03.02.2022
Olfaktorische Inzestprävention: Warum man sein eigenes Kind manchmal nicht mehr riechen kann
Die Dresdner Wissenschaftlerin Dr. Laura Schäfer hat in einer Familienstudie untersucht, wie Eltern, insbesondere Mütter, den Körpergeruch ihres Kindes wahrnehmen. In den ersten Lebensjahren wird der Duft des eigenen Babys überdurchschnittlich häufig erkannt und durchweg positiv bewertet. Doch das ändert sich im Laufe der Kindheit. Für ihre Dissertation wurde Psychologin Dr. Laura Schäfer mit dem Carl Gustav Carus Förderpreis 2021 ausgezeichnet. Sie gehört damit zu den insgesamt sieben Preisträgern, die mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten die Jury der Stiftung Hochschulmedizin Dresden überzeugt haben und kann sich über 500 Euro Preisgeld freuen, gesponsert von der Ostsächsische Sparkasse.
Dresden, 03. Februar 2022. Studien zum menschlichen Geruch sind eher in der Nische Zuhause. Doch genau dort möchte Dr. Laura Schäfer sie herausholen. Die promovierte Wissenschaftlerin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden hat ihre Dissertation kindlichen Gerüchen und ihre Signalwirkung für die Mutter-Kind-Bindung gewidmet. Die Datensammlung dauerte insgesamt drei Jahre und die Stichprobe umfasst 300 Teilnehmer, wobei die 0 bis 18 Jahre alten Kinder in vier Gruppen eingeteilt wurden.
Es gab eine Experimentalnacht, die im gewohnten häuslichen Umfeld von Mutter und Kind stattfand. Die Familien erhielten dafür vorab Spezialwaschmittel, das die verwendete Bettwäsche geruchsneutral reinigte. Zudem gab es für Mutter und Kind ein geruchsneutrales T-Shirt, dass eine Nacht lang getragen werden musste und am darauffolgenden Tage in der Klinik abgegeben wurde. Durch Einfrieren wurden die Geruchsproben konserviert.
Einige Wochen später wurden die Mütter gebeten, zu einem etwa 45-minütigen Test in die Klinik zu kommen. Es wurde ihr Riechstatus überprüft. Anschließend erhielten sie T-Shirts der Kinder und Jugendlichen vorgelegt. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob die vom eigenen Kind getragene Kleidung erkannt wird und wie angenehm oder unangenehm der Körpergeruch empfunden wird. Zudem wurde eine Speichelprobe genommen, um den Hormonstatus und das HLA-Profil zu bestimmen. Das Humane Leukozytenantigen-System ist eine Gengruppe, die für die Funktion des Immunsystems wichtig ist. In der Paarforschung geht man davon aus, dass sich Menschen mit einem unterschiedlichen HLA-Profil eher attraktiver finden, was die Immunabwehr von potenziellen Nachkommen stärken würde.
Der Körpergeruch eines Menschen besteht zu etwa 99 Prozent aus Wasser, der Rest sind Eiweiße, Fette und andere Substanzen. Jeder Körpergeruch ist individuell, er stellt den olfaktorischen Fingerabdruck eines Menschen dar, der sich im Laufe des Lebens allerdings verändert und auch von Ernährungsgewohnheiten beeinflusst wird. Studien der Dresdner Wissenschaftler hatten bereits gezeigt, dass der Körpergeruch auch die wahrgenommene Attraktivität beeinflusst. Das konnte mit den neuen Untersuchungen nun bestätigt werden. Mütter von Söhne beginnen etwa im neunten Lebensjahr ihres Sohnes, dessen Körpergeruch abzulehnen. „Man könnte hier auch von einer olfaktorischen Inzestprävention sprechen“, sagt Laura Schäfer und sie ergänzt, „die Ablehnung geht mit einem Anstieg des Testosteronspiegels einher“. Postpubertär gibt sich dieses Phänomen übrigens wieder. Zwischen Müttern und Mädchen würden diese Effekte nicht überzufällig festgestellt.
Grundlegend werden Gerüche, die häufig wahrgenommen werden und deshalb vertraut sind, als angenehmer empfunden. Ob diese Geruchsgewöhnung auch der Grund ist, warum sich erwachsene Söhne und ihre Mütter wieder besser riechen könne, müsse in folgenden Studien noch geklärt werden. „Wir haben eine Querschnittstudie in den Altersgruppen 0 bis 3, 4 bis 8, 9 bis 13 und 14 bis 18 durchgeführt. Um die Effekte bei Einzelpersonen noch genauer zeigen und auch interpretieren zu können, wäre eine Langzeitstudie sinnvoll“, sagt Dr. Schäfer. Sie möchte auch ihre weitere Forschungsarbeit dem Geruchssinn widmen. Er wird oft unbewusst wahrgenommen, steuert aber wesentlich unser Verhalten und dient maßgeblich der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Kontakt:
Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik
Laura Schäfer / Jun.-Prof. Ilona Croy / Katharina Hierl
Die Carl Gustav Carus Förderpreise werden seit 1991 verliehen, zunächst von der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und dem Universitätsklinikum Dresden, seit 2017 vergibt die Stiftung Hochschulmedizin Dresden die Preise für hervorragende Dissertationen und Publikationen. Die Ostsächsische Sparkasse unterstützt die Würdigung herausragender wissenschaftlicher Arbeit durch die Stiftung von Preisgeldern. 2021 gab es knapp 30 Bewerber, aus denen insgesamt sieben Preisträger ausgewählt wurden.
Die Stiftung Hochschulmedizin 2012 als Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet und behördlich anerkannt, fördert Projekte am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und der gleichnamigen Medizinischen Fakultät Dresden in den Bereichen Krankenversorgung, Forschung und Lehre. Die Stiftung ist gemeinnützig und zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen berechtigt. Sie nimmt jederzeit gern Spenden zur Unterstützung der Dresdner Hochschulmedizin entgegen.
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