09.03.2022
Damit Mediziner und Patienten die gleiche Sprache sprechen
Leicht verständliche Patientenbriefe wirken sich nach einer Behandlung im Krankenhaus positiv auf die Gesundheitskompetenz von Patienten aus. Das zeigt eine Studie der „Was hab‘ ich?“ gGmbH, die am Herzzentrum Dresden Universitätsklinikum durchgeführt und von dem Bereich Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden evaluiert wurde. Die Effekte sind so augenscheinlich, dass sich der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) jetzt dafür aussprach, Patientenbriefe in der Regelversorgung zu etablieren.
Dresden, 09. März 2022. Der Patientenbrief erläutert nach einem Krankenhausaufenthalt die individuellen Diagnosen, Untersuchungen und Behandlungen in leicht verständlicher Sprache – viele Patienten des Dresdner Herzzentrums haben seit Sommer 2019 dieses Angebot genutzt und davon profitiert. Sie erhielten bei ihrer Entlassung nicht nur den gewöhnlichen Arztbrief, sondern auch eine „übersetzte“ Version für sich selbst. Ermöglicht wurde dies durch die Software des Dresdner Sozialunternehmens „Was hab‘ ich?“. Sie erstellt komplett automatisiert Patientenbriefe in einfacher Sprache, ganz ohne zusätzlichen Aufwand für Ärzte und Klinikpersonal. Basis sind tausende von Textbausteinen, die entsprechend dem individuellen Krankheitsbild zusammengefügt werden.
Das Projekt wurde in der Zeit von Juni 2019 bis Juli 2020 in einer umfangreichen Studie durch den Bereich Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden evaluiert. Untersucht wurde unter anderem die Gesundheitskompetenz der teilnehmenden Patienten. Sie fasst das Wissen, die Motivation und die Kompetenz, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, zusammen. In die Evaluation flossen Daten von insgesamt 738 Patienten ein, wobei die Interventionsgruppe zusätzlich zum Arztbrief für den Weiterbehandler den leicht verständlichen Patientenbrief erhielt. Die Kontrollgruppe bekam nur den Arztbrief. Die Auswertung der Daten zeigt deutlich, dass Patienten mit dem für sie übersetzten Entlassbrief ihre Erkrankung und die möglichen Auslöser besser verstehen. Diese Patientengruppe war auch besser über die bei ihnen durchgeführten Untersuchungen informiert.
Die Informationen im Patientenbrief schaffen Gewissheit über die eigene Krankheitssituation als wichtigen Bewältigungsschritt. Der Patientenbrief kann dabei helfen, den Einfluss des eigenen Verhaltens auf die Gesundheit zu verstehen, was wichtig für das Erleben der Selbstwirksamkeit im weiteren Umgang mit der Erkrankung ist. Eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz ist mit schlechteren Gesundheitsprognosen und höheren Kosten im Gesundheitssystem assoziiert.
„Patienten mit einer hohen Gesundheitskompetenz sind besser vorbereitet, wenn sie mit ihrem behandelnden Arzt die weitere Behandlung und Therapie besprechen. Insgesamt lässt sich sagen, dass die auch für Laien verständlichen Patientenbriefe dazu beitragen, die Arzt-Patienten-Kommunikation für beide Seiten deutlich zu verbessern", fasst Dr. Henna Riemenschneider als betreuende Wissenschaftlerin die Ergebnisse zusammen. Dies hat auch Prof. Dr. Axel Linke, Ärztlicher Direktor des Herzzentrums Dresden, festgestellt: „In unserem Klinikalltag merken wir, dass Patientinnen und Patienten, die den Laien-Arztbrief erhalten, beispielsweise ein größeres Verständnis hinsichtlich notwendiger Änderungen des eigenen Lebensstils haben, wie etwa bei Ernährung oder körperlicher Aktivität. Sie wissen besser über die Zusammenhänge Bescheid.“
Gefördert wurde die Studie mit Mitteln aus dem Innovationsfonds des Bundes. Auf Basis der Ergebnisse hat der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses nun empfohlen, die Patientenbriefe von der Versuchsphase in die Regelversorgung zu überführen. „Diese Entscheidung ist wegweisend und für unsere jahrelange Arbeit ein Höhepunkt. Wir sind damit eines der wenigen Projekte, für die der Innovationsausschuss bisher eine klare Empfehlung zur Überführung in die Regelversorgung ausgesprochen hat.
Jetzt werden wir alles dafür tun, dass diese Empfehlung umgesetzt wird und Patientenbriefe zukünftig im Rahmen der Regelversorgung allen Patienten zugutekommen“, sagt Ansgar Jonietz, Mitgründer und Geschäftsführer der „Was hab‘ ich?“ gGmbH. Das Dresdner Sozialunternehmen entwickelt bereits seit 2011 verschiedene Lösungen zur Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation. Auf der Website washabich.de können Patienten ihre medizinischen Befunde einreichen und erhalten dann eine leicht verständliche Übersetzung. Bis heute wurden über 50.000 Befunde ehrenamtlich von Medizinstudierenden und Ärzten übersetzt. Parallel hat „Was hab‘ ich?“ bereits mehr als 2.500 Mediziner in verständlicher Kommunikation ausgebildet.
Das Team von „Was hab‘ ich?“ hat zur Erstellung der Patientenbriefe eine eigene Software entwickelt, die auf tausende ärztlich erstellte und qualitätsgesicherte Textbausteine zugreift. Die Patientenbriefe werden in der Klinik automatisch gedruckt und enthalten leicht verständliche Informationen zu den individuellen Diagnosen, Untersuchungen und Behandlungen des Patienten im Rahmen seines Krankenhausaufenthalts. Sie werden zusätzlich zum Arztgespräch und dem Entlassbrief ausgestellt. „Die Patientenbriefe können die gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Patienten erleichtern. Es erleichtert auch die Kommunikation mit den Familienangehörigen“, sagt Professor Antje Bergmann, die an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden den Lehrstuhl Allgemeinmedizin innehat.
„Das Beispiel des Patientenbriefes zeigt, wie wichtig begleitende wissenschaftliche Forschung ist. Ich freue mich, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Medizinischen Fakultät eindeutige Belege für die Vorteile des ergänzenden Kommunikationsweges zwischen Arzt und Patienten aufzeigen konnten und der Patientenbrief nun Teil der Regelversorgung werden soll. Er führt zu aufgeklärteren Patienten, die motivierter sind, an ihrer Gesundung mitzuwirken“, sagt Professor Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden.
Der zugehörige Ergebnisbericht ist abrufbar unter: https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/pasta-patientenbriefe-nach-stationaeren-aufenthalten.56
Kontakt:
Dr. rer. medic. Henna Riemenschneider
MA, MPH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Bereich Allgemeinmedizin
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden