Mar 28, 2023
Episode 04: Heroes of research or guinea pigs? - A debate about clinical studies
Our podcast series you ask we explain - Berührungsängste in der Medizin started in January and is published monthly. In the 4th episode, we discussed the topic: Heroes of research or guinea pigs? - A debate about clinical trials
We wanted to discuss with you and answer your questions. Didn't have time to be there? No problem: just listen to our podcast on the go - on Spotify, Apple Music, Deezer or here.
Stefan Wiegand: Ein Podcast der Medizinischen Fakultät der TU Dresden in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung, dem COSMO Wissenschaftsforum und den Städtischen Bibliotheken Dresden.
Dr. Lino Möhrmann: So, nachdem wir erstmal mit einem schönen Applaus für unsere
Band gestartet haben, darf ich alle begrüßen zur mittlerweile vierten Ausgabe unseres
Podcasts YOU ASK we explain, dem Wissenschaftspodcast der Medizinischen Fakultät Dresden. Heute ist unser Thema Helden der Forschung oder Versuchskaninchen. Wir wollen über das Thema klinische Forschung und klinische Studien debattieren, diskutieren, unseren Abend interessant verbringen. Mein Name ist Lino Möhrmann. Ich
bin Arzt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen bei uns in Dresden, kurz NCT. Ich habe noch eine Comoderatorin, das ist die Leonie Imberger, Medizinstudentin im fünften Jahr und Doktorandin in der Gruppe Biomedical Genomics. Und wir haben drei
sehr interessante Gäste eingeladen, die ich auch gleich einmal der Reihe nach vorstellen will. Das erste ist der Professor Dr. Martin Bornhäuser. Er ist der Klinikdirektor der Medizinischen Klinik und Poliklinik 1 am Universitätsklinikum Dresden sowie geschäftsführender Direktor am NCT in Dresden. Unser zweiter Gast ist Herr Privatdozent Dr. Hermann Theilen. Er ist Personal Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie und stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission. Und als Drittes haben wir eine ganz besondere Dame eingeladen. Das ist Frau Ute Stahl. Sie ist Patientenvertreterin bei uns am NCT Dresden und sie ist außerdem Vorstandsmitglied im Verein für Knochenmark und Stammzellspende. Und jetzt muss ich natürlich immer selber gleich dazu sagen: Dadurch, dass ich selbst Arzt bin, habe ich natürlich, wie man heutzutage sagen würde, einen gewissen Bias und würde gerne mit der ärztlichen Perspektive anfangen. Aber genau das wollen wir jetzt nicht machen. Und dementsprechend übergebe ich gleich mal an die Leonie.
Leonie Imberger: Ja, ganz genau. Denn wir haben ja heute das große Glück, dass wir Frau Stahl mit bei uns haben. Frau Stahl, Sie sind ja selbst als Patientin Teil einer klinischen Studie gewesen und können uns also aus erster Hand davon berichten. Dürfte ich Sie einmal bitten, uns Ihre Geschichte zu erzählen?
Ute Stahl: Ja. Mein Name ist Ute Stahl. Bei mir wurde 2004 chronische lymphatische
Leukämie festgestellt, die zunächst nicht behandelt werden musste. 2007 habe ich dann ein halbes Jahr Chemotherapie bekommen in Chemnitz. Das wurde ambulant durchgeführt und habe ich sehr gut vertragen, leider. Nach der Chemotherapie war der
Zustand fast wie vorher. Und da nicht dauernd Chemo gegeben werden konnte, wurde mir dann empfohlen, eine Stammzelltransplantation machen zu lassen. Das war für mich vollkommen neu. Ich wusste überhaupt nicht, was um was es geht. Wie gesagt, das war vor 15 Jahren und ich wurde dann an die Uniklinik hier nach Dresden von meinem Onkologen aus Chemnitz überwiesen und habe hier viele Gespräche im Vorfeld führen können. Ich wurde sehr, sehr gut aufgeklärt. Es wurde mir alles erklärt, auch wenn ich die Transplantation nicht machen würde. Nachdem ich dann zugesagt hatte, dass ich das sozusagen versuchen will, wurde ich gefragt, ob ich auch an einer Studie teilnehme. Das habe ich bejaht, obwohl ich jetzt sagen muss, dass ich überhaupt nicht wusste, was das eigentlich ist und was da auf mich zukommt und was es überhaupt bedeutet, das weiß ich mit meinem heutigen Wissen, was das so ist. Und dann bin ich 2008 im April in die Klinik gekommen und wurde dann vom Professor Bornhäuser transplantiert. Er hat mir die Stammzellen von einem Fremdspender gegeben. Ich hatte wirklich das große Glück, dass der Fremdspender auch richtig gut gepasst hat. Das war ein junger Mann, den ich dann gerne nach zwei Jahren kennenlernen wollte, aber der wollte das nicht. Und das war für mich dann der Punkt, wo ich nicht wusste, wie ich meine Dankbarkeit zeigen konnte. Und habe dann mich in verschiedenen Vereinen ehrenamtlich engagiert. Am Anfang DKMS, dann VKS und jetzt noch im Patientenbeirat vom Uniklinikum.
Leonie Imberger: Ja, schön, dass Sie heute bei uns sind. Sie meinten jetzt gerade schon zum Zeitpunkt, als Sie da eingewilligt haben, in die klinische Studie. Wussten Sie gar nicht so Bescheid, was das eigentlich alles bedeutet? Können Sie sich, wenn Sie sich daran zurückerinnern, schildern, was für Hoffnungen Sie vielleicht damals hatten oder auch Bedenken, da einzuwilligen.
Ute Stahl: Natürlich wusste ich, dass die Transplantation die eine Sache ist. Aber dann
das Anwachsen der Stammzellen und das Genesen die andere Sache ist und dass das alles Gute, was von dem Spender kommt, ja in Ordnung ist. Aber der Körper muss die Heilung bzw. Genesung selbst dann schaffen und das ist natürlich ein langer Weg gewesen. Also bis ich mich mal wieder so richtig als gesunder Mensch gefühlt habe, sind da ungefähr vier Jahre vergangen. Ich hatte nach einem Jahr dann auch nochmal einen Rückfall, bin dann wieder zurück in die Klinik. Ich hatte bloß eins für mich dann festgelegt. Man bekommt da viele gute Ratschläge, auch von Freunden, Bekannten, von der Familie mach das, mach das, das tut dir vielleicht gut. Ich habe mich voll auf die klinische Medizin eingelassen und habe nichts anderes dann auch hören wollen, weil alles andere war für mich ein Störfaktor und ich hatte mich eben für die klinische Medizin entschieden und wollte das dann auch auf diesem Weg durchziehen. Und ja, wie man heute sieht, hat es auch wirklich zum Erfolg geführt.
Leonie Imberger: Ja. Das heißt, für Sie Teil klinischer Medizin zu sein, bedeutet auch, an
klinischer Forschung teilzunehmen und aktiv den Fortschritt der Medizin voranzutreiben. Was würden Sie denn sagen, wie konkret Patienten von der Teilnahme an einer klinischen Studie profitieren könnten?
Ute Stahl: Also ich habe damals immer gedacht, wenn ich jetzt an einer Studie teilnehme, bekomme ich das Modernste, was gerade im Moment wirklich vielleicht ganz neu erforscht wurde. Und da das für mich sowieso so die Phase war entweder ich überlebe das jetzt oder eben nicht, habe ich mich auf diese Sache auch eingelassen. Ich habe daran auch geglaubt, wirklich, dass mir diese moderne Medizin helfen kann.
Leonie Imberger: Alles klar. Und wie läuft das jetzt eigentlich konkret ab, so eine klinische Studie? Wie hat das funktioniert, eingeschlossen zu werden und wie wurde das durchgeführt? Können Sie das noch mal kurz ein bisschen erzählen?
