Interview mit Professor Patrick Zschech
Seit dem 1. April 2025 ist Patrick Zschech Inhaber der Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Intelligente Systeme und Dienste. Zuvor war er Professor an der Universität Leipzig und hatte von 2021 bis 2023 eine Open-Topic-Tenure-Track-Professur an der FAU Erlangen-Nürnberg inne, wo er gemeinsam mit Mathias Kraus die BMBF-finanzierte Nachwuchsforschergruppe „White-Box-AI“ leitete. Seine Promotion schloss Patrick Zschech 2020 an der TU Dresden mit der Dissertation „Data Science and Analytics in Industrial Maintenance: Selection, Evaluation, and Application of Data-Driven Methods“ erfolgreich ab.
1) Den Studierenden möchte ich vermitteln, dass …
... Wirtschaftsinformatik weitaus mehr ist als das bloße Automatisieren von Routineaufgaben wie z.B. Bestellabwicklungen oder Gehaltsabrechnungen. Es geht vielmehr um die aktive Gestaltung der digitalen Zukunft mithilfe moderner Technologien wie Generative AI, Deep Learning, IoT, Process Mining, Robotics, Augmented Reality, etc. Dabei sind technisches Know-how wie z.B. Programmierung, Datenanalyse und die Entwicklung algorithmischer Lösungen selbstverständlich von zentraler Bedeutung. Genauso entscheidend ist jedoch, dass wir den Menschen und seine Bedürfnisse nie aus den Augen verlieren – denn all diese Technologien sollen dazu dienen, den Alltag der Menschen zu erleichtern und nicht durch unnötige Entwicklungen zu belasten. Ich lade die Studierenden daher herzlich ein, gemeinsam mit uns in eine Welt einzutauchen, in der wir nicht nur Computersysteme entwickeln, die einfache Aufgaben für uns erledigen, sondern vielmehr innovative Lösungen gestalten, die den Menschen unterstützen und inspirieren – damit die digitale Zukunft tatsächlich zu einer besseren Zukunft für alle wird.
2) Beim Aufbau meines Professur-Teams ist mir wichtig, …
… dass wir gemeinsam Forschungsthemen identifizieren, hinter denen jede/r Einzelne mit voller Überzeugung steht. Mein Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Leidenschaft, Wissbegierde und Neugier an ihren Themen arbeiten und mit intrinsischer Motivation in den Tag starten können. Der Erkenntnisgewinn – sowohl individuell als auch für das gesamte Team – steht für mich an erster Stelle, noch vor der reinen Publikationsleistung in hochrangigen Outlets. Zudem lege ich großen Wert auf ein interdisziplinäres Team mit sich ergänzenden Kompetenzen – von algorithmischer Entwicklung und Programmierung über das Design von Experimentalstudien bis hin zum tiefgehenden Verständnis geeigneter sozialwissenschaftlicher Erklärungsansätze. Weiterhin halte ich es für essenziell, dass wir in unserem Team Forschung auf Augenhöhe betreiben, weshalb ich flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege sowie eine offene und ehrliche Kritikkultur fördern möchte.
3) Bei meinem bisher spannendsten Forschungsprojekt ging es um …
… die Untersuchung der Bedingungen, unter denen Menschen bei der Nutzung personalisierter Schlaf- und Gesundheits-Apps eher bereit sind, ihre personenbezogenen Daten zu teilen. Dabei haben wir unterschieden, ob die Daten von einem Menschen, einer Black-Box-KI oder einer White-Box-KI verarbeitet werden. Obwohl die meisten Nutzerinnen und Nutzer in einer Abfrage angaben, dass sie insbesondere sensible Daten (wie z.B. Informationen zu Sexualaktivitäten, Drogenkonsum oder mentalem Gesundheitszustand) NICHT teilen würden, haben sie im Rahmen einer tatsächlichen Datenerhebung dennoch einen Großteil dieser Daten preisgegeben. Dieses Phänomen wird in der Literatur wohl als "Privacy Paradox" bezeichnet und war mir bis dahin nicht bekannt. Daher waren die Ergebnisse des Projekts recht spannend. Darüber hinaus haben wir eine leichte Tendenz beobachtet, dass Nutzerinnen und Nutzer eher dazu neigen, ihre sensiblen Daten einer Black-Box-KI anzuvertrauen, im Vergleich zu einem Menschen oder einer White-Box-KI. Da diese Erkenntnisse in unserem bisherigen Setting jedoch noch nicht signifikant waren, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um mehr Gewissheit darüber zu erlangen.
4) Aktuelle Forschungsthemen, mit denen ich mich beschäftige, sind …
… sämtliche Fragestellungen rund um die Themenbereiche "Interpretable Machine Learning (IML)" und "Explainable Artificial Intelligence (XAI)". Hierbei interessieren mich bspw.:
- die algorithmische Entwicklung neuartiger, nachvollziehbarer Machine-Learning-Modelle sowie deren Verprobung in realen Anwendungsgebieten,
- die Integration von IML- und XAI-Ansätzen mit generativer KI bzw. Large Language Models (z.B. in Form von Conversational Agents als personalisierte Dialogschnittstelle zwischen Modell und Nutzer),
- die Operationalisierung des schwer messbaren Konstrukts "Interpretierbarkeit" aus sozio-technischer Sicht sowie mögliche Verknüpfungspotenziale zu etablierten Methoden aus dem Bereich der NeuroIS-Forschung,
- die Durchführung nutzerzentrierter Experimental- und Evaluationsstudien, insb. unter Berücksichtigung von Erklärungsansätzen aus dem Bereich der Verhaltensökonomik (Stichpunkt: "Thinking, Fast and Slow"),
- der Brückenschlag zum Themengebiet "Causal Machine Learning" zur Aufdeckung und Berücksichtigung kausaler Zusammenhänge.
Da all diese faszinierenden Themen jedoch nicht allein bearbeitet werden können, freue ich mich schon jetzt riesig auf die zahlreichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit innerhalb unserer Fakultät sowie mit weiteren Kooperationspartnern im Netzwerk der TU Dresden. :-)