Wissenschaftliches Arbeiten
Liebe Masters-Studenten,
im Sommersemester 2017 werde ich den Modul "Wissenschaftliches Arbeiten" halten:
Di 2. DS und 4. DS; OPAL-Einschreibung: Gruppennummer 14-Ma-WIA-So17.
Ich schlage dafür vier Gebiete vor, die meine Forschung abdecken und zu Masters- und Promotionsprojekten bei mir und einigen anderen Professoren in Algebra und Geometrie führen können:
1. Kategorientheorie
2. Hopfalgebren
3. K-Theorie und nichtkommutative Geometrie
4. Homologische Algebra
Ihr könnt mir gerne Fragen oder Kommentare per E-Mail schicken und insbesondere sagen, welches der Gebiete Euch am meisten interessieren würde:
Kategorientheorie
In der reinen Mathematik laufen die meisten Gebiete so ab: Man definiert irgendwelche Objekte (wie Gruppen, Mannigfaltigkeiten, Hilberträume...) und dann studiert man Abbildungen zwischen diesen Objekten, die deren Struktur erhalten (Homomorphismen, glatte Abbildungen, beschränkte Operatoren in den obigen Beispielen). Ein generelles Ziel ist es immer, die Objekte bis auf Isomorphie zu klassifizieren.
Die Gesamtheit aller dieser Objekte und Morphismen einer Theorie nennt man eine Kategorie, und die Kategorientheorie ist zunächst einfach eine vereinheitlichende Sprache für die diversen Teilgebiete der Mathematik. Manch Resultat wird dadurch verallgemeinert, und ferner studiert man auch die Beziehung verschiedener Gebiete durch Funktoren wie z.B. die Fundamentalgruppe, die Topologie und Gruppentheorie verbindet. In vielen Theorien gibt es auch noch Morphismen zwischen Morphismen, wie z.B. Homotopien zwischen stetigen Abbildungen, den Morphismen in der Kategorie der topologischen Räume. Dies führt zu höheren Kategorien.
Die Kategorientheorie entstand in der Algebra und Topologie, wird aber auch extensiv von vielen Geometern, Logikern, Informatikern und Physikern genutzt, ein solides Grundwissen hat daher noch niemandem geschadet.
Je nach Vorkenntnissen und Interessen und Lust und Laune könnten zum Beispiel die folgenden Texte als Grundlage des Moduls dienen, zumindest in den ersten Wochen:
+ Mac Lane, Saunders, Categories for the working mathematician, ein Evergreen, den fast jeder Algebraiker und Topologe irgendwann mal liest.
+ Baez, John; Stay, Mike, Physics, topology, logic and computation: a Rosetta Stone, eine lange Gutenachtgeschichte, PDF findet Ihr im Netz, ziemlich vage aber als Inspiration sehr gut, falls man sich für Physik, Logik oder Informatik interessiert.
+ Kock, Joachim, Frobenius algebras and 2D topological quantum field theories, auch ein relativ bekanntes Buch, das die kategorientheoretischen Themen an der Grenze von Geometrie und Physik behandelt.
+ Leinster, Tom, Higher operads, higher categories, modernen Klassiker in Sachen höhere Kategorientheorie.
Hopfalgebren
Die Definition einer Hopfalgebra findet Ihr leicht im Netz und vielleicht aber erstmal auch etwas abstrakt, insbesondere kommen da Tensorprodukte vor. Die ersten Beispiele, die einem so einfallen, haben alle etwas mit Symmetrien zu tun: Die Gruppenalgebra einer Gruppe, die universelle Einhüllende einer Liealgebra, oder der Ring der polynomialen Funktionen auf einer kompakten Liegruppe sind alles in natürlicher Weise Hopfalgebren.
Vor gut 30 Jahren hat man dann eine neue Klasse von Hopfalgebren entdeckt, die Quantengruppen. Hier verbiegt (“quantisiert”) man die obigen Beispiele ein wenig, und das Spannende ist, dass immer noch viele Dinge genauso funktionieren wie zuvor, andere sich aber dramatisch ändern. Genau wie für Gruppen erhält man z.B. eine Kategorie von Darstellungen, aber diese definiert auf einmal Invarianten von Knoten. Auch in der Physik (z.B. integrable Systeme) gibt es Anwendungen, auf die man eingehen kann, aber nicht muss. Genauso könnte man über noch allgemeinere Objekte reden, wie z.B. Hopfalgebroide und Hopfmonaden.
Wieder einige Ideen zur Literatur:
+ Kassel, Christian, Quantum groups, insbesondere für die Bezüge zur Knotentheorie.
+ Chari, Vyjayanthi; Pressley, Andrew, A guide to quantum groups, insbesondere für die Bezüge zur Lietheorie und Poissongeometrie.
