12.10.2017
Ehrenkolloquium zum 85. Geburtstag von Prof. Dr. Siegfried Sommer
(Pressebeitrag von M. Köhler:)
Die Pflanze ist der Baustoff der Landschaftsarchitektur
Ehrenkolloquium zum 85. Geburtstag von Prof. em. Siegfried Sommer
Studentengenerationen berichten übereinstimmend über eine der gefürchtetsten Prüfungen ihrer Laufbahn, nämlich wenn Dr. Sommer (kurz „DoSo“) mitten im Winter ihnen einen besenartigen Reisigbündel vorlegte und zur Bestimmung der Gehölze aufforderte. Übereinstimmend berichten jedoch auch alle, dass dies die beste und effizienteste Methode war den ‚Werkstoff Pflanze‘ kennenzulernen. Als Pädagoge, Gärtner, Dendrologe, Landschaftsarchitekt, Naturschützer, Fachschriftsteller usw. war es für ihn stets ein Anliegen, Wissen, Erkenntnis und Kompetenzen in gleichem Maße zu vermitteln und abzufragen. Dass das Lernen von Pflanzen nicht leicht, ja vielleicht sogar auch leidvoll ist, hinderte ihn nicht daran, zu postulieren, dass daraus auch eine Leidenschaft, nämlich die fürs Fach, entstehen sollte.
Siegfried Sommer meinte es ernst, da es ihm gegönnt war, zunächst eher teilhabend, später jedoch aktiv in der Ausgestaltung des Faches Landschaftsarchitektur mitwirken zu dürfen.
Der erste universitäre Lehrstuhl für dieses Fach wurde vom Charlottenburger Stadtgartendirektor Erwin Barth eingenommen, dem nach dessen Freitod 1933 der nationalsozialistische Karrierist Heinrich Wiepking-Jürgensmann folgte. Im Nachkriegsdeutschland wird seine Position durch den unbelasteten und kenntnisreichen Georg B. Pniower besetzt. Sommer – der seine gärtnerische Grundausbildung bei dem vor allem durch seine überaus geschickten pflanzenkünstlerischen Fähigkeiten bekannten Hans Felix Kammeyer in Pillnitz bekam - nimmt bei Pniower an der HU Berlin sein Studium auf. In erstaunlich enger und zuweilen sogar dramatischer Verzahnung erlebt Sommer, wie die Westalliierten einen neuen Studiengang etablieren, erlebt den Tod Pniowers 1960 und den Bau der Mauer. Als Assistent (und späterer Oberassistent) nimmt er unter Reinhold Lingner – dem Nachfolger Pniowers und einer der bedeutendsten Landschafts- und Gartengestalter der DDR – an einer akademischen Diskussion teil, ob das Studium zukünftig agrarisch-gartenbaulich oder gartenkünstlerisch-architektonisch ausgerichtet werden soll. Als Lingner 1968 stirbt und im gleichen Jahr Professor Werner Bauch, der seit 1955 an der Architekturfakultät der TU Dresden Gartengestaltung lehrt, in den Ruhestand geht, entscheidet man nach einer langwierigen (und anhand der Materialien im TU-Archiv nachvollziehbaren) Diskussion, die Ausbildung von Berlin aus an die TU Dresden zu ziehen, da hier den gesellschaftlichen und akademischen Erfordernissen besser Rechnung getragen werden könne. Es entsteht ein Curriculum, das – abgesehen von ideologischen Fächern - bis heute als mustergültig zu bezeichnen ist und bislang nicht übertroffen wurde: Im Mittelpunkt steht nicht Spezialistentum, sondern Universalität.
In dieser Struktur spielt auch die geplante Professur für Pflanzenverwendung eine besondere Rolle. Sommer, der aufgrund seiner christlichen Lebenseinstellung diese Aufgaben als Oberassistent erfüllen muss, ereilt erst 1992 der Ruf.
Landschaftsarchitektur ist für Siegfried Sommer in erster Linie eben kein Universitätsfach, sondern Berufung. Warum Generationen von Studierenden sensend und sichelnd die naturgeschützten Wiesen in Oelsen sich erschlossen oder in praktischen Parkseminaren (heute würde man von Workshops sprechen), historische Gartenanlagen pflegten und wiederherstellten, war für ihn Kultur- und Lehrverpflichtung in einem. In den schwierigen Zeiten der Wende hat er es verstanden, als Integrationsfigur zu wirken. Seine zahlreiche ehrenamtlichen Tätigkeiten im Freundeskreis des Botanischen Gartens Dresden, in der Fachgruppe Botanik und Gartenkultur im Landesverein Sächsischer Heimatschutz, in der Deutschen Rhododendron-Gesellschaft oder auch der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft belegen sein überdurchschnittliches Engagement, das ihn auch heute noch zu einem gefragten und kenntnisreichen Berater macht. Seine Gehölzkartierungen, die er vor Jahrzehnten mit Studierenden durchführte, sind auch heute noch wesentliche Arbeitsgrundlagen, wie auch seine Publikationen über Pflanzen am Arbeitsplatz, die Außenanlagen der TU oder Pniower immer noch Anregung bieten. Zur Verabschiedung aus der aktiven Berufstätigkeit schenkten 1997 die deutschen Rhododendronfreunde dem Jubilar nicht zufällig die die Neuzüchtung „Siegfried Sommer“.
Am 2. August 2017 fand zu Ehren des 85. Geburtstages Sommers ein akademisches Kolloquium statt. Es wurde von den Lehrgebieten des Instituts für Landschaftsarchitektur ausgerichtet, die ehemalige Schüler und Weggefährten Sommers einluden, einen Fachbeitrag zu leisten, wie etwa den ehemaligen Gartendirektor der Bayrischen Schlösserverwaltung, Rainer Herzog, die Hamburger Professorin für Landschaftsarchitektur, Christiane Sörensen oder den Präsidenten des BDLA, Till Rehwaldt. Wie der Prorektor für Bildung und Internationales Prof. Dr. rer. nat. habil. Hans Georg Krauthäuser sagte, ist Sommer eine Integrationsfigur, die nicht nur die Qualitäten der ‚alten‘ Universität darstellte, sondern sie auch in den 1990er Jahren zukunftsfähig gemacht hat. Der Tag diente insofern nicht nur dem Auffrischen des Vergangenen, sondern auch als Standortdefinition des Faches heute.