06.12.2023
Weltbodentag: Der »Boden des Jahres 2024« kommt aus dem Tharandter Wald
Im Boden konzentrieren sich zahlreiche Superlative: So leben in einer Handvoll Erde mehr Organismen als Menschen auf der Erde, er ist ein größerer Kohlenstoffspeicher als die Vegetation, hat das Potential viel Wasser zu speichern, schützt vor Erosion und filtert Schadstoffe. Dennoch wird seine bedeutende Rolle im Umweltsystem oft kaum wahrgenommen.
Der Weltbodentag am 5. Dezember ist daher ein wichtiger Anlass, die Naturressource Boden in ihrer Vielfalt und Wirkung in den Blick zu nehmen. Alljährlich wird seit 2004 aus diesem Anlass der „Boden des (darauffolgenden) Jahres“ gekürt. Dieses Mal erhält der „Waldboden“ diese Auszeichnung. Stellvertretend für die Vielfalt von Waldböden wurde von der bundesweiten Jury ein typischer Boden aus dem Tharandter Wald bei Dresden als „Boden des Jahres 2024“ ausgewählt. In seinem besonderen Aufbau und seiner Bedeutung wird er heute in Berlin bei einer Festveranstaltung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gewürdigt. Bundesminister Cem Özdemir spricht als Schirmherr das Grußwort.
Der Waldboden aus dem Tharandter Wald wird auf der Berliner Festveranstaltung exemplarisch beleuchtet. Denn „den Waldboden als konkreten Einzeltyp gibt es eigentlich gar nicht“, erläutert Prof. Karl-Heinz Feger vom Institut für Bodenkunde und Standortslehre der TU Dresden und gleichzeitig Präsident der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft: „Der Untergrund in unseren Wäldern setzt sich aus einer breiten Vielfalt ganz unterschiedlicher Bodentypen zusammen.“ Welcher Boden sich an einem Standort entwickelt hat, hängt vom Zusammenspiel verschiedener Faktoren ab: Ausgangsgestein, Vegetation, Klima und vorherrschende Wasserverhältnisse. Aber auch der Einfluss des Menschen spielt eine Rolle. Seit der Industrialisierung kam es durch den Eintrag von Luftschadstoffen, z.B. saurer Regen und Stickstoff zu einer merklichen Veränderung bestimmter Bodeneigenschaften.
„Beim Waldboden aus dem Tharandter Wald handelt es sich um einen Boden, der durch periodisches Auftreten von Staunässe gekennzeichnet und daher für den Ackerbau seit jeher ungeeignet ist“, sagt Prof. Feger. Ursache für dieses Zuviel an Wasser sind stauende, meist tonige und stark verdichtete Schichten („Horizonte“) im Unterboden. Typisch sei der Wechsel von hellen und rostbraunen Flecken, die sogenannte „Marmorierung“. Fachleute bezeichnen diesen Bodentyp als Pseudogley. Er kommt in mitteleuropäischen Wäldern relativ häufig vor und ist schwierig zu bewirtschaften. „Die Staunässe führt zu Sauerstoffmangel im Wurzelraum. Damit kommen einige Baumarten, wie besonders die großflächig angebaute Fichte nicht gut zurecht. Sie reagiert mit einer ausgeprägten ‘Flachwurzeligkeit‘ auf Staunässe. Das macht sie anfällig für Windwurf und Trockenstress. „Das mag bei einem staunassen Boden paradox erscheinen. Aber in Trockenperioden, die aufgrund des Klimawandels immer häufiger auftreten, trocknet der durchwurzelte Oberboden stark aus“, erläutert Feger. So gebe es klare Zusammenhänge zu den Waldschäden der letzten Jahre. Ideal wäre auf solchen Standorten die Stieleiche, in höheren Lagen die Weißtanne. Beide heimische Baumarten können den verdichteten und wasserstauenden Unterboden im Gegensatz zur Fichte gut mit ihrem tiefreichenden Wurzelwerk erschließen.