Ute Stahl: Also wie gesagt, ich habe ja damals gar nicht so richtig verstanden. Was ist denn die klinische Studie? Was bedeutet das? Ich habe gerade gestern meine Unterlagen noch mal im Vorfeld auf den heutigen Termin rausgeholt und habe dann gesehen, dass von der DKMS ich da eine Einwilligungserklärung bekommen habe, dass zwei Blutröhrchen jeden Tag immer für diese Studie zur Verfügung gestellt werden sollten. Und da bei mir der Blutfluss nicht so gut war. Ich hatte also keinen Port, sondern es wurde bei mir aus der Vene genommen, hat auch die Pflegerin oder Pfleger immer gesagt: Wir brauchen unbedingt diese zwei Röhrchen, die müssen immer raus. Und das war sozusagen für mich das, wo ich wusste, es ist also irgendwas Wichtiges, was daraus auch gezogen werden soll, was also da auch abgeleitet werden soll.
Leonie Imberger: Also das heißt, in Ihrem Fall waren es die Blutentnahmen jeden Tag, die
jetzt vielleicht unterschiedlich waren zu einer anderen Behandlung, die sie hätten haben können, nehme.
Ute Stahl: Ich an? Ja, genau, weil darauf wurde immer Wert gelegt.
Leonie Imberger: Herr Bornhäuser, wie läuft es denn sonst so ab?
Prof. Martin Bornhäuser: Also es läuft im Wesentlichen schon so ab, was natürlich ein selber immer umtreibt ist, dass man natürlich gern möchte, dass die Patientinnen und Patienten möglichst viel von dem, was man da versucht zu erklären, auch mitbekommen und verstehen. Und das ist eine Herausforderung. Aber in der Regel ist es schon so, dass wir versuchen, möglichst nicht nur wenige Tage, sondern mehrere Wochen vor so einer eingreifenden Behandlung oder der Frage, ob man an so einer Studie teilnimmt, eine möglichst umfassende Aufklärung zu leisten. Man nennt das dann neudeutsch informed consent, den wir möglichst mündlich und schriftlich sehr gut dokumentieren. Und in dem Fall ging es eben um die Transplantation, ein Verfahren, was relativ weitreichende Folgen hat. Bei dieser speziellen Form der Leukämie und zu schauen, wie effektiv das ist. Und unter anderem muss man da auch Blutproben abnehmen im Verlauf, um zu schauen, wie das neue Immunsystem vom Spender anwächst und wie sich die Spender und Empfänger miteinander vertragen. Und dafür braucht man das Einverständnis. Einmal, um die Maßnahme durchzuführen, der Transplantation, die auch zu dokumentieren die Daten werden analysiert, die Blutproben werden gezogen, es werden Biomarker bestimmt und das ist eigentlich alles Bestandteil der gesamte Prozess der Aufklärung und des idealerweise gemeinsam vollzogenen Zustimmungsprozesses.
Leonie Imberger: Das heißt für die Patienten konkret bedeutet das schon einen höheren
Zeitaufwand und eine engere Betreuung.
Prof. Martin Bornhäuser: Genau da muss man aufpassen. Wir betreuen unsere Patienten
immer möglichst eng, weil manchmal ich mich ertappt habe, auch schon dabei zu sagen, dass die klinische Studie natürlich das Maximale an Betreuungsintensität mit sich bringt. Es ist aber auch so, wir müssen den Patienten immer auch ermöglichen, nicht an der Studie teilzunehmen. Und ein ganz wichtiges Kriterium auch der Ethikkommission, das kommt vielleicht später noch, ist, dass wir natürlich den Patienten jederzeit ermöglichen, auch nicht an der Studie teilzunehmen und ihn mindestens oder genauso gut wie in der Studie zu behandeln. Und das ist das Wichtige. Also das ist immer freiwillig. Es kann jederzeit beendet werden. Und das muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass eben auch keinerlei Zwang dahinter ist.
Leonie Imberger: Sie meinten gerade schon also jederzeit kann der Patient sich umentscheiden und nochmal ausscheiden aus der Studie? Gibt es sonst irgendeine Art von Mitarbeit oder wie die Patienten irgendwie ihre Bedenken äußern können, die Studie mitgestalten können? Wie sieht es in der Praxis aus?
Prof. Martin Bornhäuser: Das ist eine Entwicklung, die wir damals, muss ich ganz ehrlich gestehen, noch zu wenig aktiv verfolgt haben, dass wir Patientinnen und Patienten beteiligt haben in der Entstehung der Studie. Wir haben natürlich die Studien damals
auch schon entworfen in der Intention, Patientinnen und Patienten da zu helfen und einen Fortschritt zu erreichen. Aber was glaube ich auch heutzutage schon mit zum Standard gehört, dass man natürlich auch fragt, ob Patientinnen und Patienten diese Art der Studie befürworten, ob sie sich vorstellen können, dass das für sie als Patientinnen und Patienten.
Dr. Lino Möhrmann: Und da war sie auch schon, unsere erste Musikpause. Vielen Dank noch mal an die Band. Und das gibt uns immer so eine kleine Möglichkeit, einen Übergang hinzukriegen. Und Herr Theilen hatten wir bisher noch nicht dabei. Deswegen gleich den Übergang zu Ihnen. Welche Rolle hat denn eigentlich so eine Ethikkommission bei klinischen Studien?
Dr. Hermann Theilen: Ich will es mal so sagen: Ich habe gerade geschluckt, als ich das gehört habe, was Frau Stahl gesagt hat. Sie hat gesagt, Ich wusste gar nicht, Was soll die Studie? Was machen die mit mir? Was bedeutet die Studie? Genau das ist ja letzten Endes, was ganz Zentrales. Wenn der Patient an einer Studie teilnimmt, muss er unbedingt verstehen, was passiert, wenn er teilnimmt, welche Risiken er damit auf sich nimmt. Blutentnahme kann bedeuten er hat Nervenläsionen, die Hand kann nicht mehr bewegt werden. So banale Dinge müssen diskutiert werden. Und was passiert, wenn er nicht an der Studie teilnimmt? Man kann auf keinen Fall davon ausgehen, dass man weiß oder dass man mit einer höheren Sicherheit davon leben kann: Studienteilnahme bedeutet bessere Behandlung. Das hat Herr Professor Bornhäuser ja auch gerade schon gesagt. Dann bräuchten wir die Studie nicht mehr machen. Wenn man eine Studie initiiert, dann hofft man, dass das Medikament das bessere ist. Es hat gewisse Gründe aus den Vorversuchen, aber man nimmt auch Risiken auf sich. Und ganz, ganz wichtig ist dieser informed consent, der gerade schon genannt worden ist, dass Frau Stahl in diesem Moment wirklich weiß: Welche Risiken nehme ich auf mich? Was ist bekannt, wie viel Voruntersuchungen sind gestaltet, Was muss ich noch an weiteren Dingen beachten? Das ist zentral bei der Ethikkommission, dass wir eben auch diese Patienteninformation sehr genau überprüfen. Dafür gibt es in der Ethikkommission nicht nur Mediziner, sondern wir haben Juristen, Statistiker. Die Laien nehmen eine ganz wichtige Rolle ein, die bei uns auch zum Teil Lehrer sind. Das sind Pfarrer, das sind Leute, die ethisch auch durchaus vorgebildet sind, aber eben keine Mediziner. Und die sehen dann, wenn sie die Studie lesen, diesen Satz kann ich nicht verstehen. Was ist eine Suppression des Knochenmarks? Was soll das sein? Sie müssen sich vorstellen, da ist ein Patient, eine ältere Dame, 74 Jahre alt, die in keiner Weise irgendwie mit Medizin zu tun hat, die das Wort Suppression schon gar nicht richtig erkennen kann. Und das ist eben ganz wichtig. Wir müssen sehen, dass die Versicherung zum Beispiel für eventuelle Zwischenfälle, dass diese Versicherungsunterlagen vernünftig sind, dass die Studie ethisch vertretbar ist, deswegen, weil die Statistik stimmen muss. Es ist ganz, ganz wichtig, dass die Voruntersuchung, die Vorberechnungen überhaupt dazu geeignet sind, das Ergebnis, was man als Hypothese formuliert, herausbekommen zu können. Es muss der Datenschutz stimmen. Dafür sind Juristen da. Es ist ein Riesenbereich letzten Endes, der gerade bei Arzneimittelgesetz-Studien abgedeckt werden muss, aber auch bei den anderen Studien.
