12.06.2018
Vortragsbericht: Christoph Flügge: Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
Am 18. April 2018 berichtete Christoph Flügge, von 2008 bis 2017 permanenter Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), vor 150 Studierenden und Interessierten über seine Erfahrungen in Den Haag.
Der Vortrag fand mit der Unterstützung des DGVN-Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und in Kooperation mit dem UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und der UN-Bildungsgruppe der TU Dresden statt.
Bereits in ihrem Vorwort zu der Veranstaltung wies Frau Professorin Schorlemer auf die besonderen Leistungen des Strafgerichtshofes hin, der u.a. mit 90 Verurteilungen (und 19 Freisprüchen) hochrangige Vertreter von Konfliktparteien zu Rechenschaft gezogen habe.
In seinem Vortrag stellte Herr Flügge in Grundzügen die Arbeit des ICTY vor. Dabei wies er daraufhin, dass keiner der 161 Angeklagten flüchtig sei und alle sich dem Strafgerichtshof gestellt hätten. Die Urteile wurden unter anderem auf der Grundlage von 4650 Zeugen in rund 10800 Prozesstagen gefällt und auf 2,5 Mio. Seiten Protokoll dokumentiert. Kriegsverbrechen seien Männersache, merkte Richter Flügge an, denn nur eine Frau befand sich unter den 160 Angeklagten des Gerichtshofes.
Damit den Zuhörern klar wurde, worum es in den Fällen den Strafgerichtshofes ging, berichtete Herr Flügge sehr eindrücklich von verschiedenen Zeugenaussagen.
Er resümierte, dass es einfach gewesen sei, festzustellen, was geschehen war. Schwerer wäre es jedoch gewesen, die Geschehnisse den jeweiligen Befehlshabenden zuzuordnen. Weiter habe der ICTY zwar seinen unmittelbaren Zweck erfüllt, jedoch habe auch er es nicht vermocht, Frieden zu stiften. Dennoch bot der ICTY den Opfern eine Plattform ihre Geschichte zu erzählen, was mindestens ebenso wichtiger gewesen sei als die Verurteilungen. Jetzt sei es aber an der Zivilgesellschaft, die juristischen Impulse aufzunehmen und Konsequenzen zu ziehen, stellte Flügge fest.
In seiner Schlussfolgerung forderte Richter Flügge auf, für die Unabhängigkeit der Gerichte zu kämpfen, und bemängelte, dass bisher relativ wenige Staaten das Statut von Rom ratifiziert hätten. Er betonte, dass ein Mandat für den Internationalen Strafgerichtshof für andauernde Konflikte essentiell für deren Bearbeitung sei.
Im Anschluss wurden die Gespräche bei einem Empfang fortgesetzt.
Die UN-Bildungsgruppe und der UNESCO-Lehrstuhl bedanken sich bei Christoph Flügge für den beeindruckenden Vortrag und bei den Zuhörerinnen und Zuhörern für die angeregte Diskussion.