten:
Veröffentlicht in:
https://www.aiv-berlin.de/schinkel-wettbewerb/preistraeger
https://www.wettbewerbe-aktuell.de/ergebnis/aiv-schinkel-wettbewerb-berlin-2070-106671
Fakultät Architektur
Institut für Städtebau und Regionalplanung
Professur für Urbanismus und Entwerfen
Prof. Melanie Humann