Dr. Lino Möhrmann: Da haben Sie mir jetzt ein tolles Stichwort geliefert. Weil eine Frage, die ich gerne noch mal ganz grundlagenorientiert klären würde: Was sind denn klinische Studien? Gibt es da unterschiedliche? Sind die alle gleich? Vielleicht die Frage an Professor Bornhäuser.
Prof. Martin Bornhäuser: Ja, die wäre sicherlich auch durch die Ethikkommission gut. Gerne auch beide, können gerne beide beantworten.
Prof. Martin Bornhäuser: Ich kann es ja kurz anfangen. Es gibt verschiedene Studienarten, es gibt Studien, wo im Prinzip eine Intervention, also wo irgendwas gemacht wird, ein Medikament gegeben wird, ein chirurgischer Eingriff, also wo eine Behandlung erfolgt. Es gibt aber auch Studien, wo begleitende Untersuchungen gemacht werden. Wo zum Beispiel nur Laboruntersuchungen laufen. Wo die Behandlung dem Standard folgt, aber die Blutproben zum Beispiel im Vordergrund stehen. Aber klassische Studien, wie wir sie natürlich gerne durchführen, sind die Studien der Phase 1 bis 3. Häufig in der Medizin fängt es immer mit eins an und geht dann bis drei oder vier. Das heißt, Phase 1 ist, wenn wir eine Studie machen, wo wir noch sehr früh sind, wo wir noch vielleicht aus dem Labor eine Hoffnung haben, dass da ein Effekt dabei ist, wir aber noch nicht richtig wissen, welche Dosis die richtige ist und was für Nebenwirkungen bestehen könnten. Das wäre Phase 1. In der Phase 2 wollen wir dann schon schauen, wie gut wirkt ein Medikament oder eine Maßnahme. Und der Goldstandard für uns ehrlicherweise auch gerade in der Krebstherapie ist dann so eine Phase 3 Studie, wo wir den Standard, den wir bisher kennen, vergleichen mit der neuen Behandlung und das nach dem Zufallsprinzip zuteilen jeweils, ob der Patient die Behandlung bekommt oder nicht. Das sind so die Hauptstufen, die wir versuchen, idealerweise hintereinander abzuarbeiten.
Dr. Lino Möhrmann: Herr Theilen noch Ergänzungen?
Dr. Hermann Theilen: Also klinische Studien können völlig unterschiedliche Formen annehmen. Es sind ja Arzneimittelstudien, die Professor Bornhäuser gerade angesprochen hat. Es können aber auch Studien sein, beispielsweise in der Schlaganfallforschung. Da gab es Revolutionäres in den letzten fünf Jahren. Das hat man früher nur durch Auflösen von Blutgerinnseln behandeln können. Schlaganfall ist ja ein Blutgerinnsel im Gehirn, was eben Hirnfunktionsausfälle machen kann. Und man hat seit 2014/2015, also wirklich erst in jüngster Zeit, ein völlig neues Verfahren mit wirklich epochalen Ergebnissen etablieren können. Durch Studien, dass man einen Katheter aus der Leistengegend bis ins Gehirn vorschiebt und quasi wie einen Staubsauger benutzt und dieses Gerinnsel absaugt, was eine ganz andere Studie ist, die eher eine Medizinproduktstudie ist. Dann in dem Moment aber auch so ein Zwischending. Es gibt dann halt diese ganz einfachen, von Ihnen angesprochen Berufsordnungsstudien, die auch eine einfache epidemiologische Fragestellung sein können, die ein Student als Doktorarbeit abarbeitet, um eben herauszubekommen, ob zwei Behandlungsformen, die beide zugelassen sind, vergleichbar gut sind oder eben bei Älteren besser vertragen werden als bei Jüngeren. Da gibt es ja ganz, ganz viele verschiedene Ansätze. Und den Gipfel des Ganzen bedeutet dann satzungsrechtliche Studien. Das ist das, was unsere Psychologen machen, was Soziologen in medizinische Fragestellungen oben von der TU Dresden -also nicht von der medizinischen Fakultät- initiieren, die auch bei uns letzten Endes beraten werden.
Dr. Lino Möhrmann: Und die müssen alle durch die Ethikkommission?
Dr. Hermann Theilen: Müssen in gewisser Weise. Arzneimittelgesetz und Medizinproduktegesetz müssen. Berufsordnungsstudien beraten wir nur. Das heißt, wir empfehlen den Einreichern gewisse Verbesserungen, um sich vor allen Dingen auch erstens den Patienten gegenüber fair zu verhalten, zweitens sich selbst abzusichern. Wir schützen auch Mediziner vor sich selbst. Wenn die zum Beispiel sagen ‚Wenn was passiert, dann rufen sie mich an und ich sage der Versicherung Bescheid.‘ Kann ein ganz großes Problem werden. Wenn er dann vergisst, die Versicherung anzurufen, dann muss er plötzlich für den Schadensersatz aufkommen. Das sind so kleine Fehler, die dann eben auch passieren können. Das sind so die Dinge, die wir letzten Endes auch für die kleineren Studien machen, die aber nur beraten werden. Die können ohne uns machen, die brauchen unser Votum wirklich nicht zwingend zu beachten, sind aber extrem gut beraten, wenn sie es tun, weil wir einfach eine erhebliche Expertise mit einbringen in das ganze Verfahren.
Dr. Lino Möhrmann: Was würden Sie einem Patienten raten, wenn er in eine klinische Studie vielleicht eingeschlossen werden soll. Worauf soll er achten?
Dr. Hermann Theilen: Dass er versteht, was mit ihm passiert. Ist das A und O letzten Endes. Er muss wissen, was passiert. Und es findet ja, wie Herr Professor Bornhäuser schon gesagt hatte, sowohl schriftlich als auch mündlich die Aufklärung statt, dass er wirklich versteht ‚Wo liegen die Risiken, wo liegen die Benefits, Was weiß der Arzt, was weiß der Arzt nicht?‘ Das ist ganz zentral letzten Endes, dass das Verständnis für das, was mit ihm passiert, da ist und er nicht dann in eine Situation kommt ‚Hätte ich das gewusst, hätte ich das nie gemacht.‘ Es fällt manchmal schwer, weil die ganz großen Arzneimittelgesetz Studien in der Patienteninformation zum Teil einen exorbitanten Umfang annehmen. Das sind dann 35 Seiten schwieriges Material, die sich ein Patient anlesen muss, der vielleicht in einer emotionalen Ausnahmesituation ist, weil er gerade gehört hat, dass er Krebs hat und dass er mit dem Blutkrebs einer ganz neuen Therapie unterworfen wird. Und dann soll er 35 Seiten schwieriges Material verstehen. Das ist eben die ganz, ganz große Schwierigkeit dabei. Und da versuchen wir mit der Ethikkommission sowohl für den Patienten, aber auch für den behandelnden Arzt eine Hilfestellung zu bieten.
Dr. Lino Möhrmann: Vielleicht auch eine gute Überleitung zu Herrn Bornhäuser. Wer ist denn der typische Patient, der in eine Studie eingeschlossen wird? Wie kann man sich das grob vorstellen? Ist das ein Querschnitt durch die Bevölkerung oder wie muss man da drangehen?
Prof. Martin Bornhäuser: Also idealerweise sollte es ein Querschnitt sein. Es ist natürlich schon so, dass das es immer ein bisschen darauf ankommt. Wir haben jetzt von Schlaganfall geredet. Ich rede dann oft von Krebserkrankung, aber zumindest in der Institution, in der ich arbeite, das nennt sich ja Uniklinik, ist unser Bestreben, so vielen Patienten wie möglich auch Studien anzubieten, um die Therapien besser zu machen bzw. zu optimieren. Und das können Patienten sein bei uns zwischen 18 und 80/90 Jahren. Und die Herausforderung ist tatsächlich ich will Herrn Theilen nicht widersprechen, aber diese 35 Seiten, die allen Patientinnen und Patienten verständlich zu machen und da finde ich, ist ein gewisser Konflikt da.
