10.12.2021
Das SARS-CoV-2-Virus greift die Nebennieren an – Ist das die Ursache von Long-COVID?
Wissenschaftler der TU Dresden konnten gemeinsam mit Forschern aus Regensburg, London und Zürich zeigen, dass eine COVID-19-Erkrankung das zentrale Stressorgan des Menschen angreift. In wieweit diese Schädigung für die vielfach beobachteten Long-COVID-Erkrankungen verantwortlich ist, muss in weiterführenden Studien untersucht werden.
Dresden, 10. Dezember 2021. Die Nebenniere ist das zentrale Stressorgan des menschlichen Körpers und produziert die lebenswichtigen Stresshormone Cortisol und Adrenalin. Für das Überleben von stressvollen Situationen, wie sie jetzt in der Pandemie mit der Corona-Erkrankung auftreten, ist das Organ unentbehrlich. Und sie sind wichtige Zielorgane des SARS-CoV-2-Virus. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeit von Forschern aus Dresden, London, Regensburg und Zürich.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Stefan Bornstein, dem Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III und des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden hat im Transcampus mit anderen Zentren in Europa diese Studie angeregt. Dr. Waldemar Kanczkowski, der Erstautor dieser Studie, führte die Analysen in Dresden durch und wertete die Daten von 40 Patienten aus, die am und mit dem Coronavirus verstorben sind. Die pathologische Untersuchung der Gewebeproben lieferte eindeutige Anzeichen von Nebennierenentzündungen. Das Gewebe der Nebenniere war dabei bis in die kleinsten Gefäße von Immunzellen infiltriert. In den Bereichen der Nebenniere, in denen das Virus nachgewiesen werden konnte, fanden die Forscher zudem Anzeichen für Zellschädigung bis hin zu abgestorbenen Zellarealen.
Dass die Nebenniere häufig von Bakterien und Viren angegriffen wird, konnte bereits beim Auftreten des SARS-CoV-Virus gezeigt werden, das für den Ausbruch von SARS in Asien von 2002 bis 2004 verantwortlich war. Der Angriff von COVID-19 richtet sich zunächst auf die Nebennierenrinde. Dort führt eine Infektion unmittelbar zu einem Zelltod. Die Schädigung des Nebennierenmarkes ist dagegen offenbar die Folge einer systemischen Entzündung. Der Letter, der kürzlich unter dem Titel „COVID-19 targets human adrenal glands“ im hochkarätigen Fachmagazin „The Lancet Diabetes and Endocrinology“ erschienen ist, zeigt, dass die aus einer COVID-19 resultierenden Zellschäden in der Nebennierenrinde eine Prädisposition für eine spätere Nebennierenfunktionsstörung auslösen könnten. „Wir bekommen täglich Anfragen, wie die Pandemie das menschliche Stresssystem beeinflusst, welche Folgen das für die körperliche Gesundheit hat, welche seelischen Störungen auftreten können und welche Effekte die gesellschaftlichen Konflikte haben, die wir derzeit erleben. Die Ergebnisse unserer neuesten Arbeit zeigen nun erstmals, dass das Virus direkt und in relevantem Umfang das menschliche Stresssystem befällt“, sagt Prof. Stefan Bornstein. Inwieweit diese Veränderungen direkt zur Nebenniereninsuffizienz beitragen, die bei einigen Patienten mit COVID-19 beobachtet wurde, oder gar zu Long-COVID führen, bleibt unklar. Dieser Frage muss in weiteren großen multizentrischen klinischen Studien nachgehen werden.
Link zur Veröffentlichung: „COVID-19 targets human adrenal glands” in The Lancet Diabetes and Endocrinology; DOI: 10.1016/S2213-8587(21)00291-6: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34801110/
Kontakt:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Molekulare Endokrinologie
Dr. rer. medic. Waldemar Kanczkowski