05.09.2019
Menschen in Europa trinken weiterhin mehr Alkohol als anderswo auf der Welt
Die folgende Pressemitteilung wurde am 4. September 2019 vom Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlicht. Die epidemiologischen Daten für die zugrundeliegende Studie des Reports entstanden unter Mitwirkung von Wissenschaftlern des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden.
Aus einem vor kurzem veröffentlichten Bericht der WHO geht hervor, dass der schädliche Alkoholkonsum in Europa nicht in dem erwarteten Maße rückläufig ist, obwohl alle Länder den Europäischen Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums (2012–2020) unterzeichnet haben.
Der „Sachstandsbericht über Alkoholkonsum, alkoholbedingte Schäden und Alkoholpolitik in 30 europäischen Ländern (2019)“, in den Daten aus den Jahren 2010 bis 2016 eingeflossen sind, verdeutlicht, dass jährlich über 290 000 Menschen in Europa ihr Leben aufgrund alkoholbedingter Ursachen verlieren. Deshalb werden energischere politische Maßnahmen der Länder gefordert, um diese Zahlen zu reduzieren.
Rückgang des Alkoholkonsums stagniert
Im Durchschnitt trinken Erwachsene (ab 15 Jahren) in den Ländern der Europäischen Union sowie Norwegen und der Schweiz (EU+) umgerechnet mehr als zwei Flaschen Wein pro Woche. Rechnet man jedoch lebenslange Abstinenzler und ehemalige Trinker aus dem Datensatz heraus, so ergibt sich, dass Erwachsene umgerechnet mehr als drei Flaschen Wein pro Woche trinken, ein Niveau, das mit ernsten gesundheitlichen Folgen verbunden ist.
Ein weiteres Problem ist wiederholtes Rauschtrinken. Insgesamt gaben 30,4% der Befragten an, mindestens einmal in den letzten 30 Tagen mehr als 60 g reinen Alkohol konsumiert zu haben – dies entspricht mehr als fünf alkoholischen Getränken bei einer Gelegenheit. Dieses schädliche Trinkverhalten tritt bei Männern (47,4%) deutlich häufiger auf als bei Frauen (14,4%) und ist am verbreitetsten in den baltischen Ländern, in Tschechien und in Luxemburg.
„Der Alkoholkonsum hat in vielen Ländern der Europäischen Region abgenommen, doch die Fortschritte stagnieren. Die Politiker müssen jetzt die bekanntermaßen wirksamen Strategien wie Preiserhöhungen, Begrenzung der Verfügbarkeit und Werbeverbote umsetzen. In manchen Teilen der Europäischen Region sterben bis zu 800 Menschen pro Tag an alkoholbedingten Schäden: wir müssen den Kampf energischer fortsetzen“, erklärte Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.
Junge Menschen unverhältnismäßig stark von alkoholbedingten Todesfällen betroffen
Alkohol ist eine psychoaktive Substanz, die die körperliche und psychische Gesundheit einer Person beeinträchtigen kann. Von allen alkoholbedingten Todesfällen in der Region EU+ sind 76,4% auf nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs, Leberzirrhose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen, während 18,3% durch alkoholbedingte Verletzungen infolge von Straßenverkehrsunfällen, Suizid und Tötungsdelikten entstehen. Diese Todesfälle sind vermeidbar und stellen eine enorme gesundheitliche Belastung für die Länder dar.
Auch wenn insgesamt ein Rückgang der Todesfälle zu verzeichnen ist, so enthüllt der Bericht doch die erschreckende Tatsache, dass in der Region EU+ Alkoholkonsum immer noch für 5,5% aller Todesfälle verantwortlich ist. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 2016 insgesamt 291 100 Menschen an alkoholbedingten Erkrankungen starben und 7,6 Mio. Lebensjahre durch vorzeitige Sterblichkeit oder Behinderung verloren gingen.
Der Anteil der alkoholbedingten Todesfälle bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist überall in Europa nach wie vor unannehmbar hoch. Nach Ansicht der Autoren des Berichts lassen sich die Mehrheit dieser Todesfälle verhindern. Dies unterstreicht, dass die Gesellschaft verstehen muss, dass Alkoholkonsum zu den führenden Ursachen für verlorene Jahre im Berufsleben und für verlorene wirtschaftliche Produktivität und Entwicklung zählt.
Die Wirkung von Alkoholkonsum hängt von Risikofaktoren wie Rauchen, Ernährung und Armut ab, aber auch von den Gesundheitssystemen. So ist der Abbau gesundheitlicher Benachteiligungen wichtig, um die durch Alkoholkonsum bedingten gesellschaftlichen Kosten zu senken. Überall in Europa sind junge Erwachsene unverhältnismäßig stark von den negativen gesundheitlichen Folgen betroffen. Aus dem Bericht geht hervor, dass jeder vierte Todesfall unter jungen Erwachsenen auf Alkoholkonsum zurückzuführen ist, vor allem durch Verletzungen.
„Alkohol ist eine der häufigsten Todesursachen bei unseren jungen Menschen; deshalb dürfen wir nicht untätig bleiben. Alkoholprodukte werden regelmäßig beworben und jungen Menschen angeboten – trotz Erkenntnissen darüber, dass Alkoholkonsum schädliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns und die körperliche Gesundheit hat. Wir haben hier die nächste Generation von Führungskräften vor uns, und wir müssen sie schützen. Der Aktionsplan hat nur noch ein Jahr Laufzeit, also müssen wir unsere Anstrengungen deutlich erhöhen“, erklärte Dr Carina Ferreira Borges, Leiterin des Programms Alkohol und illegale Drogen beim WHO-Regionalbüro für Europa.
Die wirksamsten Konzepte nicht umgesetzt
In dem Bericht werden die Länder dringend aufgefordert, ihre politischen Gegenmaßnahmen weiter zu verbessern und sich dabei an den im Europäischen Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums (2012–2020) genannten Handlungsfeldern zu orientieren, um die Dynamik aufrechtzuerhalten und zu beschleunigen.
Ein besonders besorgniserregender Umstand ist die unzureichende Nutzung von Werbe- und Preisgestaltungskonzepten, da diese nachweislich zu den wirksamsten Handlungsoptionen gehören. Am erfolgreichsten waren die Länder bei der Umsetzung von Sensibilisierungskampagnen, Maßnahmen gegen Trunkenheit am Steuer und Surveillancemaßnahmen, da diese am leichtesten durchzuführen sind und offenbar den geringsten Widerstand hervorrufen.
Faktenblätter über Alkoholkonsum in den Ländern (2019)
Informationen für Journalisten:
Dipl.-Psych. Jakob Manthey
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Fakultät Psychologie
Tel.: 0351 463-37661