Stefan Wiegand: Mein Name ist Stefan Wiegand und ich betreue die Pressestelle der Medizinischen Fakultät. Wir haben im Vorfeld für diesen Podcast unterschiedliche Leute gefragt und nach ihren Meinungen, nach ihren Bedenken, nach ihren Ideen, wenn es darum geht, klinische Studien irgendwie zu beleuchten. Und ein paar dieser Fragen möchte ich ganz gerne in die Runde einbringen. Deshalb eine kleine Zäsur und ein bisschen anderer Blickwinkel. Zum Beispiel sind wir gefragt worden. Ah, übrigens, dass es vielleicht noch wichtig zu wissen. Jeder kann uns Fragen zusenden. Anonym bzw. kann Zettel ausfüllen, die überall bei unseren Kooperationspartnern mit ausliegen. Das ist das Wissenschaftsforum COSMO im Kulturpalast. Das sind die städtischen Bibliotheken, das ist die Sächsische Zeitung und das Hygienemuseum. Und alle haben so ein bisschen diese Zettel verteilt. Und so kriegen wir den einen oder anderen Rückläufer, das könnten noch mehr sein. Aber nichtsdestotrotz sind die Fragen immer ganz interessant. Zum Beispiel ist eine Frage: ‚Bei den klinischen Studien wird da unterschieden zwischen Männern und Frauen. Hat man es als Mann leichter, mitzumachen in so einer klinischen Studie als als Frau? Oder ist es genau umgedreht? Oder versucht man da, eine ausgewogenes Verhältnis hinzukriegen?‘
Dr. Hermann Theilen: Das ist eine Fragestellung. Wenn Sie eine Studie über Brustkrebs machen, erübrigt sich die Fragestellung eigentlich. Wenn Sie aber eine Studie zum Beispiel über Leukämien machen, dann ist sogar immer wieder ein Diskussionspunkt bei uns in der Ethikkommission gibt es irgendeine geschlechtsspezifische Verfälschung, ob es irgendwo eine Tendenz dazu gibt, dass mehr Männer als Frauen eventuell eingeschlossen werden könnten. Weil genau das soll eigentlich vermieden werden, dass es da nicht plötzlich in der Zulassung endet. Dieses Medikament kann nur für Männer oder nur für Frauen zugelassen werden. Das ist etwas, da achten wir auch mit drauf. Aber da achten die entsprechenden Initiatoren der Studien noch viel, viel mehr drauf, weil die ja interessiert sind an einem möglichst breit aufgestellten Ergebnis.
Stefan Wiegand: Konsens so weit?
Prof. Martin Bornhäuser: Ja, komplett.
Stefan Wiegand: Die nächste Frage, die uns dazu erreicht hat zu dem Thema ist die ‚Was sind die Motivationen an der Studie teilzunehmen. Für Patienten ganz klar. Das ist so diese Möglichkeit, diese Hoffnung, ein neues Medikament zu probieren. Wenn ansonsten die Randsituation nicht ganz so übersichtlich mehr ist, gibt es finanzielle Gründe, eine Studie ins Leben zu rufen? Ist es ein Teil der Reputation der Forschung, vielleicht auch ein Teil, um eine wissenschaftliche Karriere zu machen? Ich habe eine Studie eingeworben. Ich habe die Möglichkeit, eine Studie auszubauen. Ist das so, dass man das diskutiert?‘
Prof. Martin Bornhäuser: Ist es jetzt aus der Wissenschaftler-Arzt-Perspektive? Die kann ich wahrscheinlich am besten beleuchten. Das ist eine gute Frage, wie immer, weil natürlich da ganz klar ist auch der Punkt Eitel sind wir alle. Und in der Medizin, wenn wir ich habe ja gesagt Uniklinik und wir wollen forschen. Da ist natürlich auch so, dass eine gewisse Daseinsberechtigung auch ist, solche Studien zu machen. Und es ist durchaus so, dass solche Studien ja auch veröffentlicht werden und am Ende ein bisschen auch zum Renommee beitragen, der jeweiligen Einrichtung der jeweiligen Klinik und natürlich auch der Person. Und da darf man sich auch selbst nichts vormachen. Da ist ein bisschen Eitelkeit dabei. Finanzielle Interessen also angesprochen ist ein schwieriges Thema. Offiziell sollte das niemals eine führende Rolle spielen. Aber wir wissen natürlich auch, das ist alles sehr, sehr teuer und da kommen manchmal Interessenskonflikte auf, die man sehr gut für sich auflösen muss. Man sollte aber sich immer wieder klarmachen, dass wenn man das mit gutem Gewissen mit einer Patientinnen Patientin machen sollte finanziell der Anreiz für einen selber nicht das dominierende sein. Aber wir brauchen manchmal vom Staat, von Steuerzahlern, manchmal aber auch von Forschern der Pharmaindustrie einen Support, eine Unterstützung, um solche Sachen zu machen. Weil diese Studien, das haben wir noch nicht besprochen sind auch sehr, sehr teuer.
Stefan Wiegand: Vielen Dank, Herr Professor Bornhäuser. Eine Frage an Frau Stahl noch als letztes Sie haben das ganz toll geschildert, wie Sie so in diese Studie so reingekommen sind. Gab es einen Moment, wo Sie gesagt haben ‚Muss ich diese Studie tatsächlich jetzt fortführen?‘ Sind Sie mal ins Zweifeln gekommen? Was hat Ihre Umwelt, Ihr Umfeld dazu gesagt? Was hat Ihr Partner dazu gesagt? Hat er mit diesem doch vehementen Krankheitsverlauf irgendwann mal gehadert? Gab es da Konflikte?
Ute Stahl: Ich muss dazu sagen, dass ich diese Zeit der Transplantation für mich ganz alleine durchgeführt habe. Ich war da schon in Trennung und habe keine Geschwister oder andere Verwandte. Meine Eltern waren über 80 Jahre. Ich habe das also vollkommen für mich gemacht. Ich hatte damals sogar auf Station gesagt, dass ich auch keinen Besuch möchte. Ich wollte das einfach für mich durchziehen. Deswegen gab es gar keine Konflikte, weil ich es eben nur für mich gemacht habe und auch nur für mich entschieden habe.
Stefan Wiegand: Nicht ganz einfach. Vielen Dank.
Dr. Hermann Theilen: Eine kleine Ergänzung würde ich gerne noch zu Herrn Professor Bornhäuser bringen, die vielleicht gar nicht so zum durchgekommen ist. Die finanziellen Interessen, da muss man sich absolut drüber im Klaren sein, landen ja nie, oder die finanzielle Unterstützung landet ja nie beim Untersucher, sondern die landet bei der Uniklinik und hat dann die Möglichkeit, weitere Untersuchungen initiieren zu können.
Niemand von den Untersuchern bereichert sich persönlich an einer Studie. Das ist ganz,
ganz wichtig, denke ich. Und das darf nie vergessen werden in der Öffentlichkeit.
Dr. Lino Möhrmann: Vielleicht können wir da noch mal kurz auf den Unterschied von Universitätskliniken zu anderen Kliniken eingehen. Macht jede Klinik Studien oder gibt es da je nach Standort Unterschiede? Wie muss man sich das generell vorstellen?
Dr. Hermann Theilen: Herr Bornhäuser ich denke, das können Sie gut beantworten.
Prof. Martin Bornhäuser: Also jede Klinik macht Studien nicht. Das hat auch mit der
Infrastruktur oder mit den jetzt wieder diese ganzen Fremdworte sind schwierig. Also mit den Voraussetzungen. Vor allem machen Studien größere Kliniken, die das Personal haben, die Ausstattung, solche Studien eben auch nach den Standards durchzuführen. Das sind vor allem die über 30 Universitätsklinika, das sind große Maximalversorger, städtische Kliniken. Und mit der abnehmenden Größe nimmt die Wahrscheinlichkeit auch ab, solche Studien durchzuführen. Es gibt aber zum Beispiel auch Arztpraxen oder Ärzte, die ambulant arbeiten, die auch Studien machen. Also auch im ambulanten Sektor gibt es Studien, die laufen. Was man einfach braucht, ist eine gewisse personelle und infrastrukturelle Unterstützung, um das durchführen zu können.
