Nov 28, 2022
Dissertation Claudius Wecke „Von einer hochadligen Herrschaft zum öffentlichen Denkmal: Park und Schloss Branitz nach Fürst Pückler“
Die Dissertation von Dr.-Ing. Claudius Wecke zum Thema „Von einer hochadligen Herrschaft zum öffentlichen Denkmal: Park und Schloss Branitz nach Fürst Pückler“ ist nun online veröffentlicht und über Qucosa abrufbar.
Im Folgenden geben wir das auf Qucosa zu findende Abstract wieder:
Die vorliegende Arbeit thematisiert erstmals in zusammenhängender Form die weitgehend unerforschte, knapp 125jährige Geschichte des Branitzer Parks und seines Schlosses vom Tod von Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) bis zur Gründung der „Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz“ 1995. Diese Forschungslücke konnte durch die Auswertung umfangreichen Archivmaterials insbesondere aus dem Stadtarchiv Cottbus, dem Familienarchiv Hermann Graf von Pückler und dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam geschlossen werden, sowie durch umfängliche Informationen aus Zeitzeugeninterviews, die nach den Standards der qualitativen Sozialforschung geführt wurden. Gleichzeitig stellt die Arbeit die Beweggründe der Entscheider-Ebenen für vielfältige, ermittelte Paradigmenwechsel in der Gestaltung und Pflege der Anlage dar. Fürst Pückler schuf im niederlausitzer Branitz bei Cottbus ein Gesamtkunstwerk aus Garten- und Landschaftsgestaltung, Architektur sowie Raumausstattungen von internationalem Rang. Die Anlage beinhaltet gleichzeitig eine Vergegenwärtigung der in den öffentlichen Park eingeschriebenen Lebens- und Erkenntnisreise ihres Schöpfers, an der er die Besucher bereits seinerzeit teilhaben ließ. Dem Erbe Pücklers wiederfuhr nach seinem Tod eine wechselvolle Geschichte, die sich in zwei Hauptphasen gliedert: Die gräfliche Zeit bis 1945 und die daran anschließende als öffentliches Eigentum. Der ‚Pflichterbe‘ des Majorats Branitz, Heinrich Graf von Pückler (1835–1897), kompensierte die durch Erbstreitigkeiten hervorgerufene, gestörte Beziehung zu seinem berühmten Vorgänger in erster Linie durch weitreichende Um- und Ausgestaltungen des Branitzer Parks. Das gelang dem zumeist nicht vor Ort anwesenden Grafen durch Georg Bleyer (1837–1915), den von ihm weiterbeschäftigten, ehemaligen Obergärtner des Fürsten. Bleyers Beiträge zur Gartengestaltung unter Heinrich von Pückler wirken in vielen Bereichen, z.B. in der sogenannten Pyramidenebene und im Pleasureground, bis in die heutige Zeit nach. Unter dem Erben August von Pückler (1864–1937) wurden in Branitz kaum Veränderungen vorgenommen, erst recht nicht nach den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs, als das Schloss zwar wieder Hauptwohnsitz der Pücklers wurde, eine hinreichende Parkpflege jedoch unterblieb. Ursächlich dafür waren die Zeitumstände und die daraus resultierenden, wirtschaftlichen Probleme der Pücklers, die u.a. zu umfangreichen Landverkäufen ab 1931, zur Fremdverwaltung des Besitzes 1933 und einem klugen Vertrag mit der Stadt Cottbus führten, die ab 1934 die Unterhaltungskosten des Branitzer Parks zur Hälfte übernahm. Von der NS-Zeit kaum beeinflusst, führten die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs mit dem schweren alliierten Luftangriff am 15. Februar 1945 und einer bis 1946/1947 andauernden Besetzung durch die Rote Armee zu schweren Schäden an Park und Schloss Branitz. Typisch für die Entwicklungen in der Sowjetischen Besatzungszone erfolgte parallel die Vertreibung der Pücklers und deren Enteignung im Zuge der Bodenreform. Erstmals in der Geschichte verliefen die Entwicklungen von Park und Schloss fortan nicht mehr parallel. Im Gegensatz zum vormals autokratisch bestimmenden, adligen Eigentümer waren und sind Entscheidungen seither weniger von Einzelpersonen, denn in viel stärkerem Maße von kollektiven Einflüssen, z.T. mehrerer, institutionell beteiligter Ebenen und von deren offiziellen Vertretern geprägt und abhängig. Wenigen Personen ist es zu danken, die sich nach 1945 schützend und ohne Scheu vor dem ehemals adligen Besitz für den Erhalt der durch Aufsiedlung, Abriss oder Abholzung bedrohten Anlage einsetzten. Insbesondere ist dabei der Cottbuser Oberbürgermeister Otto Weihrauch (1898–1966) zu nennen, der u.a. die neue Nutzung des zuvor geplünderten Schlosses als Heimatmuseum von Cottbus, das 1961 sogar zum Bezirksmuseum aufgewertet wurde, durchsetzen konnte. Der Branitzer Park jedoch verwilderte in weiten Teilen bis in die Mitte der 1950er Jahre. Aufgrund erster denkmalpflegerischer Initiativen und günstiger politischer Umstände wurde der Park ab 1954 schließlich wieder einer kontinuierlichen Pflege zugeführt. Daran hatte auch die politisch gesteuerte, historisch geringe Wertschätzung für Fürst Pückler in dieser Zeit keinen negativen Einfluss. Fortan verliefen die Geschichte des Parks und die der Gartendenkmalpflege in der DDR parallel und nahezu alle in diesem Arbeitsfeld tätigen, national anerkannten Fachleute waren auch in Branitz aktiv. Zu nennen sind Namen wie Dieter Hennebo (1923–2007), Hermann Schüttauf (1890–1967), Detlef Karg (*1945) oder Helmut Rippl (1925–2022). Die bei der praktischen Parkarbeit gewonnenen Erfahrungen flossen zudem in den Entwicklungsprozess der Methodik der Gartendenkmalpflege in der DDR ein. Dies alles verdeutlicht den hohen Stellenwert, der der Anlage für die Geschichte der Gartenkunst beigemessen wurde. Diese Anerkennung fand in der Mitte der 1980er Jahre ihren Höhepunkt, als durch die Zusammenführung von Park und Schloss Branitz im Bezirksmuseum Cottbus und die ‚Pücklerehrung‘ die nach 1945 verloren gegangene, alte Einheit des Gesamtensembles unter Einbeziehung ihres Schöpfers, des anlässlich seines 200. Geburtstages staatlich legitimierten und rehabilitierten Fürsten Pückler, wiederhergestellt wurde. Diese Wertschätzung von Branitz darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mangelwirtschaft der DDR zu einer unzureichenden Ausstattung von Park und Schloss Branitz sowie deren Energiepolitik durch den in weiten Teilen des Außenparks geplanten Braunkohlenabbau zu einer existenziellen Bedrohung der Anlage geführt hatten. So ist am Beispiel Branitz nicht nur die Geschichte der Gartendenkmalpflege, sondern auch die Geschichte der DDR und ihres Machtapparates selbst ablesbar, mitsamt ihrer bis in die Museumsarbeit hineinwirkenden, politischen Einflussnahme. Die Defizite der Vergangenheit konnten nach dem Fall der Berliner Mauer durch die materiellen und bautechnischen Möglichkeiten, die Förderprogramme der BRD sowie die unbeschränkt auf die Person Fürst Pückler möglich gewordene inhaltliche Arbeit überwunden werden. Dabei behielt die gartendenkmalpflegerische Methodik ihre Gültigkeit, wohingegen in der Baudenkmalpflege mit der thematischen Schwerpunktsetzung auf die Fürst-Pückler-Zeit ein Richtungswechsel vollzogen wurde, der u.a. den Rückbau der in den Jahren der DDR vorgenommenen Veränderungen mit sich brachte. Durch die Weiterbeschäftigung wichtiger Personen war eine kontinuierliche Betreuung der weitreichenden Maßnahmen nach der Deutschen Wiedervereinigung sichergestellt. Besonders zu erwähnen ist dabei Siegfried Neumann (1929–2020), der als langjähriger Direktor zwar 1991 unfreiwillig seine Position aufgeben musste, als wissenschaftlicher Mitarbeiter aber weiterhin wichtige Grundlagenarbeit leistete. Weitreichende strukturelle Änderungen und die inhaltliche Neuausrichtung unter dem neuen Direktor Berthold Ettrich (1956–2006) ebneten schließlich den Weg zur rechtlich unselbständigen, kommunalen „Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz“ zum Jahresbeginn 1995. Diese nahm sich die Intensivierung der Erforschung, Bewahrung und Vermittlung von Park und Schloss Branitz unter dem von der Stadt Cottbus sowie durch das Land und den Bund geförderten Pücklerthema zum Ziel. Dabei galt es auch Eigentumsfragen zu sichern, insbesondere gegenüber der Erbengemeinschaft der Grafen Pückler. Deren Sprecher Hermann Graf von Pückler (1939–2017) kehrte mit seiner Familie nach 1990 im Nebenwohnsitz nach Branitz zurück und stellte weitreichende Restitutionsansprüche am 1945 enteigneten Besitz, die ihren Teilerfolg in der Rückgabe des mobilen Vermögens fanden. Durch die Wiederherstellung des zur DDR-Zeit eingeebneten Erbbegräbnisses und der inzwischen verankerten Mitarbeit im Stiftungsrat der Branitzer Stiftung mit Sitz und Stimme fand zusätzlich so etwas wie eine ‚Versöhnung‘ zwischen der gräflichen Familie und der öffentlichen Hand statt. Die vorliegende Arbeit beschreibt eine facettenreiche, bei Weitem nicht auf Hermann Fürst von Pückler-Muskau und sein Wirken allein zu reduzierende Geschichte von Park und Schloss Branitz. Zahlreichen Sachzeugen aus nachfolgender Zeit kann innerhalb des Denkmalbestandes längst der Rang schützenswerter Dokumente für geschichtliche Ereignisse und vollzogene Paradigmenwechsel zugesprochen werden. Auch diese sind, wie z.B. das nach 1945 auf dem Gutshof errichtete Neubauernhaus, bei genauerem Hinsehen für den Wert und das ‚Bild‘ der Anlage mittlerweile prägend und unverzichtbar geworden.