Sep 09, 2016
Gaia-Mission der ESA: TUD-Forscher sind bei der Bestimmung der Weltraum-Positionen von etwa einer Milliarde Sternen dabei
Am 14. September werden erste Daten dieser Weltraum-Mission veröffentlicht
Auf diesen Tag hat die Welt der Astronomie, ja die Welt der Wissenschaft überhaupt gewartet!
Am 14. September 2016 wird die bahnbrechende Gaia-Mission der ESA die ersten Daten veröffentlichen. „In der gesamten Astronomie wird das Ereignis als revolutionär angesehen“, hebt Prof. Sergei Klioner, Professur für Astronomie der TU Dresden, hervor.
Das Lohrmann-Observatorium der TU Dresden beteiligt sich an diesem Gaia-Projekt seit 16 Jahren und spielt im Projekt eine wichtige Rolle.
Gaia ist eine Raummission, deren Hauptziel es ist, Positionen von etwa einer Milliarde Sternen im Weltraum zu bestimmen. „Die große Menge an vermessenen Objekten und die hohe Messgenauigkeit von einigen Mikrobogensekunden sind dabei besondere Herausforderungen, deren Bewältigung bisher einmalig ist“, so Professor Klioner. Und er veranschaulicht diese Präzision: „Ein Winkel von einer Mikrobogensekunde entspricht ungefähr der Dicke eines Blattes Papier, wenn man das Blatt von der anderen Seite der Erde aus – also aus einer Distanz von etwa 12.000 km – betrachtet.“ Diese Genauigkeit mache es möglich, winzigste Bewegungen der Himmelsobjekte zu vermessen und dadurch auch die Entfernungen zu berechnen. Entfernungsbestimmung ist eines der wichtigsten und schwierigsten Probleme in der Astronomie. Erst wenn die Entfernung zu einem Objekt bekannt ist, lassen sich dessen physikalische Eigenschaften vollständig bestimmen.
Gaia wurde von der ESA am 19. Dezember 2013 gestartet und soll mindestens 5,5 Jahre im All arbeiten. Der Satellit arbeitet vollautomatisch und bewegt sich auf einer speziellen Bahn etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, wo die Beobachtungsbedingungen nahezu ideal sind. Die Daten werden mit der größten je ins All geschickten CCD-Kamera von 1000 Megapixel gesammelt, komprimiert und an die Erde geschickt. Die Datenverarbeitung wird in mehreren europäischen Forschungseinrichtungen durchgeführt.
„Die astrometrische Lösung, welche die Positionen, Geschwindigkeiten und Entfernungen der Objekte liefert, ist eine der größten Berechnungen in der Geschichte der Astronomie. Etwa zehn Milliarden Parameter sollen aus einer Billion Beobachtungen bestimmt werden“, so Klioner.
Insgesamt arbeiten für Gaia europaweit mehrere Hundert Wissenschaftler, die im Gaia-DPAC (Data Processing and Analysis Consortium) organisiert sind. Der Arbeitsaufwand des gesamten Projekts wird Klioner zufolge mit 4000 Personenjahren abgeschätzt.
Nun also werden die ersten Ergebnisse, das sogenannte „Gaia Data Release 1“ am 14. September 2016 veröffentlicht.
Diese Ergebnisse basieren auf nur 14 Monaten der Beobachtungszeit und bestehen aus Himmelspositionen und Helligkeiten von ca. einer Milliarde Sternen. Für zwei Millionen Sterne, die schon vor etwa 25 Jahren durch eine andere ESA Mission „Hipparcos“ beobachtet wurden, werden die ersten vollständigen Lösungen (darunter auch die Entfernungen) veröffentlicht.
Prof. Sergei Klioner arbeitet im Gaia-Projekt seit 2000 mit. Seit 2007 ist er Mitglied des siebenköpfigen wissenschaftlichen Gaia-Leitungsteams (Gaia Science Team).
Seit 2006 wird eine Gaia-Gruppe im Lohrmann-Observatorium von DLR, DFG und ESA finanziert. Das Gaia-Team an der TU Dresden ist ein Teil der internationalen Gruppe, welche die astrometrische Lösung definiert und berechnet.
Diese Dresdner Wissenschaftler sind speziell für die Untersuchung und Beseitigung systematischer Fehler in der Lösung verantwortlich. „Darüber hinaus“, so Prof. Klioner, „sind wir für relativistische Modellierung der Gaia-Beobachtungen, Definition und Durchführung der Tests fundamentaler physikalischer Gesetze mit Gaia-Daten als auch für die Synchronisation und kontinuierliche Überwachung der Atomuhr des Gaia-Satelliten verantwortlich.“
Außerdem werden seit etwa einem Jahr durch die Dresdner Gaia-Gruppe spezielle Versionen der astrometrischen Lösung für Gaia berechnet. Sergei Klioner: „Sehr wichtig ist für uns dabei die Rechenzeit, die uns auf dem neuen Hochleistungsrechner der TUD durch das ZIH zu Verfügung gestellt wurde. Diese Lösungen waren und sind unabdingbar für die eingehende Untersuchung der Ergebnisse und haben die Qualität der astrometrischen Lösung von Gaia entscheidend verbessert.“
15. September 2016: Öffentlicher Vortrag und extra Ausstellung zu Gaia
Am 15. September 2016 (17 Uhr) findet ein öffentlicher Vortrag zur ersten Datenveröffentlichung der ESA Mission Gaia im Andreas-Pfitzmann-Bau E023 (Fakultät für Informatik, Nöthnitzer Str. 46) statt.
Prof. Sergei Klioner, TU Dresden, ist Mitglied des Leitungskomitees der Mission und wird einen Überblick über die Mission und die jetzt veröffentlichten Daten geben. Der Vortrag richtet sich allgemein an naturwissenschaftlich interessiertes Publikum und umfasst folgende Themen:
- Was ist Astrometrie?
- Die Gaia Mission, der Satellit und sein Messprinzip
- Die Herausforderung der Datenverarbeitung
- Bedeutung für die Astronomie und Astrophysik
- Überblick ausgewählter Anwendungen
- Die Dresdner Beteiligung
Bereits ab 16 Uhr haben die Besucher die Möglichkeit, im gleichen Raum eine Ausstellung zum Thema Gaia zu besichtigen und mit dem Gaia Team der TU Dresden zu sprechen.
Informationen für Journalisten:
Prof. Sergei Klioner
TU Dresden
Professur für Astronomie
Tel.: +49 (0) 351 463-32821
Webadresse von Gaia: http://www.cosmos.esa.int/web/gaia
Weitere Presseartikel: http://sci.esa.int/gaia/52885-outreach-resources/
Veröffentlichung der ersten Daten der ESA-Mission Gaia siehe:
http://sci.esa.int/gaia/58042-mark-your-calendar-gaia-data-release-set-for-14-september/