Der frisch gekürte „Boden des Jahres 2024“ im Tharandter Wald, dem „Freilandlabor“ der Forstwissenschaften an der Fakultät Umweltwissenschaften der TU Dresden, ist Teil eines Bodenlehrpfades, den die Bodenkundler der TU Dresden im Auftrag des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vor Jahren dort angelegt haben. Entlang eines häufig begangenen Waldwegs sind mehrere Bodengruben leicht zugänglich, die der Öffentlichkeit Einblicke in den sonst verborgenen unterirdischen Teil des Ökosystems Wald geben. Unterstützt wird dies durch mehrere Schautafeln.
Daneben wird der Bodenlehrpfad besonders für die Geländeausbildung mehrerer Studiengänge der TU Dresden, der TU Bergakademie Freiberg sowie weiterer Hochschulen intensiv genutzt. Zu diesem Zweck steht umfangreiches Analysenmaterial zur Verfügung, das auch in Lehrbücher Eingang gefunden hat. „Räumlich hochaufgelöste Informationen zur Beschaffenheit der Bodendecke, früher in Kartenform, heute als Internet-gestützte Fachinformationssysteme, sind unverzichtbar für eine nachhaltige Waldwirtschaft, gerade bei sich verändernden Klimabedingungen“, erklärt Prof. Feger. „Aber auch komplexe Rechenmodelle, etwa zur Ableitung von Klimawandel-Szenarien und Planung entsprechender Anpassungsmaßnahmen, sind ohne Bodendaten unerlässlich. Grundlage dafür ist nach wie vor eine präzise Bodenbeschreibung und gezielte Probenahme im Gelände.“
Der Waldboden trägt direkt oder indirekt wesentlich zu den Ökosystemleistungen von Wäldern und damit zum Erreichen verschiedener UN-Nachhaltigkeitsziele bei. Gerade eine standörtliche Vielfalt gewährleistet eine hohe Biodiversität, seien es nun Pflanzen, Tiere, Pilze und andere Mikroorganismen. Darüber hinaus ist der Boden ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Durch kontinuierliche Humusbildung bei der Zersetzung von Blattstreu speichern Waldböden deutlich größere Mengen an Kohlenstoff als etwa landwirtschaftlich genutzte Böden. Sie tragen so zur Stabilisierung der Klimas bei. Dies gilt besonders für feuchte Böden bis hin zu Waldmooren. Auch sauberes Trinkwasser wird durch die Filter- und Pufferfunktion gesunder Waldböden bereitgestellt. Gleichzeitig bieten Wälder einen wirksamen Erosionsschutz. Ein intakter Boden trägt maßgeblich zum Rückhalt von Starkniederschlägen und damit zum dezentralen Hochwasserschutz bei. Durch Bewirtschaftungsfehler, etwa falsche Baumartenwahl oder den Einsatz von schweren Forstmaschinen bei kritischer Bodenfeuchte können diese Ökosystemleistungen massiv beeinträchtigt werden. Auf globaler Ebene stellen großflächige Abholzungen, aber auch häufiger werdende Waldbrände die größte Bedrohung für Waldböden dar.
Der Weltbodentag rückt diese Zusammenhänge in den Blickpunkt und ist in diesem Jahr Auftakt einer intensiven gesellschaftlichen Debatte über Wert, Schutzwürdigkeit und nachhaltige Nutzung des Waldbodens.
Kontakt:
Prof. Karl-Heinz Feger
Institut für Bodenkunde und Standortslehre (BOKU)
Tel.: +49 351 463-31370
Weitere Informationen
Informationen zum Pseudogley im Tharandter Wald als Patenprofil des »Boden des Jahres 2024« und zum Bodenlehrpfad: https://tu-dresden.de/bu/umwelt/forst/boden/das-institut/tharandt-trail sowie zur Festveranstaltung im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): https://www.ktmlandingpage.bmel.de/boden-des-jahres-2024
Die Aktion »Boden des Jahres 2024 – Waldboden« ist eine gemeinsame Initiative des Thünen-Instituts für Waldökosysteme und des Kuratoriums »Boden des Jahres« der Fachverbände DBG (www.dbges.de), BVB (www.bvboden.de) und ITVA (www.itv-altlasten.de). Poster und Flyer werden vom Umweltbundesamt bereitgestellt.
International wird der Weltbodentag (World Soil Day) von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO) https://www.fao.org/world-soil-day/en/ und der International Union of Soil Sciences (IUSS) https://www.iuss.org/meetings-events/world-soil-day/ propagiert.