Dr. Lino Möhrmann: Und eine Frage, die wir durchaus öfter mal auch gestellt bekommen, ist die Frage ‚Sind solche forschenden Ärzte weniger gute Ärzte, weil sie ja auch noch Forschung machen und nicht nur Klinik? Oder ergänzt sich das eigentlich ziemlich gut?‘
Prof. Martin Bornhäuser: Das ist natürlich sehr gefärbt und ich würde jetzt fast wieder sagen, das neudeutsche Wort. Ich habe da auch natürlich eine vorgebildete Meinung oder Bias, weil ich kann mich dem ja schlecht entziehen. Ich glaube persönlich, dass wenn man Medizin studiert, was zumindest teilweise auch eine wissenschaftliche Ausbildung ist und wenn man den Anspruch hat, Dinge zu verstehen, zum Beispiel ‚Warum entsteht eine Tumorerkrankung? Was sind vielleicht die genetischen Faktoren, die da eine Rolle spielen?‘ Und wenn man die verstehen möchte und idealerweise kausal behandeln möchte, dann sind die Ärzte, die dieses Verständnis für sich in Anspruch nehmen und solche Studien machen für mich häufig Ärzte, die auch sehr gute Medizin machen. Aber das kann man wie so häufig nicht generalisieren. Ich würde das aber nicht sagen, dass sich das gegenseitig ausschließt. Im Gegenteil, ich finde eher, dass es sich unterstützt gegenseitig.
Dr. Lino Möhrmann: Herr Theilen?
Dr. Hermann Theilen: Das ist, denke ich, auch eine Frage, die sich stellt im Setting, wo die Studie stattfindet. Das ist eben der Vorteil der Universitätskliniken, die ja letzten Endes so aufgestellt sind, dass auch ein gewisser Teil der Ärzte auch für einen zeitlich eingeschränkten Bereich freigestellt werden können, um Studien durchzuführen im Rahmen auch ihrer Facharztweiterbildung und sich da eine besondere Expertise zu erarbeiten. Das ist mit Sicherheit für die weitere Karriere und für das Wissen, was Herr Professor Bornhäuser schon sagte, entscheidend. Dass man dann eben mit seiner ausgesprochenen Expertise und den breiten, auch im universitären Bereich aufgestellten Weiterbildungsinhalten dann schon einen sehr großen Wissensspielraum sich erarbeitet. Ich halte die meisten der Forscher auch, die ich kenne, muss ich sagen, auch für ausgezeichnete Mediziner.
Dr. Lino Möhrmann: Sie haben das vorhin angesprochen, dass die Ethikkommission ja auch berät. Heißt das, dass auch so ein forschender Arzt eine zusätzliche Ausbildung
kriegt oder haben muss, um so was durchführen zu können?
Dr. Hermann Theilen: Wenn man Arzneimittelgesetzstudien, Medizinproduktegesetzstudien durchführt, muss man auf jeden Fall eine Weiterbildung mitgemacht haben. Acht Doppelstunden sind gefordert, die von entsprechend weitergebildeten Spezialisten geboten werden, wo man eben die sogenannte GCP, die Good Clinical Practice, wie man das so schön neudeutsch sagt.
Leonie Imberger: Frau Stahl, wir haben Sie ja vorhin ganz selbstverständlich als Patientenvertreterin vorgestellt. Aber ich habe mich gefragt ‚Was ist das eigentlich? Wer kann Patientenvertreter/vertreterin werden? Und was sind die Aufgaben?‘
Ute Stahl: Also Patientenvertreter, im Patientenbeirat sozusagen mitarbeiten, kann eigentlich jeder werden, Patient oder auch Angehöriger von einem Patienten. Und ich bin da schon einige Jahre. Aber voriges Jahr hat sich ja der Patientenbeirat hier vom Uniklinikum noch mal neu aufgestellt, auch in dem Zusammenhang, dass neue Standorte vom NCT gebildet werden. Und unsere Aufgabe ist zum einen. Also wir haben uns da ein bisschen aufgeteilt. Wir sind ungefähr zehn Mann und Frauen, wir haben uns ein bisschen aufgeteilt. Manche machen so was wie Patientenkaffee oder besuchen auch mal einen Patienten und einige, und da bin ich so mit in diesem Bereich, wir gehen mehr in Forschung, wo wir also auch Studien begleiten. Und das ist eine sehr interessante Sache, wenn man damit reinkommt als Begleiter von so einer Studie. Und das sind so unsere Aufgaben im Patientenbeirat.
Leonie Imberger: Was heißt das konkret, eine Studie zu begleiten?
Ute Stahl: Ja, da gibt es zum Beispiel eine sehr schöne Studie, die ich für mich sehr interessant ist. Das ist ob ein Patient, der transplantiert wurde, online betreut werden kann oder auch zu Hause betreut werden kann. Also diesen Online Doc oder Online Sister oder Nurse, das sozusagen dann der Patient nicht wenn er entlassen worden ist, ständig in die Uniklinik fahren muss, zum Beispiel wenn er ländlich wohnt. Was mich ja betroffen hat. Für mich war zum Beispiel, als ich die erste Zeit wöchentlich nach meiner Entlassung in die Uniklinik musste. Das ist eine regelrechte Tortur. Es ist mir schwergefallen, eine Stunde im Auto zu sitzen und mich einfach nur fahren zu lassen, weil ich einfach so fertig war. Und wenn der Patient aber zu Hause betreut werden kann und auch Veränderungen, die auftreten durch die betreuende Schwester oder den Arzt, der online sich zuschaltet, zum Beispiel sofort aufgenommen werden können und vielleicht gleich eingegriffen werden kann, sodass es dem Patienten besser geht, finde ich, ist das eine ganz hervorragende Sache. Und da sind wir als Patientenvertreter für solche Sachen natürlich da auch ganz, ganz offen und machen da auch gerne mit und bringt auch unsere Erfahrungen, die wir ja selber dann auch in dem Zusammenhang gehabt haben, mit ein.
Leonie Imberger: Ja, genau. Das klingt nach ganz wichtiger Arbeit, die Sie ja dann auch mit Ihren eigenen Erfahrungen bereichern können. Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass diese Patientenvertreter dann auch in verschiedenen Fachrichtungen so ein bisschen Experten sind? Also betreuen sie jetzt nur onkologische Patienten und Studien oder wie sind sie organisiert?
Ute Stahl: Also genau. Also nur onkologische und bei mir, wenn es geht natürlich hämatologische Erkrankungen, weil das wirklich ja von mir dann von meiner Erfahrung her kommt.
Leonie Imberger: Genau. Herr Professor Bornhäuser, was würden Sie denn sagen, an welchen Stellen in Ihrer klinischen oder auch forschenden Arbeit Sie die Patientenvertreter besonders schätzen?
Prof. Martin Bornhäuser: Also eigentlich schätzen wir Sie immer und haben das, ich gebe das auch offen zu vor Jahren etwas vernachlässigt. Inzwischen ist es so, dass wir versuchen, in der Entstehung einer Studie das Konzept den Patientenvertreterinnen und -vertretern vorzustellen und Feedback zu bekommen, wie sie das empfinden, diese Studien, Fragestellungen und ob sie das für sinnvoll erachten und unterstützen würden. Es ist natürlich häufig so, dass sie jetzt nicht zu uns sagen ‚Das macht keinen Sinn.‘ Wir haben uns ja auch Gedanken gemacht, aber wir sind dann dankbar für Input und dadurch kann die Studie besser werden. Also wir würden das Empfinden als eine Möglichkeit, einen breiteren Blick auf diese Studie zu haben und eine Verbesserung der Studie zu haben und idealerweise am Ende auch ein Feedback für die Patientenbeiräte, was dabei rausgekommen ist. Das ist so unser Ziel mittelfristig.
Leonie Imberger: Und wo sehen Sie die Rolle für die Weiterentwicklung der Medizin? Meinen Sie, es könnte ein Schritt hin zu einer mehr personalisierten Behandlung sein?
