18.01.2022
Den »schönsten Beruf der Welt« studieren
Seit Oktober 2021 bietet die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus den Bachelorstudiengang »Hebammenkunde« an
Beate Diederichs
Hebamme ist einer der ältesten Berufe der Welt. Doch auch diese traditionelle Tätigkeit nah am Leben passt sich den veränderten Anforderungen an: Seit 2020 werden Hebammen auch in Deutschland anders als bisher auf akademischem Niveau ausgebildet. Seit Oktober 2021 bietet das neu gegründete Zentrum für Hebammenwissenschaften an der Medizinischen Fakultät der TUD den dualen Bachelorstudiengan »Hebammenkunde« an. Die ersten 24 Studentinnen und die Studiengangsleiterinnen ziehen ein positives Fazit der ersten Wochen, in denen sie sich gut zusammengefunden haben.
Für Antonia Wegner ist es der schönste Beruf der Welt, Frauen während der Schwangerschaft, Geburt, dem Wochenbett und der Stillzeit zu begleiten und ihnen und ihren Familien während dieser aufregenden und oft anstrengenden Zeit zur Seite zu stehen. »Ich will nichts lieber, als Hebamme zu werden! Hebammen verkörpern für mich das Bild einer starken, durchsetzungsfähigen und zugleich empathischen und großherzigen Frau, die ihre Berufung in der Unterstützung von Familien gefunden hat«, sagt die frischgebackene Studentin. Sie ist eine von 24 jungen Frauen, die am 4. Oktober 2021 in den neu geschaffenen dualen Bachelorstudiengang »Hebammenkunde« gestartet ist. Dieser findet am ebenfalls neu gegründeten Zentrum für Hebammenwissenschaften und an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden statt. Eine Hälfte dieser Pionierinnen hat das Studium nach dem Abitur begonnen. »Die andere Hälfte, zu der auch Antonia Wegner gehört, hat entweder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), Freiwilliges Ökologisches Jahr (FOJ) absolviert, vergleichbare Praktikumserfahrungen gesammelt oder bereits eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen«, kommentiert Katharina Langton, die gemeinsam mit Friederike Seifert den Studiengang leitet. Die Hochschulreife oder eine Ausbildung in einem Pflegeberuf sind Voraussetzungen dafür, das dreieinhalbjährige Studium beginnen zu können. »Meine Kolleginnen, die eine Ausbildung absolviert haben, sind examinierte Physiotherapeutinnen, Rettungssanitäterinnen oder Notfallsanitäterinnen«, erläutert Antonia Wegner. Obwohl die Neuen in diesem Jahr alle weiblich sind, steht der Studiengang selbstverständlich auch Männern offen.
Drei Institutionen sind am Studium beteiligt
Obwohl »duales« Studium eigentlich bedeutet, dass man zwei Elemente – Theorie und Praxis – verbindet, sind beim neuen Studiengang drei Institutionen beteiligt: Zum Ersten das Zentrum für Hebammenwissenschaften als Zentrum der Hochschulmedizin, das an der Medizinischen Fakultät der TUD verortet ist. »Das Zentrum beheimatet den Studiengang und soll eine Einrichtung werden, an der man hebammenwissenschaftliche Projekte plant und umsetzt«, sagt Katharina Langton. Denn ein konsekutiver, also aufbauender Masterstudiengang und ein Aufbaustudiengang für bereits examinierte Hebammen sind in Planung. Damit können diese nachträglich den Bachelorgrad erwerben, der in Zukunft Standard werden soll. Zum Zweiten ist da der Campus der Medizinischen Fakultät, wo der theoretische Teil des Studiums vermittelt wird. Hier finden Vorlesungen, Seminare, Praktika, Tutorien und praktische Übungen statt. Neben Hörsälen und Seminarräumen spielt hierbei das Skills Lab im Medizinisch-Interprofessionellen Trainingszentrum (MITZ) eine wichtige Rolle: Hier erwerben und trainieren die angehenden Hebammen an Simulatoren und mithilfe von Schauspielpatientinnen und -patienten praktische und kommunikative Fähigkeiten. Zum Dritten gibt es die Orte für die Praxis: mit der TUD kooperierende Kliniken und hebammengeleitete Einrichtungen in ganz Sachsen. »Ich bin eine der zehn Studentinnen, deren Praxispartner das Uniklinikum ist – dementsprechend verbringe ich meine gesamte Studienzeit hier. Diejenigen meiner Kommilitoninnen, bei denen das nicht der Fall ist, absolvieren ihre Praxiszeiten im Städtischen Klinikum Dresden, dem Städtischen Klinikum Chemnitz oder den DRK-Krankenhäusern Chemnitz-Rabenstein und Lichtenstein, dem Krankenhaus St. Joseph-Stift, dem Diakonissenkrankenhaus Dresden und dem Städtischen Klinikum Görlitz«, berichtet Antonia Wegner. Um die hebammengeleitete Versorgung zukünftig sicherstellen zu können, wird man zusätzliche Praxispartner gewinnen müssen. Dazu muss die Zahl der Studienplätze erhöht werden. Katharina Langton und Friederike Seifert sind sich einig: Hier ist die Politik gefragt.
