20.06.2019
Die Dosis macht den Unterschied
Ob Entzündung oder Tumor – die Sauerstoffregulation öffnet neue Wege in der Therapie
Das Atmen begleitet uns ein Leben lang. 12 bis 15-mal pro Minute holen wir Luft, um unseren Sauerstoffbedarf von etwa einem halben Liter in der Minute zu decken. Ein weit verzweigtes Gefäßsystem versorgt jede Zelle des Körpers. Wir brauchen den Sauerstoff, um zu leben. Und so verfolgt uns dieser Atemreflex von der Geburt bis zum Tod. Allerdings ist der Bedarf in den Zellen ganz unterschiedlich. Unser Immunsystem, Tumorzellen, Bakterien – jede Zelle reagiert anderes, wenn der Sauerstoff reduziert wird oder es plötzlich ein Überangebot gibt.
„Ursprünglich komme ich aus Belgien, da ist der höchste Berg nicht mal 700 Meter hoch, vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb es mich schon immer interessiert hat, wie sich Zellen verhalten, wenn in großer Höhe die Luft knapp wird“, sagt Professor Ben Wielockx, von der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. „Die Zellen haben Stress, und sie produzieren andere Proteine, um zu überleben“, führt der Heisenbergprofessor weiter aus. Eine Tatsache, die künftig bei der Tumortherapie eine Rolle spielen wird.
Konkret befasst er sich an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden mit seinem Team damit, wie beispielsweise Krebszellen darauf reagieren, wenn der Sauerstoff knapp wird. „Wir konnten im Modell sehen, dass Tumore erst mal zirka zwei bis drei Kubikmillimeter wachsen und plötzlich stagnieren. Dann geht es darum Proteine zu bilden, diese in die Umgebung zu schicken, um ein Gefäßsystem, so genannte Endotelzellen wachsen zu lassen, welches Sauerstoff zum Tumor bringt“, erklärt Professor Ben Wielockx. Erst jetzt ist der Tumor in der Lage, sich vom Körper „versorgen“ zu lassen. Genau ab dem Moment teilen sich die Tumorzellen immer schneller. Somit stand lange die Idee im Raum, einfach die Sauerstoffversorgung zu drosseln, in der Hoffnung die Krebszellen in Schach halten zu können. Ein Plan, der nicht ganz so einfach aufgeht. Konsequent weitergedacht heißt das eben auch, dass für die Immunzellen, die Luft ausbleibt. Und der Stress, der durch eine Unterversorgung der Zellen ausgelöst wird, bringt auch eine Aktivierung mit sich. Kommt es zu einer solchen Reaktion im Tumor, führt das zu einem schnelleren Wachstum – mit gravierenden Folgen.
„Deshalb geht es für uns darum, die richtige Dosis zu finden und diese Hypoxie, also den Sauerstoffmangel zu regulieren.“ Ein möglicher Ansatz ist es, wenn die Sauerstoffsensoren aus dem Tumor genommen werden und die Information an das Gefäßsystem ausbleibt, dass an dieser Stelle mehr Sauerstoff gebraucht wird.
Zwar interessieren sich schon heute einige Firmen für diese Idee – „allerdings haben wir noch nicht den Schritt zum Patienten unternommen – im Modell hat es auf alle Fälle funktioniert“, so Professor Ben Wielockx.
Diese Grundlagenforschung ist deshalb so interessant, weil sie überall dort einen Therapieansatz liefert, wo Sauerstoff eine Schlüsselfunktion einnimmt. Beispielsweise bei einer fortscheitenden Arthrose/Arthritis. Da konnten ganz ähnliche Phänomene beobachtet werden – wie Immunsystem und Bakterien um die Sauerstoffressourcen ringen.
Informationen zur Heisenberg-Professur
Die Heisenberg-Professur ist eine Weiterentwicklung des Heisenberg-Programms und bereitet ebenso wie das Stipendium auf wissenschaftliche Leitungspositionen vor. Sie bietet, wenn die Kandidatin oder der Kandidat sich bewährt, zusätzlich die verlässliche Aussicht auf eine Professur. Eine junge Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler sucht sich eine Hochschule, an der sie oder er durch die Berufung ein neues Forschungsgebiet etablieren kann. Die aufnehmende Hochschule muss gegenüber der DFG erläutern, inwiefern die Einrichtung einer Heisenberg-Professur für sie eine neue wissenschaftliche Schwerpunktsetzung bedeutet.
In der DFG-Begutachtung stellt sich die Wissenschaftlerin oder der Wissenschaftler dem Wettbewerb um eine Heisenberg-Professur. Hier werden ausschließlich wissenschaftliche Exzellenzkriterien angelegt. Zeitnah prüft außerdem die aufnehmende Hochschule in einem Berufungsverfahren die Kandidaten für die neu zu schaffende Professur. Fällt die Wahl auf die Person, die sich bei der DFG beworben hat, so erhält sie zunächst eine Heisenberg-Professur. Nach fünf Jahren wird diese Stelle – nach einer erfolgreichen Evaluation durch die DFG und die Hochschule – in eine unbefristete Professur umgewandelt.
Die Heisenberg-Professur richtet sich wie das Heisenberg-Stipendium an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Berufbarkeit über das Emmy Noether-Programm, DFG-Projektstellen, Forschung in der Wirtschaft oder Stellen im akademischen Mittelbau erlangt haben, außerdem an Juniorprofessoren, Habilitierte, deutsche Rückkehrer aus dem Ausland und ausländische Wissenschaftler.
Quelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft https://www.dfg.de/dfg_magazin/wissenschaftliche_karriere/heisenberg/kurz_erklaert/
Kontakt:
Prof. Ben Wielockx
Medizinische Fakultät der TU Dresden
Institut für Klinische Chemie und Labormedizin
Abteilung für klinische Pathobiochemie
Fetscherstr. 74
01307 Dresden, Deutschland
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