Prof. Martin Bornhäuser: Ja, Also, ich denke schon. Also ich denke, dass wir halt zunehmend das ist auch so ein Punkt, der vor allem bei uns jetzt in der Behandlung von Krebserkrankungen eine Rolle spielt. Nicht nur früher haben wir das ist böse, das jetzt hier zu sagen. Aber wir haben natürlich vor allem geschaut - Geht der Krebs weg, kommt er wieder und lebt der Patient länger mit der Behandlung? Idealerweise. Aber was heute eine viel größere Rolle spielt, sind so Dinge Wie fühlt sich der Patient dabei? Und das Thema Lebensqualität? Das heißt, wir müssen auch und da brauchen wir die Patienten dazu fragen ‚Wirkt die Behandlung und wie fühlt der Patient sich? Es bringt zum Beispiel nichts, wenn die Behandlung wirkt und der Patient fühlt sich schlechter dabei. Idealerweise müssen wir so Aspekte wie Lebensqualität ganz in den Vordergrund stellen. Und das ist eine neue Facette in den letzten Jahren, wo die Patienten wichtig sind in der Beteiligung.
Leonie Imberger: Wie kommt denn diese ganzheitlichere Perspektive in die Ethikkommission?
Dr. Hermann Theilen: Also in der Ethikkommission eigentlich nur über die Verständlichkeit letzten Endes. Das Wichtige ist einfach, dass der Patient weiß, was mit ihm passiert. Das halte ich für ganz, ganz zentral, auch in der normalen Medizin, dass wir den Patienten klar machen, was wir wissen, aber eben auch, was wir nicht wissen. Wir dürfen den Patienten nicht sagen, wir werden sie schon heilen, wenn wir selbst nicht wirklich sicher sind, dass es passiert, sondern dann müssen wir eben sagen, es könnte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sein, dass wir sie heilen. Aber es kann auch passieren, dass die ganze Erkrankung schlimmer wird. Und das ist im Rahmen der Ethikkommission bei den Versuchen schon ein ganz, ganz zentrales Element, was wir versuchen abzuarbeiten. Dieses Abwägen, der mutmaßliche Wille des Patienten muss wirklich ganz, ganz sicher sein über das Wissen, was mit ihm passiert und was er für Risiken auf sich nimmt. Da gibt es fürchterliche Beispiele. 2006 wurde mal ein Medikament in England getestet. Erste Anwendung am Menschen. Die Patienten waren hinterher alle schwerstkrank, sind auch nach wie vor schwerstkrank. Einige haben es bis jetzt nicht überlebt. Von diesen Sachen. Das sind seltene Fälle, aber das sind Sachen, da muss man eben über die Besprechung des Verfahrens in der Ethikkommission auch sehen, dass es möglichst wenig Patienten gibt, die diesem Risiko ausgesetzt werden. Dass das Prozedere hinterfragt wird, wie die Studie abläuft, das ist eigentlich das, was der Ethikkommission in dem Moment obliegt. Aber der Arztauftrag an sich geht ja dann weiter.
Dr. Lino Möhrmann: Jetzt haben wir schon fast den nächsten Block erreicht und da können sich alle jetzt noch mal Gedanken machen. Die Frage ist ja, wie sieht die Gegenwart aus, wie sieht die Zukunft aus? Ich glaube, ein wichtiger Punkt, den man ja so ein bisschen festhalten kann, was unsere Überschrift angeht Helden der Forschung oder Versuchskaninchen? Versuchskaninchen dürfen und sollen Patienten nie sein. Natürlich kann das Risiko auch einer klinischen Studie nie immer ganz im Voraus eingeschätzt werden. Aber Versuchskaninchen sind Patienten nie, weil sie sind informiert. Sie können sich aktiv entscheiden, ob sie teilnehmen wollen und in welcher Form. Kann man das so grob zusammenfassen?
Dr. Hermann Theilen: Absolut, absolut. Das ist zentral. Sonst ist es allein auch juristisch nicht tragbar, eine Studie durchzuführen. Der informed consent, also die Einwilligung zur Studie, kann nur dann gültig sein, wenn der Patient wirklich verstanden hat, was mit ihm passiert. Nur dann ist er gültig.
Dr. Lino Möhrmann: Und gibt es da noch Verbesserungsmöglichkeiten in der Zukunft oder sind Sie eigentlich schon mit dem zufrieden, was wir mittlerweile an Standard erreicht haben?
Dr. Hermann Theilen: Das Problem ist, dass wir immer mehr wissen. Das ist das große Problem letzten Endes bei den Studien. Wenn Herr Professor Bornhäuser eine Studie heute in der Hämato-Onkologie beginnt, dann weiß er viel, viel mehr an möglichen Nebenwirkungen, die er eventuell benennen muss. Und das ist für den Patienten nicht wirklich einfacher, das dann völlig verstehen zu können. Und das ist eben eine Krux der Zukunft mit zunehmendem Wissen. Frau Büchs hat es so schön gesagt am Sonntag in ihren Reden ‚Wir irren uns empor.‘ Wird es immer so sein, dass wir Irrtümer begehen, um letzten Endes Wissenszuwachs zu erhalten? Aber die Irrtümer werden wir nicht vermeiden können, und die können schon auf die Patientenintegrität Auswirkungen haben.
Stefan Wiegand: Der Applaus gilt immer unserer Band, die uns bei den Podcast Reisen quer durch Dresden immer begleitet. Und das ist Jo Aldinger und Patrick Neumann. Und übrigens sind die einzelnen Einspieler, die Kleinen immer für uns speziell arrangiert, komponiert, zusammengestellt. Wenn ihr so nickt, bin ich richtig dran, oder? Allein das lohnt sich ja eigentlich schon, diesen Podcast zu hören, weil es immer eine kleine Abwechslung gibt und immer so ein bisschen musikalisch thematisch auf das jeweilige Spektrum so zugeschnitten ist. Ich habe noch drei Fragen mitgebracht, die uns erreicht haben von Leuten, die unseren Podcast abonniert haben - YOU ASK we explain. Und zwar ist die erste Frage ‚Wird eigentlich jede Studie ausgewertet? Gibt es da eine Publikation? Kann man das mal nachlesen, was da tatsächlich gemacht wurde. Und übrigens gilt das auch für diese Studien, die unterwegs abgebrochen wurden, weil sich abgezeichnet hat, dass das eingesetzte Medikament, das Verfahren wie auch immer, dass das nicht zu dem gewünschten Erfolg führt, wo es eigentlich hingehen sollte.‘ Herr Professor Bornhäuser, Sie holen Luft.
Prof. Martin Bornhäuser: Ja, ich atme tief. Es ist tatsächlich auch eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Das ist ganz wichtig. Alle Studien, die von Ethikkommission beraten werden, die wir einreichen, müssen heutzutage registriert werden. Und dadurch entsteht eine Transparenz. Das heißt, jede Studie, an der ich beteiligt wird, kann jeder im Internet wiederfinden und kann auch schauen, ob die Studie so durchgeführt wurde, wie sie geplant war und kann auch einfordern, dass die Studie publiziert wird. Und das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal, dass man diese Studien, die man durchführt, auch später den Teilnehmenden und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, weil sie ein Recht darauf hat. Und das trifft vor allem auch auf Studien zu, die nicht erfolgreich waren, weil da war natürlich ein gewisser Vorbehalt auch früher muss man zugeben, da, dass über gescheiterte Studien vielleicht nicht ganz so häufig berichtet wurde wie über erfolgreiche. Und das ist inzwischen gewährleistet, weil man das im Internet nachschauen kann und das Transparent in Registern geregelt ist.
Stefan Wiegand: Da gibt es noch einen B-Teil von der Frage, das hatte ich beim A-Teil noch nicht erwähnt. Der B-Teil ist, kann ich diese Publikation auch lesen und verstehen als jemand, der vielleicht maximal ein semiprofessionelles Wissen hat?
Dr. Hermann Theilen: Ich würde sagen nein.