Das Studium ist in 17 Module und zwei Wahlpflichtmodule eingeteilt. Es schließt mit einer staatlichen Prüfung und der Bachelorprüfung ab. »Hauptlerninhalte sind die eigenständige Begleitung von Frauen und Familien während der physiologischen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett im klinischen und außerklinischen Setting sowie umfangreiche Kenntnisse zu pathologischen Verlaufen und der interprofessionellen Zusammenarbeit mit der ärztlichen Kollegenschaft«, fasst Katharina Langton zusammen.
Gestiegene Anforderungen an den Beruf der Hebamme
Die Studierenden erwerben natürlich umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der Geburtshilfe und Gynäkologie, Anatomie, Physiologie und Psychosomatik, aber beispielsweise auch in der Kinderheilkunde, Rechtskunde und Medizintechnik. »Da die beruflichen Anforderungen an Hebammen gestiegen sind, findet nach dem Hebammengesetz von 2019 seit 2020 die Hebammenausbildung auf Hochschulniveau statt. Daneben gibt es Übergangsregelungen bis 2027, um die sogenannten altrechtlichen Ausbildungsgänge abzuschließen. An der Carus Akademie hat im Herbst 2020 die letzte Hebammenklasse ihre Ausbildung nach altem Recht begonnen«, fügt Friederike Seifert hinzu. Die Carus Akademie ist eine Verschmelzung der traditionsreichen medizinischen Berufsfachschule und des Fort- und Weiterbildungszentrums und somit ein Bildungsanbieter der Universitätsklinik Dresden.
Katharina Langton und ihre Kollegin Friederike Seifert sind mit den ersten Wochen des Studiums sehr zufrieden. »Die Studierenden zeigten in den Lehrveranstaltungen reges Interesse und eine hohe Motivation. Alles in allem ist der Start gut gelungen.« Beide bringen umfangreiche Erfahrungen in Theorie und Praxis mit: Friederike Seifert arbeitet seit zwanzig Jahren als Diplommedizinpädagogin in der Hebammen- und Pflegeausbildung in Dresden. Sie ist gut mit den beiden Ausbildungswegen, dem traditionellen und dem neuen, vertraut, war sie doch bei der Akademisierung des Berufs in Deutschland beteiligt. Katharina Langton ihrerseits steuert unter anderem neben einem Abschluss als Hebamme und einem Abschluss in klinischer Forschung, vielschichtiger Praxiserfahrung und Arbeit in der neurochemischen und medizinischen Forschung eine internationale Facette bei: »Während meiner Auslandsjahre von 2006 bis 2014 habe ich die geburtshilfliche Versorgung von Frauen und Familien in der Schweiz, Neuseeland und Großbritannien durch akademisch ausgebildete Hebammen intensiv kennen gelernt. Diese Kenntnisse waren mir auch bei meinem Masterstudium »Advanced Midwifery Practice« in Cambridge sehr nützlich, das ich 2017 abschloss.« »Katharina Langton und ich können als Duo alle Aspekte von Pädagogik und Wissenschaft abbilden und einbringen, um den Hebammenstudiengang zu etablieren«, sagt Friederike Seifert.
Auch das Fazit der Studentin Antonia Wegner für ihre ersten Wochen im neuen Studiengang fällt positiv aus: »Wir lernen, mit dem Neuen umzugehen, unterstützen einander gegenseitig und nehmen die Herausforderung ohne Zweifel an. Ich bin dementsprechend voller Vorfreude auf das, was noch kommt.«
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 1/2022 vom 18. Januar 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.