07.07.2020
Prognostische Biomarker für Prostatakarzinom identifiziert
Unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig sowie der Klinik und Poliklinik für Urologie der Technischen Universität Dresden gelang es einem Forscherteam, prognostische Biomarker für das Prostatakarzinom zu identifizieren. Die Gensignatur gibt Aufschluss über das Risiko des Patienten, nach erfolgter Prostataentfernung an dem Tumor zu versterben. Sie könnte die bisher existierenden Biomarker und Klassifikationsmodelle ergänzen und wurde jetzt in der Fachzeitschrift »European Urology« beschrieben.
Das Prostatakarzinom ist in Europa die häufigste Krebsart und dritthäufigste tödliche Krebserkrankung bei Männern. Jedes Jahr erhalten rund 60.000 Männer in Deutschland diese Diagnose. Der klinische Verlauf lokal begrenzter Prostatakarzinome ist allerdings sehr verscheiden. Einige Patienten leiden an einer sehr aggressiven Form des Tumors, die letztendlich zum Tode führt. Viele andere jedoch haben eine weniger aggressive Variante, die mit Hilfe einer radikalen Therapie geheilt oder sogar mit der Strategie der aktiven Überwachung behandelt werden könnte. Häufig werden diese Patienten unnötigen Operationen unterzogen, da klinische und histopathologische Risikofaktoren sowie bisher existierende Biomarker und Klassifikationsmodelle nur unzureichend genau sind. Der Bedarf an zuverlässigeren Biomarkern, die eine frühzeitige Prognose über den klinischen Verlauf der Prostatakrebserkrankung ermöglichen, ist also hoch.
Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Fraunhofer IZI, der Klinik und Poliklinik für Urologie und dem Institut für Pathologie der Technischen Universität Dresden, dem Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) sowie dem Institut für Klinische Immunologie der Universität Leipzig ist es gelungen, prognostische Biomarker für das Prostatakarzinom zu identifizieren, die eine genauere Vorhersage zum Krankheitsverlauf ermöglichen. Weiterhin beteiligt an diesem Vorhaben waren der Fachbereich Pathologie und Urologie sowie die Abteilung für Experimentelle Onkologie des IRCCS Ospedale San Raffaele aus Mailand, Italien, und die Arbeitsgruppe Bioinformatics & Transcriptomics des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.
Die Forschenden analysierten dem Prostatakarzinom zugrundeliegende molekulare Mechanismen. Sie untersuchten mehr als 230 Gewebeproben von operierten Prostatakarzinompatienten. Die Proben stammten aus der Klinik und Poliklinik für Urologie sowie dem Institut für Pathologie (Dir. Prof. Dr. Gustavo Baretton) der Technischen Universität Dresden. Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Urologie haben sie unter Leitung von Professor Manfred Wirth und Professor Susanne Füssel in einem aufwendigen Verfahren für die Analysen aufbereitet sowie umfangreiche Daten zur klinischen Langzeitbeobachtung der Patienten bereitgestellt. »Wir haben für diese Forschungsarbeit klinische Proben von Krebspatienten zur Verfügung stellen können, die wir seit 1995 in unserer Biobank sammeln. Nur durch die enge Zusammenarbeit von Klinik und Forschung sind solche Projekte überhaupt möglich«, erläutert Professor Manfred Wirth, ehemaliger Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
Wissenschaftler der Fraunhofer IZI-Arbeitsgruppe Next-Generation Diagnostics (Dr. Conny Blumert) haben das Erbgut der Zellen (DNA) in Sequenzen aufgeteilt und sich das gesamte Transkriptom angeschaut. Es handelt sich dabei um alle Teile des Erbgutes einer Zelle, das zu diesem Zeitpunkt zum Zwecke der Vervielfältigung bereits in RNA umgewandelt wurde. Die gefundenen Gensequenzen wurden mit der Überlebenszeitanalyse der Patienten abgeglichen und es konnten Korrelationen festgestellt werden. »Für jeden Patienten haben wir alle selektierten Gene in einem prognostischen Genexpressions-Score, dem ProstaTrend-Score zusammengeführt«, erklärt Dr. Kristin Reiche, die Leiterin der Arbeitsgruppe Bioinformatik. Gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Markus Kreuz und Dominik Otto konnte die Wissenschaftlerin nachweisen, dass der ProstaTrend-Score sehr gute prognostische Effekte zeigt und mit den Überlebenszeiten der Patienten korreliert. Aufbauend auf den Erkenntnissen arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI sowie der Technischen Universität Dresden nun an einer Übertragung der Gensignatur auf Biopsien. Langfristiges Ziel ist es, den ProstaTrend-Score für kliniknahe Tests zur Verfügung zu stellen. „Damit bietet sich die Möglichkeit, in Zukunft eine exaktere Auskunft über die Tumoraggressivität zu erhalten", sagt Prof. Christian Thomas, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie am Universitätsklinikum Dresden, was maßgeblichen Einfluss auf die weitere Behandlungsstrategie und Behandlungseffizienz haben könne.
»Mit Hilfe des ProstaTrend-Score ließ sich genau einordnen, ob es sich um eine aggressive Form des Prostatakarzinoms handelt. Eine Anwendung der transkriptomweiten Sequenzierung ist grundsätzlich auch für anderen Krebsarten möglich«, sagt Professor Friedemann Horn, der am Fraunhofer IZI die Abteilung Diagnostik leitet. Ein Patent auf das Verfahren haben die Fraunhofer-Forschenden gemeinsam mit den Projektpartnern bereits eingereicht.
Die mit dem ProstaTrend-Score umgesetzten Erkenntnisse resultieren aus Forschungsarbeiten des RIBOLUTION-Projektkonsortiums. Mittels einer Förderung durch die Fraunhofer-Zukunftsstiftung etablierte das Konsortium innovative Wege für die Identifizierung neuer Biomarker mittels moderner diagnostischer Lösungen.
Die Publikation »ProstaTrend—A Multivariable Prognostic RNA Expression Score for Aggressive Prostate Cancer« von Markus Kreuz (Fraunhofer IZI, Universität Leipzig), Dominik J. Otto (Fraunhofer IZI), Susanne Füssel (TU Dresden) et al. ist am 4. Juli 2020 online in der Fachzeitschrift »European Urology« erschienen (doi: https://doi.org/10.1016/j.eururo.2020.06.001).
Partner:
Technische Universität Dresden
Universität Leipzig
IRCCS Ospedale San Raffaele, Mailand (Italien)
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ
Ansprechpartner: Fraunhofer IZI
Prof. Dr. Friedemann Horn
Abteilungsleiter Diagnostik
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie
Perlickstraße 1
04103 Leipzig
Telefon +49 341 35536-3305
Dr. Kristin Reiche
Arbeitsgruppenleiterin Bioinformatik
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie
Perlickstraße 1
04103 Leipzig
Telefon +49 341 35536-5223
Ansprechpersonen Technische Universität Dresden
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wirth & Prof. Dr. rer. nat. Susanne Füssel
Klinik für Urologie, Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden (TUD)
Fetscherstraße 74
01307 Dresden