Prof. Martin Bornhäuser: Auch da wird es aber besser. Ich bin ja jemand, der immer sagt Vieles wird besser. Herr Theilen hat auf der einen Seite recht, aber was es heutzutage oft gibt, sind Visualisierung. Also ich bin da jetzt selbst ein paar Mal Zeuge geworden. Tatsächlich sind diese wissenschaftlichen Artikel sehr, sehr trocken. Sehr oft sind sie Englisch, also eigentlich immer. Sie haben ganz komplizierte Abbildungen und Tabellen und sind sehr detailliert. Und es geht viel um Statistik. Aber was neu ist und schön ist, dass versucht wird, das zu visualisieren, also in einem Cartoon abzubilden. Was ist da eigentlich untersucht worden? Wie sahen die Gruppen aus und was ist so ungefähr rausgekommen? Und da gibt es manchmal schöne Abbildungen, wo man in 60 Sekunden eigentlich schon mitbekommt, auch als Laie, um was es geht.
Stefan Wiegand: Eine Frage an Frau Stahl hat uns noch erreicht und zwar ist die darauf gerichtet ‚Was war eigentlich so der Auslöser, das Momentum, wo sie sagen Naja, jetzt habe ich mich für diese Studie entschieden, jetzt habe ich da Vertrauen gefasst. War es ein Arztgespräch? War es eine eigene Recherche? War es ein Gespräch mit Freunden? War es ein Traum? Frühmorgens aufgewacht und gesagt Jetzt geht es los oder Wie war das bei Ihnen?‘
Ute Stahl: Also man muss ja trotzdem bei mir immer davon ausgehend, dass das vor 15 Jahren war. Also da ist sicherlich vieles auch mittlerweile besser oder transparenter geworden. Es waren aber bei mir wirklich Arztgespräche und ein Arzt, der Professor Schetelig hatte mich damals betreut, hatte mich in der Klinik auch aufgenommen und hat, bevor ich aufgenommen wurde, zu mir gesagt ‚Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie noch eine Frage haben, ob es für die Studie ist oder für die Transplantation überhaupt.‘ Und ich war dann ein paar Tage im Winterurlaub und Handy war vor 15, 16 Jahren auch noch nicht so das Wahre. Ich bin dann an eine Telefonzelle gegangen, weil ich wirklich noch eine Frage hatte und habe ihn angerufen und war total begeistert. Der war dran, der war wirklich dran und hat auch gewußt, was er mir antwortet. Ich war für ihn präsent, sozusagen. Er wusste also, was ich wissen wollte, hat mir geantwortet und da war das Ding. Ich hatte dann den Umschlag auch mit der Zustimmung für die Transplantation und die Studie hatte ich mit im Urlaub und habe das dann dort in den Briefkasten gesteckt und habe dann gesagt, da gab es ja auch noch nicht das Ganze mit Email usw. also ich habe dann dort meine Zustimmung gegeben und das war für mich dann auch erledigt. Dann wusste ich, jetzt gehe ich diesen Weg. Es war ein Arzt.
Stefan Wiegand: Ja schön, so ein Kompliment an die Ärzte kann man nicht anders sagen, oder? Dann eine letzte Frage noch, die ich ausgewählt habe aus dem Portfolio ‚Gibt es eine Situation, Herr Doktor Theilen, gibt es eine Situation, in der Sie als Mitglied in der Ethikkommission sagen würden ‚Nein.‘ Kann man so ein Verfahren mal so ein bisschen erklären? Was sind eigentlich die Schranken, in denen Sie sich bewegen, und welches Gewicht hat Ihr Votum dann am Ende?
Dr. Hermann Theilen: Die großen Arzneimittelgesetz Studien dürfen nicht ohne Ethikvotum durchgeführt werden. Es gibt mit Sicherheit Grenzen der Untersuchung. Es gibt auch schon Anträge, die wir abgelehnt haben. In der aktuellen Form ganz besonders vulnerabel sind oder empfindlich sind dabei Kinder und Jugendliche, die auch in Studien natürlich erfasst werden müssen, weil man ja auch bei denen Therapien machen muss. Ganz besonders empfindlich sind nicht einwilligungsfähige Patienten. Die unterliegen besonderen Gesetzmäßigkeiten und da muss mit einer ganz, ganz hohen Genauigkeit hinterfragt werden, ob das, was hier passiert, erstens eigentlich verstanden werden kann, wenn ja, von wem. Die Eltern müssen ja sowieso mit einwilligen. Und darf das bei den Kindern überhaupt gemacht werden? Sie können kein Medikament bei Kindern anwenden, die bei Erwachsenen noch nicht untersucht worden sind. Es sei denn, es ist wirklich etwas ganz ganz speziell nur für Kinder vorgesehen ist. Und Studien zuerst an Kinder durchzuführen, würden wir ablehnen, wenn es nicht wirklich ganz harte Argumente gibt. Die anderen Studien, die man eben auch versucht sehr, sehr vorsichtig oder mit sehr, sehr hohen Hürden zu versehen, sind Studien, bei denen möglicherweise ein verstecktes Potenzial. Wenn man, ich will es mal ganz konkretisieren, Alkoholstudien nimmt. Wenn man Alkoholiker dazu bringt, Alkohol zu nehmen, um ihren Grad an Kontrollfähigkeit zu untersuchen, ist das mit Sicherheit etwas, was dem einen oder anderen Setting einen sehr großen Nutzen bringen kann. Was aber in allgemeinem Wissen dann vielleicht zu der allgemeinen Überschrift, die auch in der Mopo genauso formuliert worden ist ‚‘ formuliert werden kann. Und das ist etwas, da muss man wirklich sehr vorsichtig sein, weil das sehr, ein sehr empfindliches Gut ist. Müssen wir alles wissen oder gibt es nicht doch irgendwo Grenzen, die man aus ethischen Gründen einhalten muss? Und das sind wenige. Aber sie gibt es.
Stefan Wiegand: Noch der B-Teil der Frage. Damit so eine gewisse Gerechtigkeit gibt. Sie sind Arzt. Sie sind Wissenschaftler. Sie sind aber auch Mensch und Persönlichkeit. Gibt es Schranken, wo Sie sagen ‚Da kann ich mein Votum nicht geben? Das ist so für mich das Korrektiv, in dem ich mich bewege.‘
Dr. Hermann Theilen: Mit Sicherheit gibt es da Schranken, die vor allen Dingen schutzbedürftige Menschen betreffen. Aber man muss auch dazu sagen Es gibt im Rahmen der Beratungen der Ethikkommission auch ganz unterschiedliche Ansatzpunkte, die Schranken bedingen können. Wenn Sie jetzt zum Beispiel die Therapie an Pränatalmedizin sehen, also Medizin von Kindern, die noch nicht auf der Welt sind, oder auch Pränatal-Diagnosen. Ist das Kind behindert, könnte es behindert werden? Dann kann das ja bedeuten theoretisch, dass man mit dieser Studie gewisse Tendenzen den Eltern an Heim legt: Treib es ab. Es ist behindert. Das würde ich ablehnen, um das zu Ende zu führen.
Dr. Lino Möhrmann: Wir kommen langsam auch dem Ende zu. Wir sind jetzt im letzten Abschnitt und ich denke, wir haben jetzt einiges schon gehört, einiges gelernt. Ich denke, ein Fazit, was man durchaus ziehen kann, ist, dass das gar nicht so schlecht läuft mit der klinischen Forschung. Weil wenn man jetzt vergleicht, was wir im Jahr 2023 können mit dem, was wir noch in den 1990 er Jahren gemacht haben, sind wir doch einiges vorangekommen. Also Patienten haben teilweise deutlich bessere Prognosen, sei es jetzt tatsächlich die Krebserkrankung oder irgendwas anderes, so dass es einen Unterschied macht, ob ich jetzt 1995 Krebs bekommen habe oder 2023. Nichtsdestotrotz kleiner Ausblick für die Zukunft und die Frage geht an alle drei. Vielleicht können wir das der Reihe nach einmal durchgehen. Machen wir jetzt einfach so weiter, weil es läuft ja schon gut. Oder wollen wir irgendwo noch besser werden? Gibt es noch etwas, was wir wirklich beheben müssen, damit wir nicht auch schlechter werden? Vielleicht.
