SoSe 22 I International Student Project
The Future of Strahov Hill
In jedem Land gibt es Bauten, die gesellschaftspolitische Veränderungen über Jahrzehnte dokumentieren und in den Phasen ihrer Entstehung, Erweiterung und Veränderungen fundamentale und oft widersprüchliche historische Prozesse und Wertvorstellungen repräsentieren. Diese Bedeutung hat für die tschechische Republik das Gebäudeensemble auf dem Strahov-Hügel, darunter vor allem das Strahov-Stadion. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Sportstätten, die in den 1920er und 1940er Jahren vom tschechischen Turnerbund „Sokol" für die Massenveranstaltungen bei den All-Sokol-Festen errichtet wurden. Da „Sokol" unter seinen Mitgliedern bewusst einen patriotischen Geist und demokratische Werte pflegte, wurde der Verein sowohl von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs als auch später von den Kommunisten verboten. In den 1960er Jahren wurde die Popularität der gemeinsamen körperlichen Ertüchtigung im Rahmen von so genannten landesweiten "Spartakiaden" weitergeführt. In diesem Zusammenhang wurden die Stadien ausgebaut und um Wohnheime ergänzt.
Das Areal liegt auf dem Gipfel des Petrín, einem der weiterhin grün geprägten drei Hügel, auf die man von der Prager Altstadt schaut. Der gesamte Sportkomplex einschließlich der Studentenwohnheime orientiert sich an einer zentralen Achse, die von wichtigen Denkmälern der tschechischen Geschichte bestimmt wird: dem Schlachtfeld der Schlacht von Bílá Hora und dem Nationaltheater in Národní trída. Der Žižkov-Turm steht heute in Verlängerung dieser Achse. Im Bereich der östlich gelegenen Wohnheime grenzt das Gebiet direkt an den Weltkulturerbebereich der Stadt Prag, im Nordosten ist es von der barocken Bastionsbefestigung geprägt. Nach Westen setzt sich das Gebiet durch den Ladronka-Park fort, der viele sportliche Aktivitäten ermöglicht.
Das Strahov-Stadion gilt als das größte Sportstadion der Welt. Sein Inneres misst 200 x 340 Meter und bot bis zu 10.000 Athlet:innen und 250.000 Zuschauer:inen Platz. Die Dimensionen ließen es nie zu, normale Sportveranstaltungen oder Turniere durchzuführen. Aus diesem Grund verlor das Stadion nach 1989 seine Nutzung. In den 1990er Jahren wurde zwar versucht, es für große Messen und Ausstellungen zu nutzen, die sanierungsbedürftige Struktur mit unzureichender Ausstattung konnte jedoch nicht mit dem neu errichteten Messegelände in Letnany konkurrieren.
Zur Zeit wird das Strahov-Stadion vom Fußballverein Sparta Prag gepachtet, der hier bis 2030 acht Trainingsplätze und ein Nebengebäude betreibt. In der Osttribüne befindet sich ein öffentlich zugängliches Schwimmbad. Die monumentale Architektur wurde von vielen einflussreichen tschechischen Architekt:innen der Zwischen- und Nachkriegszeit geprägt. Gestalterische und konstruktive Qualitäten sind trotz des maroden Zustands noch immer spürbar.
Seit 2003 ist das Strahov-Stadion (oder auch Masaryk-Stadion) als Baudenkmal eingetragen. Schutzgegenstand sind die historischen Tribünen (nicht der westliche Anbau aus den 1980er Jahren) und die Freisportfläche des Stadions.
Aufgabenstellung und Ablauf
Das Strahov Stadion und sein Umfeld waren schon Gegenstand zahlreicher Planungen und eines Ideenwettbewerbs im Jahr 2008. Bisher konnte sich aber kein Konzept durchsetzen. Ziel des Entwurfsprojektes an der TU Dresden – welches parallel auch an der TU Prag, der TU Delft, der TU Krakau und an der ENSA Strasbourg bearbeitet wurde - war es, Möglichkeiten und Ansätze für die zukünftige Nutzung des Stadions und die städtebauliche und freiraumplanerische Entwicklung des Gesamtareals zu formulieren. Vorgaben für das zukünftige Maß der baulichen Nutzung wurden bewusst nicht gemacht, um die Entstehung ganz unterschiedlicher Konzepte zu fördern.
Es wurden aber folgende Eckpunkte formuliert:
• Der Entwurf muss den Standort im Bezug zur ganzen Stadt berücksichtigen.
• Der Strahov Hügel ist eine freiräumliche und topografische Situation mit spiritueller Dimension – die „Prager Akropolis“.
• Das Gebiet soll den Funktionen Bildung, Forschung (z. B. Campus der CVUT Prag), Sport, Erholung und Kultur dienen und das studentisches Wohnen erhalten.
• Es ist wichtig, das Programm und die Inhalte für das Strahov-Stadion als Schlüssel für das Gesamtareal zu nutzen und die Anforderungen des Denkmalschutzes zu überprüfen.
• Die Konzepte sollte die „Durchlässigkeit“ des Stadions überprüfen.
Der Einstieg in den Entwurf erfolgte im Rahmen eines fünftägigen Workshops vor Ort, der von den Kolleg:innen der TU Prag organsiert wurde.
Dokumentation des internationalen Workshops
Zurück in Dresden konnten die Studierenden der Landschaftsarchitektur - betreut von Prof. Irene Lohaus und Claudia Scheffel - und der Architektur ihre Teampartner:in frei wählen und selbst entscheiden, in wie weit sie ihren Ansatz vom Workshop oder aber ein anderes Konzept im Rahmen des Semesterentwurfes weiterverfolgen wollten. In mehreren Teams arbeiteten Student:innen aus beiden Disziplinen an einem Entwurf. An der Abschlusspräsentation am 4. August 2022 nahmen die Kolleg:innen Jana Zdráhalová und Jiří Klokočka von der TU Prag teil.
Entstanden sind - in Bezug auf den Umgang mit dem Stadion, aber auch der räumlichen Strukturen und programmatischen Schwerpunkte - vielfältige Entwürfe, die einen wertvollen Beitrag zur Diskussion um die Zukunft des Areals bieten.
Angela Mensing-de Jong, Gudrun Deppe und Simon Korn
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COOPERATIVE STRAHOV
Oliwia Fila und Natalia Ordonez Corredor mit Patricai Werner (LA) und Anton Wunderlich (LA)
THE HEART OF STRAHOV HILL
Ruiqi Wang und Yiqi Xu
CAMPUS STRAHOV
Sophie Niederkrüger und Niklas von Werder mit Emely Linke (LA)
PRODUCTIVE QUARTER STRAHOV
Marija Beloglazova und Betül Bili
StraH₂Ov
Larissa Häschel und Lydia Johannemann
SPIELFELD STRAHOV
Ludwig Fries und Anna Zipp
ANIMAL CROSSING
Paula Kühn und Anne Rößger mit Theodor Palmer (LA)