13.08.2019
Grenzland – Grenzenlos? Städtebauliche Zusammenarbeit am Green Belt des ehemaligen Eisernen Vorhangs
Nur durch die Deutsch-tschechische Grenze getrennt, liegen die beiden Städte Selb in Bayern und Aš in Tschechien wie zwei Puzzlestücke exakt nebeneinander. Die beiden Städte, die 2023 die bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen austragen, intensivieren aktuell ihre Partnerschaft durch eine grenzüberschreitende Kooperation. Ziel ist es, gemeinsam und besser abgestimmt Konzepte für die Entwicklung der Region zu erarbeiten. Daran ist auch die Professur für Städtebau der TU Dresden zusammen mit der TUD-Partneruniversität TU Delft, sowie den europäischen Universitäten Chalmers Göteborg, ČVUT Prag, der TU Krakau und ENSAS Strasbourg, beteiligt. Die Partnerstädte erhoffen sich davon unter anderem, die Attraktivität für Investitionen, für den Tourismus und die Ansiedlung von Start-ups zu steigern. Mit Stadtplanungsamtsleitern und den Bürgermeistern entwickeln Studierende und Dozenten im Sommersemester 2019 Entwürfe für ein gesamtheitliches Konzept der Deutsch-tschechischen Region Selb-Aš. Die Projekte wurden Mitte August in Dresden öffentlich vor Vertretern beider Städte, der TU Delft und der CVUT Prag vorgestellt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die zwei Städte – Aš war bis 1945 noch eine deutsche Stadt (Asch) in Nordwestböhmen – unterschiedlich weiterentwickelt. Dazu beigetragen haben unter anderem die Aussiedlung deutscher Bewohner 1946 und der Wegfall der Textilindustrie in dieser Region. Viele Industriegebäude auf der tschechischen Seite sind durch Leerstand verfallen. Professurinhaberin Prof. Angela Mensing-de Jong habe selten eine Stadt erlebt, in der die historische Stadtansicht im Vergleich zu der heutigen so extrem auseinanderliegt. Deshalb sei auch die Frage der Stadtidentität eine große Herausforderung. Selb war bis in das 20. Jahrhundert hinein eine bedeutende Industriestadt für die Porzellanproduktion von Tafel- und Luxusgeschirr, heute haben sich vor allem der Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilzulieferindustrie und die Kunststoffverarbeitung etabliert.
Im März 2019 entwickelten über 30 Studierende und acht Dozenten der sechs beteiligten Universitäten städtebauliche Konzepte auf unterschiedlichen Maßstabsebenen, z. B. zur Verbesserung der Erreichbarkeit zwischen den Städten und für eine touristische Infrastruktur. Die Bahnhöfe wurden dabei als verbindendes Thema näher betrachtet. Für sie wird jeweils eine neue Nutzung gesucht. Auch die Grünvernetzung im Gebiet der beiden Städte und ihre dauerhafte Belebung wurde thematisiert, zum Beispiel durch das Anlegen von Rad- und Wanderwegen inklusive einer gemeinsamen Wanderkarte. Die Teilnehmenden sammelten überdies Ideen für die Ansiedlung und Unterstützung von Unternehmen in der Region. Der Leerstand ehemaliger Textilfabriken in Aš birgt ein großes Potenzial für eine mögliche Start-Up-Szene, da die Mieten gering ausfallen würden.
Auch innerhalb der Gruppe der Studierenden aus acht Ländern zeigte sich, dass grenzenlos sehr gut zusammengearbeitet werden kann. „Es entstehen gerade durch die Mischung unterschiedlicher Erfahrungen und Kulturen in den Teams besonders spannende Ideen – selbst in wenigen Tagen“, so Mensing-de Jong.
An der TU Dresden wird das Thema „Grenzüberschreitende Kooperationen“ auch in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt an der Professur für Städtebau bleiben. Der nächste internationale Workshop ist für das Frühjahr 2020 in der Euroregion Strasbourg geplant.
Informationen für Journalisten:
Prof. Dipl.-Ing. Angela Mensing-de Jong
Tel. +49 351 463- 36318