Jul 23, 2020
Wie Corona-Viren ins menschliche Gehirn gelangen
Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden un-tersuchen gemeinsam mit Kollegen aus Zürich und Rostock, welche Schäden das Sars-CoV2-Virus am Riechepithel des Menschen anrichtet. Ähnlich wie Masern- oder Polio-Viren nutzt Corona offenbar den Weg über die Nase, um dort für entzündliche Veränderungen in neuronalen Strukturen zu sorgen. Die Schäden für die Patienten sind dramatisch und in vielen Fällen auch irreversibel.
In einer einzigartigen und nationenübergreifenden Studie hat ein Forschungsverbund aus mehr als 600 Wissenschaftlern rund um den Globus bereits im Mai dieses Jahres gezeigt, dass eine Corona-Infektion oft mit dem Verlust der Fähigkeit zum Riechen und Schmecken einhergeht. Bei der Suche nach den Ursachen ist ein internationales Wissenschaftlerteam nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen.
Die Autopsie zweier Patienten (beide männlich, 70 und 79 Jahre alt) am Universitätsklinikum Zürich unter Leitung von Dr. Karl Frontzek offenbarte eine massive Entzündungsreaktion in der Riechschleimhaut der Patienten. In beiden Gewebeproben wurde eine hohe Leukozytenkonzentration nachgewiesen, womit der Körper auf die vom Sars-CoV-2-Virus ausgelöste Entzündung reagiert hatte. „Damit ist zum ersten Mal der Nachweis dessen erbracht, was wir aufgrund des von vielen Patienten berichteten Verlustes ihres Geruchssinns vermutet haben. Das Corona-Virus greift die Zellen des Riechepithels an. Betroffen sind davon aber nicht, wie ursprünglich angenommen, nur die Stützzellen, sondern auch die Riechzellen selbst, die als Nervenzellen direkt ins Gehirn führen“, erklärt Professor Thomas Hummel von der Medizinischen Fakultät Dresden, der die Züricher Einzelfallbeobachtungen von sächsischer Seite begleitet hat.
Das Corona-Virus nutzt, wie auch Masern- oder Poliovieren, Nervenstränge, um seinen Weg in das menschliche Gehirn zu finden. Es umgeht damit die Blut-Hirn-Schranke, die das menschliche Gehirn vor Schadstoffen und Krankheitserregern schützen soll. Welchen Weg das Virus dabei genau nimmt und ob neben dem Riechepithel auch der Riechkolben betroffen ist, wollen nun Prof. Thomas Hummel und Prof. Martin Witt, Anatom der Universitätsmedizin Rostock, herausfinden. Sie untersuchen dazu Gewebeproben von zwei Patienten, die in Sachsen mit einer Sars-CoV2-Infektion verstorben sind.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien und Fallberichte, die die neurologischen Begleiterscheinungen bei Covid-19-Patienten beschreiben. Neben Geruchs- und Geschmacksstörungen ist auch wiederholt von diffusen Hirnschädigungen und Entzündungen des Gehirns bzw. Rückenmarks die Rede. Sind periphere Nervenbahnen betroffen, kann es zum Guillian-Barré-Syndrom kommen, bei dem die Entzündungen Lähmungserscheinungen auslösen, die in den Beinen beginnen. Auffallend sei, dass die neurologischen Symptome oft anhaltend sind, was die medizinische Langzeitversorgung der Corona-Patienten vor besondere Herausforderungen stellt, sagt Professor Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Quelle: veröffentlicht online unter https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31525-7
Kontakt:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Interdisziplinäres Zentrum Riechen und Schmecken
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