15.03.2021
„Sehe spannende Anknüpfungspunkte und Anwendungsfelder“
Prof. Dr. Pascal Kerschke leitet neue Professur für „Big Data Analytics in Transportation“ am Institut für Wirtschaft und Verkehr
Es gibt ein neues Gesicht unter der Professor:innenschaft der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“. Prof. Dr. Pascal Kerschke (34) leitet seit dem 15. März 2021, die neue Professur für Big Data Analytics in Transportation am Institut für Wirtschaft und Verkehr.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakultät heißen ihn herzlich willkommen und wünschen ihm einen guten Start.
Kurz vor seinem Wechsel von Münster nach Dresden entstand ein Interview mit ihm zu seinen Beweggründen für die Bewerbung, seinen Forschungsschwerpunkten und Zielen als neu berufener Professor.
Herr Prof. Kerschke, als Sie die Ausschreibung für die Professur gelesen haben, wussten Sie da sofort: Das ist meine Stelle?
Prof. Kerschke: Die Ausrichtung der Professur sprach mich direkt an, da sie vor allem methodisch sehr gut zu meinem Profil passte. Dennoch musste ich erst einmal in mich gehen, um die Verbindung zwischen Big Data Analytics und den Verkehrswissenschaften herzustellen. Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto attraktiver und spannender wurde die Stelle für mich.
Wo sahen Sie Anknüpfungspunkte zu Ihrer bisherigen Forschung?
Prof. Kerschke: Die Fakultät strebt in verschiedenen Bereichen – wie Mobilität, Transport oder Logistik – verstärkt in Richtung Big Data und KI. Gleiches gilt für übergreifende Forschungsvorhaben im Kontext von autonomem und vernetztem Fahren oder Smart Cities. Hier sehe ich vielfältige Möglichkeiten, um gemeinsam mit anderen Professuren am Institut und an der Fakultät, sowohl methodisch als auch anwendungsorientiert einen echten Mehrwert zu generieren. Die Lösung aktueller und zukünftiger verkehrswirtschaftlicher Fragen hängt mehr und mehr mit meinen Forschungsschwerpunkten Data Science, Machine Learning, Data Analytics oder (mehrkriterielle) Optimierung zusammen.
Wie unterscheidet sich das zu Ihren bisherigen Tätigkeiten?
Prof. Kerschke: Bisher war meine Forschung sehr stark methodisch ausgerichtet. Ein Schwerpunkt war/ist das Thema Optimierung. Hier interessiert mich insbesondere die Verbesserung (Effizienzsteigerung) der Optimierungsverfahren selbst, sowie die Charakterisierung der zugrundeliegenden Probleme, da sich hieraus ein besseres Problemverständnis ergibt. Dabei bediene ich mich stets an verschiedenen Methoden aus der (statistischen) Datenanalyse und dem (automatisierten) maschinellen Lernen. Leider war es recht schwierig, Praxispartner für Projekte zu gewinnen, da viele Unternehmen ihre Daten nicht zur Verfügung stellen wollen – schon gar nicht, wenn diese im Nachgang im Rahmen einer Publikation veröffentlicht werden sollen.
Sie erwähnten bereits Ihre angestrebte Zusammenarbeit mit anderen Forschenden in Dresden. Inwiefern gab die hiesige Forschungslandschaft Ausschlag für Ihre Bewerbung?
Prof. Kerschke: Da kommt für mich viel Positives zusammen: Die TU Dresden bietet für Wissenschaftler:innen ein tolles Umfeld, dazu der Status der Exzellenzuniversität, das Netzwerk um Dresden-concept, das Kompetenzzentrum ScaDS.AI oder das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen der TUD, um nur einige zu nennen. Ich bin sehr gespannt, was sich daraus für meine Forschung und Arbeit ergibt.
Neben der Forschung wird auch die Lehre ein wichtiger Bereich sein. Was möchten Sie Ihren Studierenden vermitteln?
Prof. Kerschke: Ich möchte ihnen gern ein erstes Gefühl für Daten und eine Herangehensweise zur Arbeit mit Daten vermitteln. Wo bekomme ich Daten her? Was mache ich mit Ihnen, wenn ich sie habe? Wie kann ich sie sinnvoll und gewinnbringend weiterverarbeiten? Sehr hilfreich sind dabei bereits einfache und übersichtliche Visualisierungen, ergänzt um verschiedene Methoden und Verfahren aus Informatik und Statistik. Außerdem möchte ich versuchen, die oftmals vorhandene Scheu vor diesen Themen zu nehmen. Erfahrungsgemäß ist die Verwendung und Interpretation dieser Methoden in vielen Fällen deutlich einfacher, als es zunächst erscheint. Natürlich nutze ich persönlich diese Verfahren auch regelmäßig in meinen eigenen Projekten. Sie helfen mir dabei, eventuell vorhandene Muster in den vorliegenden Daten zu erkennen, gezielt Informationen daraus zu gewinnen und die Plausibilität meiner Modelle und Ergebnisse zu überprüfen.
