28.05.2020
SHELTER LAB - Stegreifentwurf Sommersemester 2020
Kontext
Über 70 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, viele weitere heimatlos. Jeden Tag verlieren Menschen ihre Unterkunft durch Naturkatastrophen, Krieg oder Armut. Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre prognostizieren übereinstimmend einen drastischen Anstieg von Vertriebenen durch die Folgen des Klimawandels. Bisher konzentrieren sich Lösungsansätze vorwiegend auf eine temporäre Unterbringung dieser Menschen in Notunterkünften und Lagern aus Zelten, Containern etc. Dieser Ansatz hat sich in vielerlei Hinsicht als überaus problematisch erwiesen, weshalb eine menschengerechte architektonische Lösung nicht nur in der Entwicklung immer besserer Shelter liegen kann. Es muss vielmehr die Selbstermächtigung von Menschen zur Selbsthilfe im Fokus liegen. Architektur kann dabei Antworten geben auf die Frage, wie Menschen in Not sich eine eigene temporäre Behausung schaffen können. „Shelter Lab 2020“ und die darauf folgende Workshopreihe suchen neue Ideen mit hohem Innovationsgehalt unter Berücksichtigung traditioneller und lokaler Aspekte. Besonderer Augenmerk liegt dabei, neben der Sensibilisierung und Ausbildung Studierender und Lehrender, insbesondere auf der Verbreitung und Bereitstellung der gewonnen Erkenntnisse zur Verbesserung der Situation von Vertriebenen weltweit.
Aufgabe
Plötzliche Katastrophenereignisse mit einer großen Anzahl von vertriebenen Personen stellen für Planende seit jeher eine besondere Herausforderung dar. Lösungsansätze von Architekt:innen konzentrieren sich meist auf vorgefertigte, konstruktiv-technisch anspruchsvolle „All-Inclusive-Lösungen“ mit geringem Individualisierungspotential und einem hohen Maß an Abhängigkeit von den bereitstellenden Institutionen/Organisationen. Untergebrachte Menschen sind gezwungen, in den vordefinierten Unterkünften zu leben ohne dabei ein gestalterisches Mitbestimmungsrecht zu erhalten. Um das Recht jeder Person auf Individualität zu wahren, sollen im Rahmen dieses Stegreifentwurfes Möglichkeiten zu selbst umsetzbaren, adaptiven und simplen „low-tech“ Konstruktionsprinzipien aus einfachsten Materialien wie Holzlatten und Kunststoffplanen für eine temporäre Notunterkunft entworfen werden. Kriterien dabei sind einfaches und schnelles Montieren sowie eine resiliente und adaptive Struktur. Präsentation erfolgt in Modell und einer zeichnerischen Bauanleitung. Die besten Ergebnisse werden im WS20/21 in 1:1 umgesetzt.
