Cluster H: Techno-ökonomische Modellierung von Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken
Beteiligte Disziplinen
Betriebswirtschaftslehre, Systemverfahrenstechnik, Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme
Motivation und Ziele von Cluster H
Der Einsatz grünen Wasserstoffs spielt eine zentrale Rolle in der Erreichung der Pariser Klimaziele bis 2050. Zum weitreichenden Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff muss jedoch gleichzeitig eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Ein Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerk (H2-WNW) erfordert strategische Investitionen in erneuerbare Energien, Produktionstechnologien, Transportinfrastruktur und Speicher. Das Ziel des Clusters ist daher die Entwicklung von Methoden zur ganzheitlichen techno-ökonomischen Analyse von H2-WNW. Dabei wird ein multiperspektivischer Ansatz verfolgt, bei dem H2-WNW aus einer Netzwerk-, Akteurs- und Prozesssicht sowie aus Sicht der Antriebstechnik untersucht werden. Die Netzwerksicht gestaltet globale H2-WNW, um die räumlichen und zeitlichen Disparitäten zwischen Ressourcenverfügbarkeiten und den Einsatz von grünem Wasserstoff zu überbrücken. Hierbei werden die Investitions- und Betriebskosten des Netzwerks sowie die Nachhaltigkeit hinsichtlich der erzielten Treibhausgasemissionsreduktion beurteilt und die regionale Transformation durch die Einrichtung von H2-WNW untersucht.
Mit der Wahl der Akteursperspektive soll das strategische Verhalten von Akteuren innerhalb von H2-WNW analysiert werden. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, inwieweit sich die Akteure koordinieren lassen, um den netzwerkweiten Zielen Rechnung zu tragen. Die Prozesssicht berücksichtigt die Wirkungsgrade der verschiedenen chemischen Wertschöpfungsprozesse sowie den CO2-Footprint, Resilienz gegenüber einer volatilen Versorgung aus erneuerbaren Quellen und Aufwände zur Einbindung in eine Wasserkreislaufwirtschaft. Diese Perspektive erlaubt die Verteilung von grünem Wasserstoff und grüner Energie auf die verschiedenen chemischen Pfade im Hinblick auf produktionsrelevante Nachhaltigkeitsentwicklungsziele systematisch zu untersuchen. Aus Sicht der Antriebstechnik stellen der regenerativ erzeugte Wasserstoff und die daraus erzeugbaren Derivate eine Möglichkeit dar, die Mobilität nachhaltig ohne fossile Energieträger zu sichern. Anwendungen der Mobilität erfordern hohe volumetrische Energiedichten, wie sie bei den Wasserstoffderivaten Ammoniak oder Methanol vorliegen. Es gilt daher, bedarfsgerechte und systemisch sinnvolle Antriebe auf Basis von Wasserstoff zu entwickeln. Ein multiperspektivischer Forschungsansatz bietet das Po-tenzial, neue Einsichten in die Rolle grünen Wasserstoffs in der Erreichung von Klimaneutralität zu gewinnen und ermöglicht die Ableitung von Implikationen hinsichtlich der Technologieentwicklung für Entscheidungsträger aus Industrie und Politik.
Im Cluster angestrebter wissenschaftlicher Mehrwert
- Multiperspektivische techno-ökonomische Analyse von Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken aus Netzwerk-, Akteurs- und Prozesssicht sowie aus Sicht der Antriebstechnik durch eine Integration mathematischer Optimierungsmodelle.
- Gemeinsamer Aufbau einer kohärenten Datenbasis.
- Ergebnisse zur Struktur von H2-WNW und zum effizienten Einsatz grünen Wasserstoffs sowie Handlungsempfehlungen für die Technologieentwicklung
Die Teilprojekte im Einzelnen
Cluster H setzt sich aus 4 Teilprojekten (TP H1 bis TP H4) zusammen.
Ziel des TP H1 - Mathematische Optimierungsmodelle zur Gestaltung und Analyse sektorenübergreifender Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerke und regionaler
Transformation ist die Entwicklung sektorenübergreifender mathematischer
Optimierungsmodelle, um die Struktur zukünftiger H2-WNW unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zu analysieren, und wertvolle Einsichten in vorteilhafte Netzwerkstrukturen von H2-WNW für Entscheidungsträger aus Industrie und Politik zu gewinnen. Hierbei soll insbesondere die Verteilung der begrenzten Rohstoffe zur Erzeugung grünen Wasserstoffs über die verschiedenen Einsatzbereiche untersucht werden. Dabei steht die Fragestellung im Vordergrund, für welche Einsatzbereiche die begrenzten Ressourcen genutzt werden sollten, um eine größtmögliche Reduktion der Treibhausgasemissionen zu erreichen.
Auf Basis der Ergebnisse zur Struktur zukünftiger transnationaler H2-WNW ist vorgesehen, die Auswirkungen der langfristigen Errichtung internationaler H2-WNW auf die mittelfristige regionale Transformation bis 2030 am Beispiel der Region Süddeutschland zu untersuchen. Die fachliche Betreuung obliegt der Juniorprofessur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Management Science der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden (Jun.-Prof. Tristan Becker).
In TP H2 - Koordination in Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken aus akteurszentrierter Perspektive gilt es, das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk von den Beschaffungsquellen, über die Erzeugung, die Distribution und die Nutzung von Wasserstoff unter Einbeziehung der beteiligten Akteure einschließlich der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten. Mit der Auswahl der besten Technologien auf den einzelnen Stufen des Netzwerkes wird versucht, das gesamte H2-WNW so zu konfigurieren, das Wasserstoffangebot und -nachfrage in Einklang gebracht werden. Innerhalb der Netzwerke treten rechtlich selbständige Akteure mit eigenen Interessen auf, die nicht zwangsläufig in Einklang mit der Ausgestaltung bzw. des Betriebs des Netzwerkes aus einer ganzheitlichen Perspektive stehen. Mithin gilt es, zunächst für die einzelnen Akteure die für sie attraktiven Geschäftsmodelle zu identifizieren und anschließend zu analysieren, wie die individuellen Zielsetzungen das Zusammenwirken der Akteure in dem Wasserstoffnetzwerk beeinflussen. Mit der Spieltheorie steht ein methodisches Instrumentarium zur Verfügung, mit dem das strategische Verhalten von Akteuren innerhalb von Wertschöpfungsnetzwerken analysiert werden kann. Das Ziel von TP H2 besteht damit darin, die Herausforderungen zur Gestaltung von H2-WNW aus einer Akteursperspektive mit spiel-theoretischen Methoden zu betrachten, um folglich Gestaltungsempfehlungen für die Koordination der Akteure abzuleiten. Die fachliche Betreuung übernimmt die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Industrielles Management der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden (Prof. Udo Buscher).
Das TP H3 - Optimierung von Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken: Eine systemverfahrenstechnische Analyse modelliert die industrielle stoffliche Nutzung von grünem Wasserstoff als Rohstoff in den Wertschöpfungsnetzen der europäischen Prozessindustrie. Basis der Modellierung sind verfahrenstechnische Zusammenhänge wie stationäre Stoff-, Komponenten- und Energiebilanzen mit arbeitspunktabhängigen Wirkungsgraden und technologische Randbedingungen. Über statistische Ansätze wird die Resilienz der chemischen Prozesse gegenüber der Volatilität des grünen Wasserstoff- und Energieangebots abgebildet. In den genannten H2-WNW werden Anlagen zur Bereitstellung erneuerbarer Energie, Elektrolyseanlagen, Wasserauf-bereitungsanlagen, Wasserstoffspeicher, Wasserstofftransportmittel und Anlagen zur stofflichen Verwertung von Wasserstoff berücksichtigt. Darüber hinaus werden Wasserkreislaufaspekte betrachtet. Im mathematischen Optimierungsproblem werden Verwertungspfade- und Technologievarianten als ganzzahlige Variablen abgebildet, während Beschränkungen die Fähigkeitsgrenzen der Technologien erfassen. In die Zielfunktion gehen kontinuierliche Merkmale ein wie CO2-Reduktionspotenzial, Ressourcenverbrauch und Resilienz gegen Wasserstoffangebotsschwankungen. Es ergeben sich ganzzahlige Optimierungsprobleme, die die Suche nach optimaler Verteilung und Technologiemix ermöglichen. Ziel der Untersuchungen ist es, die Effekte der Verteilung des (beschränkten) grünen Wasserstoffs auf verschiedene Prozessketten aufzuklären und mittels Optimierung Best-Practices für den Technologiemix abzuleiten. Darüber hinaus sollen Erkenntnisse bezüglich produktionsrelevanter Nachhaltigkeitsentwicklungsziele abgeleitet werden. Dem Institut für Verfahrenstechnik und Umwelttechnik, Arbeitsgruppe Systemverfahrenstechnik der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden im Rahmen des Process-to-Order Lab, obliegt die fachliche Betreuung dieses Teilprojekts ( Prof. Leon Urbas).
Im Mittelpunkt der Untersuchungen des TP H4 - H2 und H2-basierte Kraftstoffe in verbrennungsmotorischen Anwendungen steht die Erforschung erneuerbarer Kraftstoffe (reFuels). Dazu gehört der Wasserstoff, sowie weitere aus H2 veredelte Kraftstoffe. Dazu gehören Ammoniak und Methanol, letzteres hergestellt unter Verwendung recycelten Kohlenstoffs. Der Kohlenstoff entstammt dabei mittelfristig dem direkt aus der Luft abgeschiedenen CO2 und etabliert damit einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf ohne zusätzliche CO2-Emission. Im Projekt sollen mehrere Gemischbildungs- und Brennverfahren untersucht werden, die insbesondere den
Wirkungsgrad bisheriger Konzepte bedeutend anheben. Es wird ein technologieoffener Ansatz verfolgt, da eine Festlegung auf ein bestimmtes Gemischbildungsverfahren (Hoch-, Mittel- oder Niederdruckeinspritzung, Direkt- oder Saugrohr-Einspritzung) oder eine Zündmethode den Blick für optimale Lösungen beeinträchtigt. Fachliche betreut wird dieses Teilprojekt von der Professur für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme der Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List" der TU Dresden (Prof. Frank Atzler).
Das ehemalige Brückenprojekt BR 4 wurde als TP H5 - Technologisches Lernen und die Wettbewerbsfähigkeit von ausgewählten Wasserstofftechnologien in das Cluster integriert. Die Einschätzung der Perspektiven und Potenziale neuer Wasserstoffanwendungen ist ein zentrales Thema, um zukünftige (wasserstoffbasierte) Energiesysteme einschätzen und um strategische Perspektiven entwickeln zu können. Ein systematisches Vorgehen zur ganzheitlichen Systembewertung ist zwingend erforderlich. Neben der Abschätzung der Entwicklung von Kosten sind zudem auch Parameter zu technischen Entwicklungen (u. a. Wirkungsgrade, Skalierbarkeit, etc.) zu berücksichtigen. Generell können die Aussichten von Technologien entweder auf der Grundlage technologischer Forschung und Überlegungen oder durch Extrapolation unter Verwendung von Erfahrungskurven bewertet werden. Im Rahmen des hier beantragten Promotionsprojektes soll der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit auf der Wasserstoffelektrolyse und verschiedenen Typen von Brennstoffzellen liegen. Dabei soll eine Auswahl durch vorhandene Daten und die Relevanz von bisher untersuchten Anwendungsmöglichkeiten vorgenommen werden. Die fachliche Betreuung dieses Teilprojekts obliegt der Professur für BWL, insb. Energiewirtschaft ((Prof. Dominik Möst).