Also heißt es bei Ihnen: Keine Angst vor Big Data?
Prof. Kerschke: Richtig. Durch (interaktive) Übungsaufgaben und konkrete spannende Anwendungsfelder aus der Praxis und späteren Berufsfeldern möchte ich die Studierenden abholen, Grundlagen schaffen und zum aktiven Denken anregen. Ich kann mir auch alternative Lehrformate vorstellen wie einen Hackathon an der Fakultät oder ein „Big Data Analytics-Skilager“ – tagsüber Ski fahren und abends Referate und spannende Diskussion. Das gab es an der Uni Münster und kam sehr gut an.
Die noch stärkere internationale Vernetzung ist ein Schwerpunkt in der 2020 verabschiedeten Fakultätsstrategie. Sie selbst waren bereits als Schüler und Student im Ausland. Wo bringen Sie sich als Wissenschaftler international ein?
Prof. Kerschke: Internationale Netzwerke und Konferenzen sind in meinem Bereich wichtige Plattformen zum Austausch von Ideen und zur Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse. Das nutze ich wo immer möglich. So bin ich u. a. Beiratsmitglied des internationalen Forschungsnetzwerks COSEAL, das sich speziell mit der (automatisierten) Auswahl und Konfiguration von Algorithmen befasst. Zudem unterstütze ich die CLAIRE-Initiative, dessen Ziel die Förderung europäischer Exzellenz in allen Bereichen der KI ist.
Sie wechseln nicht nur den Arbeits-, sondern auch den Wohnort. Hatten Sie zuvor Verbindungen nach Dresden und zur TUD?
Prof. Kerschke: Wenige. Etliche ehemalige Mitschüler:innen, sowie ein paar Freunde von früher sind nach Dresden zum Studieren gegangen. Da war ich zwei-/dreimal zu Besuch. Das letzte Mal ist aber schon einige Jahre her. Ich freue mich darauf, die Stadt und Sachsen auch abseits der Wissenschaftslandschaft zu erkunden. Für meine Hobbys Rad fahren und Wandern gibt es hier – habe ich gehört – tolle Möglichkeiten.
Zur Person:
Pascal Kerschke ist in Frankfurt (Oder) aufgewachsen. Nach dem Abitur, inklusive eines High School-Jahres in Kalifornien, absolvierte er zwischen 2007 und 2013 erst das Bachelorstudium in Datenanalyse und -management (BSc.) und anschließend den Master in Datenwissenschaft (MSc.) – beides an der Fakultät Statistik der TU Dortmund. Ein Erasmus-Semester verbrachte er in Bergen (Norwegen).
Es folgte das Promotionsstudium in Wirtschaftsinformatik (Dr. rer. pol.) in Verbindung mit einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Er ist Träger des WWU Dissertationspreises 2018. Seit November 2017 leitete er die Forschungsgruppe Maschinelles Lernen und Data Science am dortigen Lehrstuhl für Statistik und Optimierung (ehemals Wirtschaftsinformatik und Statistik). Während seiner Zeit in Münster verbrachte er zudem mehrwöchige Forschungsaufenthalte bei renommierten internationalen Wissenschaftler:innen in Adelaide (Australien), Mexiko-City (Mexiko), Rio de Janeiro (Brasilien) und Vancouver (Kanada).
Seine Forschungsschwerpunkte:
- Data Science
- Exploratory Landscape Analysis
- Algorithmenselektion und -konfiguration
- Black-Box Optimierung
- Evolutionäre und/oder mehrkriterielle Optimierung
- Maschinelles Lernen
Er ist Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Organisationen und Gremien wie dem European Research Center for Information Systems (ERCIS), der ACM Special Interest Group on Evolutionary Computation (SigEVO), der IEEE CIS Task Force on Benchmarking, der Gesellschaft für Klassifikation (GfKl) Data Science Society, der Gesellschaft für Informatik (GI), der Deutschen Statistischen Gesellschaft (DStatG), sowie bei CLAIRE (Confederation of Laboratories for Artificial Intelligence Research in Europe). Zudem ist er koordinierendes Gründungsmitglied der Forschungsnetzwerke COSEAL (Configuration and Selection of Algorithms) und Benchmarking Network.