Termine
INPUT WORKSHOP 27./28.06.2020
Input Tag 1
09:00 Uhr Theorie:
- Grußworte von Prof. Jörg Joppien
- Einführung ins Shelter Design
- Das Individuum als entwerferische Perspektive
- Psychologische Aspekte des Schutzraums
Input Tag 2
09:00 Uhr Theorie:
- Temporäre Strukturen in der Architektur
- Ein Überblick vom Tragwerk zum Raum
11:00 Uhr Praxis:
- 1:1 Bau einer Raumstruktur (geodätische Kuppel)
18:00 Uhr Abschluss:
- Richtfest mit anschließendem Grillen
OUTPUT WORKSHOP 04./05.07.2020
Output Tag 2
09:00 Uhr Open-Studio:
- Struktursuche
- Skizzen und Ideen
- Arbeitsmodelle in Varianten
- Individuelle Betreuung durch den Lehrstuhl
18:00 Uhr Zwischenpräsentation
Output Tag 2
09:00 Uhr Open-Studio:
- Fertigstellung der Entwurfsidee
- Präsentationsmodell
- Layout Ausstellungsdatei
18:00 Uhr Abschluss:
- Präsentationsabend mit gemeinsamen Ausklang
Zeitplan
Basierend auf den Erfahrungen des Seminars „Entwurfsmethodik“ (WS 19/20), in welchem verschiedene temporäre Shelter methodisch analysiert und interpretiert wurden, stellt das „Shelter Lab 2020“ den Beginn einer Workshopreihe dar. Dabei werden zunächst strukturelle Ideen und Erfahrungen gesammelt um die besten Ergebnisse dann im zweiten Teil des Workshops in 1:1 umzusetzen. Der Prozess wird als Ausstellung an verschiedenen Orten einer Öffentlichkeit präsentiert. Im Rahmen des Projekts „European Migration Architecture Network“ (EMAN.) wird das „Shelter Lab 2020“ aufgegriffen und dient als Basis für die an mehreren europäischen Hochschulen (u.a. TU Dresden, TU Wien, IUAV Venedig und UoM Malta) parallel stattfindenden „Simultaneous Studios“ im WS 20/21 zum Thema „Migration-Raum-Architektur“. Den Abschluss dieser Reihe bildet eine multinationale „Summer School Malta“ 2021 in Kooperation mit unseren maltesischen Partnern. In dieser wird das gesammelte praktische und theoretische Wissen der vorangegangenen Workshopreihe auf eine reale Problemstellung im „Testfeld“ Malta übertragen.
Lehrstuhl
“Der Lehrstuhl Grundlagen des Entwerfens an der Architekturfakultät der TU Dresden beschäftigt sich mit gestalterischen Entwurfsmethoden anhand von Projekten im Grundund Hauptstudium. Als Grundlage dienen besondere räumliche Situationen, in häufig internationalen Kontexten und immer mit dem Impetus der Nachhaltigkeit. Aktuelle gesellschaftliche Probleme haben dabei einen besonders hohen Stellenwert in den Aufgabenstellungen: Die internationale Migration und die aktuelle politische Entwicklung in Deutschland verändern den Fokus der Projekte. Die Architektur als Spiegelbild der Gesellschaft wird dazu genutzt, aktuelle Problemstellungen räumlich zu diskutieren. Gebäude allein können dabei die komplexen gesellschaftlichen Probleme nicht lösen, aber sicher kann ganzheitlich gedachte Architektur und Städtebau einen wesentlichen Beitrag leisten. Auf die Fluchtproblematik im Mittelmeerraum wurde mit dem Projekt „MALTA: Safe Haven“ reagiert. Die dabei aufgedeckten Missstände waren der Ausgangspunkt für unser jetzt ins Leben gerufen Projekt „EMAN.“ Unser nächstes Projekt “TUNIS: Job Accelerator” beschäftigt sich mit der aktuellen politischen Lage Nordafrikas als Schwelle nach Europa. Parallel dazu entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern in Kenia und Uganda Strategien gegen die Fluchtursachen und bilden so eine durchgehende Verbindung von Europa nach Ostafrika.“
Kosten
Grundlegende Philosophie des „Shelter Lab 2020“ ist ein Verzicht auf vorgefertigte und technisch anspruchsvolle Lösungsansätze. Aus einfachsten, austauschbaren und frei verfügbaren Materialien soll mit simplen und vermittelbaren Prinzipien Raum geschaffen werden. Als Sonderformat hat das „Shelter Lab 2020“ großes Potential, weit über den universitären Rahmen hinaus Wellen zu schlagen. Um die Entwicklung einer größtmöglichen Vielfalt an innovativen Ideen zu ermöglichen, ist eine intensive Betreuung und solide technische Grundausstattung aller Workshopteilnehmenden nötig. Die TU Dresden kann dabei lediglich die Personalkosten decken, zur Ermöglichung dieses außergewöhnlichen Projekts sind wir deshalb auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen.