Forschungsschwerpunkt des vierten Graduiertenkollegs
„Wasserstoffwirtschaft - Strategisches Element eineskünftigen GreenGas Deals“
Wasserstoff ist zweifelsfrei ein Sekundärenergieträger, der eine wichtige Rolle in der zukünftigen klimaneutralen Energieversorgung für alle Energiesektoren spielen wird. Eine Transformation bisheriger Energieversorgungsformen ist unausweichlich und stellt einen umfassenden sowie komplexen Prozess dar, welcher wissenschaftlich und gesellschaftlich Herausforderungen mit sich bringt. Neben den Anforderungen wie Effizienz, adäquate Energiekosten, ökologische Verträglichkeit und Ressourcenschonung, die an neue Energieumwandlungstechnologien gestellt werden, sind auch Effekte einer solchen Transformation auf Bereiche wie Umwelt, Politik, Wirtschaft und Industrie mit zu bedenken. Die damit verknüpften Faktoren gesellschaftliche Akzeptanz und sozialen Auswirkungen sind entscheidend für deren Umsetzung und zentrale Herausforderung im vierten Boysen-TUD-Graduiertenkolleg.
Weshalb „Wasserstoff“ als Thema für ein viertes Boysen-TUD-Graduiertenkolleg an der TU Dresden? Wasserstoffbasierte Systeme sind bereits seit Jahren integraler Bestandteil der Forschungsstrategie der TUD. Innerhalb der Grundlagenforschung liegen hier Alleinstellungsmerkmale insbesondere in der Erforschung und Weiterentwicklung von Elektrolyseverfahren, in der Entwicklung biotechnologischer Verfahren (in Zusammenarbeit mit dem UFZ Leipzig), in der Entwicklung von Sensoren sowie in der Speicherung von Wasserstoff mit innovativen funktionalisierten bioinspirierten
Materialien. In der anwendungsorientierten Forschung engagiert sich die TU Dresden in der Entwicklung von wasserstoffbasierten Energiespeicher-, Mobilitäts- und Antriebssystemen in besonderer Weise. Hierbei sind Antriebs- und Speichersysteme z. B. für die Luftfahrt, für Schienen und Nutzfahrzeuge sowie für Arbeits- und Landwirtschaftsmaschinen besonders hervorzuheben.
Allerdings sorgt Wasserstoff als sekundärer Energieträger weder per se für treibhausgasarme, noch gar für verlustarme Energiekreisläufe. Auch stellt der hochreaktive Stoff hohe Anforderungen an eine sichere Verarbeitung. Der Forschungsbedarf ist also hoch und akut. Ihn zu befriedigen, wird das 4. Boysen-TU Dresden-Graduiertenkolleg entscheidende Beiträge leisten. Es ist in vier Cluster strukturiert, die 16 Promotionsprojekte und entsprechend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Fachdisziplinen aus den Wissensbereichen Natur-, Technik-, Sozial- sowie Medizinwissenschaft integrieren. Die Cluster befassen sich jeweils mit einer Teilaufgabe im Rahmen des Gesamtprojekts, die Wasserstoffwirtschaft zum strategischen Element eines zukünftigen GreenGas Deals zu machen.
Wissenschaftliche Untersuchungen, z. B. zur Herstellung, Umwandlung, Verarbeitung, Speicherung, Transport sowie Rückverstromung von Wasserstoff als Sekundärenergieträger, werden somit holistisch untersucht; auch werden wertvolle Beiträge zur Stärkung der Lehre sowie der Lehrer- und Weiterbildung erwartet. Angesichts der notwendigen Dekarbonisierung heutiger Energiesysteme und mit dem Ziel, die im Graduiertenkolleg erzielten generischen Ergebnisse auf reale H2-Systeme übertragen zu können, wird ein autarker Energiepark als Reallabor gewählt. Dieser Energiepark dient als Referenz für nahezu alle Projekte und besteht aus regenerativen Energiesystemen (PV, Windenergie etc.) zur Stromerzeugung. Eine derartige Infrastruktur soll u. a. zur Bewertung und Optimierung von H2-basierten Technologien herangezogen werden und dabei Forschung und Anwendung sowie Aspekte der gesellschaftlichen Verantwortung und Akzeptanz so praxisnah wie möglich integrieren.
Ein weiteres Promotionsprojekt, das den Humanwissenschaften zuzuordnen ist, ist als assoziiertes Vorhaben geplant. Die vier Brückenprojekte, die 2022 zur Überleitung in die vierte Generation des GRK etabliert wurden, sind in die Cluster integriert worden. Eine enge Zusammenarbeit der Projekte sowohl innerhalb der Cluster als auch clusterübergreifend wird durch die Struktur und die inhaltliche Vielfältigkeit des Graduiertenkollegs gewährleistet. Die Schwerpunktthemen der Cluster im Einzelnen:
- Cluster E: „Wasserstoffimporte aus der MENA-Region im Vergleich zur Wasserstofferzeugung in Deutschland“ untersucht Potenziale, Risiken und Erfordernisse von Wasserstoffimporten aus den Regionen des Mittleren Ostens und Nordafrikas nach Europa und vergleicht die Herstellung von Wasserstoff zur Situation in Deutschland.
- Cluster F: „Impact H2 green“ behandelt die weitreichenden Folgen der Ausschöpfung aller Wind- und Solarpotenziale für die Energiebereitstellung aus technologisch-systemischer, landschaftlicher, ökologischer, ökonomischer und unternehmerischer Perspektive und mit dem Ziel einer ausreichenden Verfügbarkeit von sogenanntem „grünem H2“ aus regenerativen Energiequellen.
- Cluster G: „Elektrokatalysatoren für eine wettbewerbsfähige Wasserstoffwirtschaft“ fokussiert auf die Entwicklung hochwirksamer edelmetallfreier Elektrokatalysatoren als Basis für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Brennstoffzellentechnologie. Dabei werden Perspektiven aus der Chemie, Labor- und Prozesstechnik mit fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Ansätzen verknüpft.
- Cluster H: „Techno-ökonomische Modellierung von Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken“ entwickelt Methoden zur ganzheitlichen Analyse von Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerken. Dabei wird ein multiperspektivischer Ansatz verfolgt, bei dem Wasserstoffwertschöpfungsnetzwerke in technologischer wie ökonomischer Perspektive und aus Netzwerk-, Akteurs- und Prozesssicht sowie aus Sicht der Antriebstechnik untersucht werden.
- assoziiertes Promotionsprojekt: "Gesundheitliche Auswirkungen des Verkehrslärms bei unterschiedlichen Mobilitätsszenarien der Zukunft – Abschätzung der Krankheitslast (Burden of Disease)"