Werkstoffwahl im Stahlbrückenbau
Bearbeitung: Frau Dr.-Ing. habil. Natalie Stranghöner
Habilitation: 2006
Kurzfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung der Konzepte zur Werkstoffwahl zur Vermeidung von Sprödbruch im Stahlbau erläutert und aufgezeigt, wie die Stahlgütewahl mit modernen Konzepte durchzuführen ist.
Aufbauend auf der historischen Entwicklung der Stahlgütewahl wird mit einem kurzen Rückblick auf die Entstehung des Eisenbrückenbaus begonnen, bei dem deutlich wird, dass von Beginn an die Sprödigkeit des Materials ein wichtiges Thema bei den Konstrukteuren war. Mit der stetigen Weiterentwicklung der Stahlherstellung und der Umstellung der Nietung von Brücken auf Schweißung kam es in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu schweren Sprödbruch-Unfällen, die den Start zur Entwicklung von Stahlgütewahl-Konzepte gaben. Im Speziellen werden in diesem Zusammenhang die empirischen Konzepte von Klöppel und Bierett erläutert, auf denen die Stahlgütewahl in den nationalen Normen und Richtlinien bis vor kurzem immer noch beruhte. Die Hintergründe dieser Konzepte werden dargelegt. Weiterhin werden die ersten Überlegungen zur Entwicklung eines Übergangs-Temperatur-Konzeptes nach Rühl vorgestellt.
Daran schließt sich die Vorstellung des europäischen Sprödbruchkonzeptes an. Im Rahmen der europäischen Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Regelwerke sind drei aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen des europäischen Sprödbruchkonzeptes zu verzeichnen. Der Anhang C DIN V ENV 1993-1-1:1993-04, der Anhang C der ENV 1993-2:1997 und die prEN 1993-1-10:2003-09. Auf alle drei Konzepte wird detailliert eingegangen.
Es wird verdeutlicht, wie die europäische Methode zur Sprödbruchbemessung sowohl an Prüfergebnisse mit Großproben als auch an bisherige internationale, normative Regelungen und Erfahrungen angepasst wurde, um als zuverlässiges Berechnungsverfahren zu dienen.
Auf nationaler Ebene wurde die DASt-Ri 009:1973-04 zunächst auf Basis des Anhangs C der ENV 1993-2:1997 überarbeitet und als Entwurf der DASt-Ri 009:1998-09 veröffentlicht. Hierauf und auf den letzten Entwurf der DASt-Ri 099:2004-04, der an die prEN 1993-1-10:2003-09 angepasst wurde, wird ebenfalls eingegangen.
Da der Aufschweißbiegeversuch als Kriterium der Schweißeignung nur nationale Bedeutung hat und europäisch nicht zu vereinheitlichen ist, werde Wege aufgezeigt, wie die Aussagekraft des Aufschweißbiegeversuches durch ein adäquates Prüfverfahren zu ersetzen ist. Hierbei werden mögliche Korrelationen des Aufschweißbiegeversuches als Hochlagenkriterium zum einen mit dem Kerbschlagbiegeversuch im Tieflagenbereich und zum anderen mit den Werkzeugen des neu entwickelten europäischen Sprödbruchkonzeptes beschrieben. Grundlage dieser Ausführungen sind erste Pilotuntersuchungen am Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen aus den Jahren 1995/1996 und ein Forschungsvorhaben gefördert durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, das durch eine Ringuntersuchung von Mitgliedswerken des VDEh-Stahlinstitutes ergänzt wurde.