13.06.2024
Forschergruppe liefert neue Erkenntnisse über klonale Hämatopoese
Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (IKL) an der Dresdner Hochschulmedizin hat eine wissenschaftliche Arbeit im renommierten Fachmagazin „Cell“ veröffentlicht. In einer breit angelegten Studie wurde der Zusammenhang zwischen klonaler Hämatopoese und Erkrankungen mit entzündlichem Knochenschwund (wie Parodontitis und Arthritis) untersucht.
Im Zuge des Alterns können Mutationen in Stammzellen des Blutes entstehen. Das daraus resultierende abnorme Wachstum dieser Zellen wird als klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial (CHIP) bezeichnet. Dieses noch nicht als Krankheit deklarierte Phänomen betrifft mehr als zehn Prozent der über 65-Jährigen. In der Arbeit untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Mutationen des DNMT3A-Gens, einem bei CHIP am häufigsten betroffenen Gen, und der Verbreitung sowie dem Schweregrad einer Parodontitis. Außerdem wurde die Rolle des mutierten DNMT3A-Gens bei Zahnfleischentzündungen und Arthritis entschlüsselt.
Wenn Menschen altern, können sich die unreifen Vorläuferzellen, die auch als hämatopoetische Stammzellen bezeichnet werden und aus denen alle Blut- und Immunzellen entstehen, verändern. Einige dieser Mutationen führen dazu, dass diese Stammzellen effektiver wachsen als nicht mutierte Stammzellen. „Dieser bislang nur wenig erforschte Zustand, der als klonale Hämatopoese mit unbestimmtem Potenzial (CHIP) bezeichnet wird, birgt ein erhöhtes Risiko für verschiedene entzündungsbedingte Krankheiten“, erklärt Prof. Triantafyllos Chavakis, co-leitender Autor der Studie und Direktor des IKL.
Das internationale Team unter der Leitung von Prof. George Hajishengallis von der Universität Pennsylvania hat zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und der University of North Carolina at Chapel Hill (UNC) nun einen wissenschaftlichen Einblick in die Mechanismen der verstärkten Entzündung durch CHIP vorgelegt. Das Forscherteam konnte einen Zusammenhang zwischen DNMT3A, dem bei CHIP am häufigsten mutierten Gen, und der Verbreitung sowie dem Schweregrad von Parodontitis nachweisen. Zudem konnte es zeigen, dass das Medikament Rapamycin, das zur Verhinderung der Abstoßung von Organtransplantaten eingesetzt wird, das Potenzial hat, mutierte Stammzellen zu blockieren und durch CHIP verursachte entzündliche Knochenschwunderkrankungen effektiv zu behandeln.
In einer Kohorte von 4.946 Personen im Alter zwischen 52 bis 74 Jahren sowie an experimentellen Modellen belegte die Studie eine starke kausale Beziehung zwischen dem Auftreten von DNMT3A-Mutationen und einer erhöhten Anfälligkeit für entzündliche Knochenschwunderkrankungen. In Modellversuchen zeigte sich, dass die DNMT3A-Mutation zur Zunahme von Zellen führte, die Knochengewebe abbauen. Hinzu kamen stärkere Entzündungen, die durch das Zytokin IL-17, höhere entzündliche Aktivität von Neutrophilen Granulozyten und die Beeinträchtigung der Funktion regulatorischer T-Zellen, die normalerweise die Immunreaktion in Schach halten, ausgelöst wurden. Das Vorhandensein der CHIP-DNMT3A-Mutation hat in den hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen zudem zu einem überaktiven mTOR-Signalweg (Mechanistic Targeting of Rapamycin) geführt, der das Wachstum und das Überleben von Zellen reguliert. Diese Überaktivierung bedingt eine Vermehrung der mutierten Klone und trägt damit zu einer verstärkten Entzündungsreaktion bei. In diesem Zusammenhang konnte auch die Wirksamkeit des mTOR-Inhibitors Rapamycin beim Schutz vor dem durch CHIP verschlimmerten entzündlichen Knochenschwund aufgezeigt werden.
Ein Screening auf CHIP in der älteren Bevölkerung könnte somit Personen mit erhöhtem Risiko für entzündliche Begleiterkrankungen identifizieren. Diese Personen könnten dann von therapeutischen Maßnahmen profitieren, die darauf abzielen, die abnorme Ausbreitung der CHIP-mutierten hämatopoetischen Stammzellklone und ihre negativen Auswirkungen auf chronisch-entzündliche Begleiterkrankungen zu verhindern.
Open AccessPublished: June 04, 2024 DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.05.003
https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(24)00492-6
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