16.03.2023
ERASMUS+ Kurzzeit-Mobilititäten für den Ausbau der internationalen Lehre an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften
Neue Wege zurück in die Präsenz! Die Professur Informationsmanagement bietet im Sommersemester 2023 erstmals ein internationales Projektmodul “Case study development for COIL projects“ in englischer Sprache zum Erwerb von 5 ECTS in den Master- und Diplomstudiengängen an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an, in dem „das Beste aus 2 Welten“ – Präsenz und Online – in einem innovativen Blended Learning Format arrangiert wird. Gemeinsam mit 15 Gästen der EPOKA University in Tirana, Albanien, werden Studierende der Fakultät in international gemischten Arbeitsgruppen zwei einwöchige Workshop-Blöcke, einmal in Dresden, einmal in Tirana, absolvieren, die durch eine längere Online Kollaborationsphase verknüpft werden. Aufgabe ist es, Fall-Szenarien für kollaboratives online Lernen zu entwickeln, als OER (open educational resources) bereitzustellen und dabei OEP (open educational practices) zu erproben.
Ausgangssituation
Spätestens seit dem pandemie-bedingten Lockdown in den letzten Jahren wird dringender Änderungsbedarf bezüglich der Art und Weise, wie wir lernen und wie sich daher auch die Hochschuldidaktik weiterentwickeln muss, angemahnt. So forderte Coyne schon 2008 auf: „Universities: think about what jobs your students can get if they follow your courses.“ (Coyne, 2008). Mit Blick auf den Nomadic Knowledge Worker (Perez-Sabater et al., 2015) wurde von Trilling & Fadel schon 2009 die Entwicklung sogenannter 21st Century Skills eingefordert, aktuell von der Europäischen Union detailliert und strukturiert aufbereitet als Digital Competence Framework for Citizens (DigComp 2.2; Vuorikari et al., 2022). Für die gezielte Weiterentwicklung der Hochschuldidaktik zur Sicherstellung digitaler Kompetenzen im Kontext der sich vollziehenden Transformation von Gesellschaft, Organisationen, Geschäftsmodellen und Geschäftsprozessen schlägt die Europäische Union das DigCompEdu-Framework (Redecker, 2017) als Handlungsrahmen vor.
Präsenz oder Online?
Mit dem auf die Entwicklung von Digitalkompetenz zielenden Angebot interaktiver, selbstgesteuerter online Lernformate zur Ergänzung digital bereitgestellter Lernmaterialien und rein videokonferenzbasierter Vorlesungen konnten an der Professur für Informationsmanagement während des Lockdowns zwar gute Erfahrungen auf Basis des bereits zuvor etablierten VCL Frameworks (virtual collaborative learning) gesammelt werden (Schoop et al., 2021). Viele Aspekte einer Academia in Präsenz lassen sich jedoch online nicht nachbilden und können auch nicht durch neue Potenziale (z.B. ad hoc Gruppenarbeitsräume bilden, gemeinsam auf Whiteboards arbeiten, Besprechungen per Mausklick aufzeichnen, etc.) kompensiert werden.
Es stellt sich somit die Frage, wie der Weg zurück zur Präsenz im akademischen Lehralltag gestaltet werden kann, ohne die gewonnenen Erfahrungen und Vorteile der Digitalität zurückzulassen. Das hier vorgestellte Projektmodul soll beide Perspektiven in einem innovativen Blended-Learning Arrangement kombinieren und zusätzlich neue Impulse für die Internationalisierung der Lehre an der Fakultät geben.
Ziel
In einem formalen, lernenden-zentrierten soziotechnischen Arrangement werden ECTS-Leistungspunkte und Noten kollaborativ erworben, sowohl in Präsenz als auch Online. Im Vordergrund stehen gemeinsame Lernprozesse der Studierenden. Die Lehrenden vermitteln weniger Inhalte, sondern geben vielmehr Anstöße und sollen den Studierenden bei ihrer Problemlösung moderierend/beratend zur Seite stehen. Primäres Lernziel ist die eigenständige Weiterentwicklung von Kompetenzen in den Bereichen Teamarbeit, Interdisziplinarität und Internationalität/Interkulturalität, sowie Digitalität auf Basis einer konstruktivistischen Lerntheorie (Connectivism: Siemens, 2005).