Ute Stahl: Also ich würde. Zu dem Fachlichen kann ich ja nichts sagen, aber ich würde enken, man darf nichts für normal annehmen. Man muss immer wieder dranbleiben. Es muss immer weiter an der Heilung der Patienten geforscht werden. Je besser das transparenter gemacht wird für den Patienten und die Angehörigen, umso mehr kann er sich vielleicht auf so eine Behandlung einlassen. Das denke ich. Das würde so für die Zukunft für mich wichtig sein. Zum Beispiel.
Dr. Hermann Theilen: Also ich habe die Hoffnung, dass vielleicht irgendwann noch mal ein kleiner Bruch kommt um die Reglementierung und Kommerzialisierung in der Forschung nicht ausufern zu lassen. Mich macht es sehr betroffen, wenn ich jetzt wie vor zwei Tagen in der Zeitung lesen muss: Ein Medikament hat keine Wirksamkeit erwiesen und prompt geht der Kurs der Aktie von dieser Firma um 5 % runter. Was hat das bitte damit zu tun? Die Firma hat sich bemüht, ein Medikament zu entwickeln, was den Menschen eventuell helfen kann und wird dann damit bestraft, dass plötzlich der Wert der gesamten Firma um 5 % und das kann sich um Milliarden handeln nach unten geht. Die Reglementierung meine ich damit, dass wir mehr und mehr auch gezwungen werden, auch in der Ethikkommission in kürzesten Fristen komplizierteste Studien uns anzugucken, weil das über das europaweite System, was jetzt implementiert worden ist, dieses Clinical Trials Information System funktioniert von vorne bis hinten nicht aktuell. Es gab ja auch schon die entsprechenden Alarmrufe, dass man mit dieser Reglementierung auch die Genauigkeit und die Zuverlässigkeit auch in der Beratung der Ethikkommission verliert. Und da hoffe ich, dass irgendwann mal ein kleines Einlenken stattfindet.
Dr. Lino Möhrmann: Vielleicht darf ich da einmal noch kurz nachfragen. Wir haben ja in Pandemiezeiten gesehen, dass, wo der Druck jetzt sehr groß war, manche Sachen ja doch schneller geklappt haben als sonst. Ist das eine Möglichkeit zu einer neuen Normalität, wie Dinge schneller werden können? Oder ist das eher gefährlich?
Dr. Hermann Theilen: Es ist zweischneidig, es kann beides sein. In dem Fall der Kovitforschung war es auf jeden Fall etwas, was mit Sicherheit Tausenden oder mehr Menschen ganz entscheidend hat helfen können. Weil aber auch die Unterstützung da war, das ganz schnell durchzuführen. Aber es gibt viele Studien, bei denen man im Jahr vielleicht 50 Patienten rekrutieren kann, weil es um spezielle Fragestellungen geht von seltenen Erkrankungsbildern. Da wird es nicht so einfach möglich sein. Das ist einfach von Fragestellungen zu Fragestellungen absolut individuell zu beantworten.
Prof. Martin Bornhäuser: Ich kann kurz antworten. Es ist vieles besser geworden, aber wir müssen deutlich weiter kompetitiv bleiben. In Deutschland gibt es zwei Punkte. Wir müssen weniger Bürokratie haben in Zukunft. Und wir müssen uns aufraffen, internationaler zu denken. Und das ist gerade für Deutschland wichtig. Da ist die Bürokratie manchmal ein Hemmnis, weil wir die Erkrankung dieser Komplex geworden sind, in Zukunft nur in internationalen Netzwerken richtig gut behandeln können. Und diese Studien müssen international aufgesetzt sein, und dafür müssen wir uns ertüchtigen, was Datenschutz betrifft, was Flexibilität betrifft, was weniger Bürokratie betrifft. Und da trauen wir natürlich, wenn wir auch den Patienten, die keinen Zugang haben zu dem, was wir machen, in Ländern, die ökonomisch nicht so gut gestellt sind: Stichwort Afrika, dass wir denen den Zugang zu solchen Dingen auch ermöglichen, das ist eine große Herausforderung.
Dr. Lino Möhrmann: International heißt jetzt zum Beispiel allein schon über europäische Grenzen hinweg. Aber wir haben jetzt auch schon gehört, gerade das kann wieder bürokratische Hürden schaffen, die gar nicht so leicht zu nehmen sind. Das heißt, die Weiterentwicklung scheint immer so ein bisschen zwiegespalten zwischen diesen beiden Richtungen. Wir wollen es eigentlich besser machen, aber irgendwie sorgen wir auch teilweise für bürokratische, neue Hürden, die uns ein bisschen langsamer machen.
Dr. Hermann Theilen: Wenn man die Krankheitsdaten auf die Bermudainseln geben, haben sie mit Sicherheit nicht das Datenschutzelement, was hier in Europa herrscht. Und wenn die ihre sensiblen Krankheitsdaten in die falschen Hände geraten, können sie da einen sehr, sehr großen Nachteil daraus bekommen.
Dr. Lino Möhrmann: Aber ich denke, insgesamt ist das Fazit positiv. Kann man so sagen.
Dr. Hermann Theilen: Auf jeden Fall.
Dr. Lino Möhrmann: Gut. Ja. Letzte Worte. Ansonsten denke ich, wollen wir eigentlich mit einem positiven Fazit schließen. Wir haben immer sehr provokante Titel, deswegen das Versuchskaninchen im Titel. Aber das, was ich wirklich will, das alle hier mitnehmen, die uns zuhören, ist Patienten sind keine Versuchskaninchen. Wir machen klinische Studien immer mit einem aufgeklärten, informierten Patienten, der sich aktiv jederzeit dagegen entscheiden kann oder dafür, wie er will. Und wir machen Fortschritte. Krebs ist zum Beispiel nicht mehr die Erkrankung, die es noch in den 80er Jahren war. Andere Beispiele wie Herzinfarkt, Schlaganfall, alles wird besser, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, dass unsere Welt jeden Tag etwas schlechter wird. Es gibt große Probleme, aber wir werden insbesondere in der Medizin durchaus besser. Und ich glaube, jeder von uns kann froh sein, dass wir in dieser neuen Zeit leben und nicht vor 100 Jahren. Damit möchte ich schließen. Ich möchte mich noch mal bei allen bedanken, insbesondere natürlich bei unseren Gästen, bei der Band, aber natürlich auch beim Hygienemuseum, was uns ermöglicht, hier in diesen Räumlichkeiten den Podcast aufzunehmen und natürlich auch bei unserem Publikum, das heute Abend da ist, der Technik und allen Menschen, die involviert waren bei der Organisation. Und wir freuen uns natürlich auch schon auf den nächsten Podcast. Vielen Dank an alle!
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When: 28.03.2023, 18:00 h
Where: German Hygiene Museum Dresden
Our Advisors:
© Stephan Wiegand
Prof. Dr. med. Martin Bornhäuser - Chief Physician and Clinic Director MK1 at the University Hospital Dresden and Managing Director of the NCT/UCC Dresden
© Stephan Wiegand
Ute Stahl - Patient representative of the NCT/UCC Dresden Patient Advisory Board, Board member of the Association for Bone Marrow and Stem Cell Donations e.V.
© Stephan Wiegand
PD Dr. med. habil. Hermann Theilen - Senior Staff Physician at the Clinic and Polyclinic for Anesthesiology and Intensive Therapy and Deputy Chairman of the Ethics Committee
Moderator:in:
- Dr. med. Lino Möhrmann - Physician at the Department of Translational Medical Oncology at the NCT/UCC Dresden and prospective Clinical Scientist at the Else Kröner Forschungskolleg
- Leonie Imberger - 5th year medical student and member of the Biomedical Genomics Group at the Biotec Center
Musical accompaniment:
- Jo Aldinger jochenaldinger.de
- and Patrick Neumann www.patrickneumann.net
This project is funded by the Federal Ministry of Education
and Research (BMBF) and the Free State of Saxony as part of the Excellence Strategy of the
Federal and State governments.