Erfahrungsbericht Sarah Müller-Sägebrecht
Ich habe 2017 als Mutter eines 1-jährigen Sohns meine Promotion begonnen, was an vielen anderen Universitäten wohl bereits für Kopfschütteln gesorgt hätte. Da wir in den ersten Monaten keinen Kita-Platz hatten und leider keine Oma oder Opa vor Ort haben, war ich sehr froh, dass mein Chef, selbst Vater von 3 Kindern, Verständnis für die Situation hatte. Das flexible Arbeiten habe ich damit von Anfang an sehr wertschätzen können. Zu dieser Zeit habe ich häufig den Eltern-Kind-Raum unserer Fakultät genutzt. 2 Jahre später wurde ich Mutter meines 2. Sohnes und habe 1 Jahr Elternzeit genommen, in der ich mit meiner Ko-Autorin am gemeinsamen Paper mit Freude weiterarbeitete – es war für mich eine gute Abwechslung. Als ich voll motiviert zurückkehrte, holte mich der Kita-Alltag schnell ein: in den ersten 6 Monaten wurde abwechselnd eines meiner beiden Kinder krank – und zwar im 2-Wochen-Takt. Nachdem sich die Situation endlich einigermaßen normalisierte, brach die Pandemie aus, sodass ich nun noch weniger planen konnte. Die abrupte Umstellung unserer Lehrveranstaltungen ins digitale Format bei gleichzeitiger Betreuung meiner zu dem Zeitpunkt 1- und 3-jährigen Söhne im Homeoffice katapultierte mich und meine Promotion nach hinten. Ich konnte meine gesetzten Ziele und Deadlines nicht halten und war lange frustriert, dass es einfach nicht vorangeht. Not macht aber bekanntermaßen erfinderisch und so habe ich die Pandemie zumindest dafür nutzen können unsere Lehre moderner, digitaler und diversitätssensibler zu gestalten, wofür ich mit 2 Lehrpreisen ausgezeichnet wurde. So hatte die Pandemie für mich zumindest auch etwas Gutes.
Mittlerweile spielt Corona - Gott sei Dank - keine Rolle mehr. Unser Arbeiten ist noch flexibler geworden, was mir meinen Alltag sehr erleichtert. Wir Lehrstuhlmitarbeiter sind mittlerweile an 2 fixen Tagen in der Woche im Büro, in der restlichen Zeit kann jeder arbeiten wann und von wo man will. An manchen Tagen bin ich schon sehr früh im Büro, an anderen Tagen sitze ich zuhause noch spät abends am Laptop. Ich nutze Autofahrten oder freie Stunden zu den Trainingszeiten der Kinder, um meine Aufgaben zu erledigen. Während andere vielleicht stöhnen, bin ich dankbar dafür, abends den Laptop noch einmal aufklappen zu dürfen, aber im Austausch dafür den Nachmittag mit den Kindern verbringen zu können.
Meine Kinder sind nun 4 und 6 Jahre alt und nur noch selten krank. Ich komme mit meiner Promotion gut voran und kann dieses Jahr nun endlich auch auf meiner ersten internationalen Konferenz präsentieren. Meinen Fortschritt habe ich dabei auch meinem Mann zu verdanken, der selbst an unserer Fakultät promoviert. Er achtet sehr darauf, dass wir beide gleich viel Zeit für Kinder und Arbeit zur Verfügung haben.
Mein Fazit: beim Promovieren kommen viele Unvorhersehbarkeiten - mit Kindern noch mehr und mit einer Pandemie erst recht.