Konzept
Studierende verschiedener Disziplinen und verschiedener Nationalitäten greifen die Perspektive von Lehrenden auf studentische Lernprozesse auf. Sie erarbeiten gemeinsam in international und interdisziplinär gemischten Arbeitsgruppen Artefakte, die als OER (open educational resources) für fallbasiertes Lernen (case-based learning) bereitzustellen sind. Es sollen realitätsnahe, authentische Fallszenarien (Cases) entstehen mit daraus abgeleiteten Arbeitsaufträgen (Tasks), die in vorgegebenen Zeitabschnitten (in der Regel wöchentlich) mithilfe als geeignet erachteter Werkzeuge (Tools) in gemischten Lerngruppen zu erfüllen sind. Einsatzfeld dieser Artefakte sind mehrmonatige COIL-Projekte (collaborative online international learning) als interaktives, tele-tutoriell begleitetes und durch Learning Analytics unterstütztes Format.
Umsetzung
Das Konzept wird im Sommersemester 2023 erstmals umgesetzt als formales, internationales Blended-Learning Projekt, basierend auf wechselnder physischer und virtueller Mobilität von Studierenden. Es ermöglicht den Erwerb von fünf ECTS-Leistungspunkten durch Gruppenarbeit. Etwa 30 Studierende (Master/Diplom) werden in sechs gemischte Lerngruppen aufgeteilt, 15 von der TU Dresden und 15 von der EPOKA University in Tirana, Albanien, mit der seit 2022 ein Erasmus+ Vertrag besteht, der u.a. auch sogenannte Kurzzeit-Mobilitäten (ca. eine Woche) vorsieht. In der ersten Aprilwoche finden an der TU Dresden Workshops in Präsenz zur Einarbeitung der Gruppen in das zu adressierende COIL-Konzept statt, bei denen sich die Studierenden gegenseitig kennenlernen, erste Ideen-Skizzen entwickeln und ihre Arbeitspläne für die folgenden kollaborativen Arbeitsschritte abstimmen, die online mittels Microsoft Teams, Miro und weiteren geeigneten digitalen Apps durchzuführen sind. Nach acht Wochen eigener COIL-Erfahrung treffen die 30 Studierenden wieder zusammen, diesmal in Tirana, und stellen ihre Arbeitsergebnisse in weiteren Workshops vor, führen gegenseitige Peer-Reviews durch und stellen ihre finalen Cases, Tasks, Tools und Lösungsvorschläge als OER auf einem gemeinsamen Repository bereit. Dabei soll ein speziell konzipierter OEP Sprint (open educational practices) zur Förderung von „Partizipation und Selbstorganisation in Lehr- und Lernprozessen unter den Bedingungen von Digitalisierung und Digitalität“ (OEP Guide, 2019) erprobt werden.
Erwartung
Der Wechsel von physischer zu virtueller und erneut zu physischer Mobilität soll neben der Motivation, ein anderes Land mit anderer (Lern-) Kultur kennenzulernen, insbesondere die jeweiligen Stärken der Formate ausnutzen:
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Präsenz: schneller Aufbau von gegenseitigem Vertrauen, Schaffen von Verbindlichkeit, Abgleich der individuellen Kompetenzen und Interessen, intensive Abstimmung der Ziele und Prozesse „am runden Tisch“, gezielte Anwendung von Methoden zur Unterstützung von Gruppenarbeit.
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Online: Ausbau der digitalen Kompetenzen, insbesondere in Projektmanagement, Selbststeuerung, aktives Einarbeiten in das COIL-Format, für das die Fallszenarien gestaltet werden, mit Rückkoppelung auf den gemeinsamen Gestaltungsprozess der Fallszenarien, Vorbereitung auf den OEP Sprint in der wieder in Präsenz stattfindenden Abschlusswoche.
Durch begleitende Evaluation sollen Zielerreichung und Aufwand-Nutzen-Verhältnis des neuen Veranstaltungsformats bewertet und Rückschlüsse für zukünftige Anpassungen in organisatorischer, didaktischer und technischer Hinsicht gezogen und im Rahmen geeigneter Veröffentlichungen dokumentiert werden.