+ Montgomery, Susan, Hopf algebras and their actions on rings, für Freunde der reinen Algebra. Böhm, Gabriella, Hopf algebroids, ein Surveyartikel, findet Ihr im Netz.
K-Theorie und Nichtkommutative Geometrie
In der algebraischen Geometrie und globalen Analysis beschreibt man Objekte aus Geometrie und Topologie nicht als Punktmengen mit irgendwelchen Zusatzstrukturen, sondern studiert geeignete Ringe von Funktionen auf diesen Mengen. Zum Beispiel kann man einen kompakten Hausdorffraum durch den Ring der stetigen komplexwertigen Funktionen beschreiben. Ein Punkt des Raums entspricht einem maximalen Ideal dieses Ringes. Ein Vektorbündel entspricht einem endlich erzeugten projektiven Modul über dem Ring, nur falls Euch das was sagt. In der nichtkommutativen Geometrie geht man von dieser algebraischen Umformulierung von Geometrie und Topologie aus und wendet die Definitionen und Sätze auch auf nichtkommutative Ringe an. Dies führt zu Anwendungen z.B. in der Darstellungs-, Gruppen- und Ringtheorie oder auch der Mathematischen Physik. Oft denkt man dadurch aber auch einfach nur genauer über die klassischen Konzepte nach und versteht sie besser.
Dies ist ein weites Feld, und ich würde es je nach Euren Interessen etwas eingrenzen, aber ein möglicher Ansatzpunkt wäre die K-Theorie, deren Ausgangspunkt die Klassifikation der endlich erzeugten projektiven Moduln über einem Ring ist. Wenn man es handfest mag, ist K-Theorie also in erster Näherung einfach lineare Algebra über Ringen statt Körpern. Man kann locker ein ganzes Semester nur damit zubringen, aber auch zu Themen wie der zyklischen Homologie, dem Cherncharakter oder Spektraltripeln übergehen. Letztere sind nichtkommutative Verallgemeinerungen von Spinmannigfaltigkeiten, die im Modul “Algebraische Methoden in der Geometrie” behandelt werden. Ich will den Modul WIA aber auf jeden Fall unabhängig von dieser VL halten.
+ Rosenberg, Jonathan, Algebraic K-theory and its applications, ein Standardbuch zur K-Theorie.
+ Brodzki, Jacek, An introduction to K-theory and cyclic cohomology, kürzer, gibts im Netz, geht etwas mehr in Richtung algebraische Topologie und C ∗-Algebren.
+ Várilly, Joseph C., An introduction to noncommutative geometry, ein kleines Büchlein, das eine relativ elementare Einführung in die Theorie der Spektraltripeln bietet.
+ Connes, Alain, Noncommutative differential geometry, Connes hat der nichtkommutativen Geometrie ihren Namen gegeben und sie maßgeblich entwickelt. Es gibt ein Buch mit diesem Titel, das die Ideen vermittelt, aber etwas schwammig bleibt. Besser ist für uns vielleicht sogar die Arbeit in Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. No.62 (1985). Alle Werke von Connes sind auf seiner Homepage frei herunterladbar.
Homologische Algebra
Last but not least. Die homologische Algebra entstand wie (und zusammen mit) der Kategorientheorie in Topologie und Algebra, wo man topologischen Räumen, Mannigfaltigkeiten, aber auch Gruppen, Ringen etc. Homologiegruppen zuweist, die relevante Informationen über die Objekte kodieren. Inzwischen gibt es aber Homologietheorien für so ziemlich alles, Knoten, physikalische Modelle, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Da dies schon die dritte Seite ist, die ich Euch hier zumute, belasse ich es erstmal hierbei, Ich vermute auch, die meisten werden irgendwie schon davon gehört haben. Der Modul könnte ein allgemeiner Kurs werden oder sich aber auf spezielle eigenständige Themen konzentrieren, wie z.B. die Theorie der Operanden.
Es gibt viele gute Bücher zum Thema, manche mehr algebraisch, manche mehr geometrisch, z.B.:
+ Weibel, Charles A., An introduction to homological algebra, beliebt, weil es so ziemlich alle wichtigen Teilgebiete zumindest anreisst.
+ Rotman, Joseph J., An introduction to homological algebra, solides und gut lesbares Buch, ich finde es eigentlich besser als Weibels, aber der behandelt mehr Themen, Rotman ist algebraischer.
+ Loday, Jean-Louis; Vallette, Bruno, Algebraic operads, eine der ersten Monographien zum Thema Operaden.
+ Stasheff, Jim, The (secret?) homological algebra of the Batalin-Vilkovisky approach, ist ein Artikel (auch im Netz zu finden), in dem Stasheff über homologische Strukturen in der Differentialgeometrie und Quantenfeldtheorie nachdenkt, man könnte sich auch an solch einem Text langhangeln statt einem traditionellen Lehrbuch.