16.05.2023
Ausgezeichnet: Prof. Miki Ebisuya und der Stammzellen-Zoo
Forscherin des Exzellenzclusters Physik des Lebens an der TU Dresden erhält die Alexander von Humboldt-Professur
Kyoto, Barcelona, Dresden – die japanische Biologin Miki Ebisuya erhält Ehrungen in jedem Land, in dem sie arbeitet. Auf den japanischen Preis für exzellente Nachwuchsforscherinnen (2019) und einen ERC Consolidator Grant (2020) folgt am 11. Mai 2023 die Auszeichnung mit dem höchsten deutschen Forschungspreis: der Humboldt-Professur. An der TU Dresden kann Ebisuya als Professorin für Mechanismen der Zell- und Gewebekontrolle grundlegenden Forschungsfragen des Lebens nachgehen. Eine davon beschäftigt sie seit Kindertagen: woher kommen die großen Unterschiede in der Dauer von Schwangerschaften bei Maus, Elefant und Mensch?
Embryonen vergleichen – eine Herausforderung
Bei Menschen dauert eine Schwangerschaft neun Monate, bei Mäusen 20 Tage und bei der Elefantenkuh fast zwei Jahre: Weibchen jeder Spezies tragen ihren Nachwuchs unterschiedlich lang aus. Was bestimmt den Takt der biologischen Entwicklungsgeschwindigkeit? Miki Ebisuya erforscht die molekularen Ursachen und physikalischen Prinzipien hinter diesem Rätsel. Um jedoch die Embryonalentwicklung verschiedener Spezies vergleichen zu können, müssen zunächst deren Voraussetzungen und Lebensbedingungen normiert werden – Umweltfaktoren, Nährstoffe, Körpertemperatur. Das ist herausfordernd.
Gewebe von Tieren nachbilden
Miki Ebisuya hat eine neue, kreative Lösung gefunden, um ihrer Frage auf den Grund zu gehen: Sie entwarf einen einzigartigen Stammzellen-Zoo. Die Forschungsgruppenleiterin setzt mit ihrem Team ein künstliches Biosystem aus veränderten Zellkulturen ein, um die Entwicklung von Tieren zu erforschen. Im Reagenzglas werden pluripotente Stammzellen verwendet – eine besondere Sorte, die nicht vorgeprägt ist und sich zu jeder Art von Zelle eines Organismus entwickeln kann. Daraus entstehen mitunter 3D-Strukturen von Gewebe oder Organen, die ein bestimmtes Entwicklungsstadium simulieren. Diese synthetischen Embryonenteile lassen sich unter identischen Kulturbedingungen vergleichen und ermöglichen erstmals eine systematische Analyse der angeglichenen Entwicklungszeit verschiedener Arten, einschließlich des Menschen.
Weltspitze an der TU Dresden
„Es ist ein großer Erfolg für die TU Dresden, eine weitere Humboldt-Professorin begrüßen zu dürfen", sagt Prof. Ursula Staudinger, Rektorin der TU Dresden. „Das Exzellenzcluster Physik des Lebens konnte während der letzten drei Jahren herausragende internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen, darunter jetzt die weltweit führende Wissenschaftlerin in der Synthetischen Biologie." Auch Managing Director und Sprecher von PoL, Prof. Otger Campàs, betont den Gewinn, den Prof. Ebisuya für das Exzellenzcluster darstellt: „Miki Ebisuya ergänzt mit ihrer herausragenden Expertise auf dem Gebiet der synthetischen multizellulären Systeme sowie der Optogenetik perfekt die bestehenden Ansätze bei Physics of Life. Die vielen Synergien zwischen ihrer Gruppe und anderen PoL-Gruppen werden zu innovativen Ansätzen führen, um die physikalischen Prinzipien zu verstehen, die der biologischen Selbstorganisation zugrunde liegen. Wir freuen uns sehr, sie in Dresden begrüßen zu dürfen."
Dresdner Biophysik und japanische Kinderbücher
An der TU Dresden nehmen interdisziplinäre Ansätze für biologische Systeme eine international renommierte Stellung ein. Besonders das Exzellenzcluster Physics of Life schlägt die Brücke zwischen Physik und Biologie. Deshalb war es für Prof. Ebisuya naheliegend, nach Dresden zu kommen: „Schon als ich in Japan lebte, kannte ich die Dresdner Wissenschaftsgemeinschaft aufgrund der vielen erfolgreichen Beispiele von Kooperationen zwischen Biologie und Physik. Am neu etablierten Exzellenzcluster PoL möchte ich diese Art der interdisziplinären Zusammenarbeit weiter fördern und die biophysikalischen Grundlagen von artspezifischen Merkmalen aufdecken", erläutert sie. Die wegweisende Inspiration zu ihrer Forschung erhielt die geachtete Forscherin übrigens in frühester Jugend durch ein populärwissenschaftliches Buch: „Es gibt ein japanisches Buch mit dem Titel ‚Maus-Zeit und Elefanten-Zeit‘. Es erklärt die Unterschiede der Entwicklungszeit zwischen Spezien, aber konnte nicht erklären warum es diese Unterschiede überhaupt gibt. Diese bis heute ungelöste Frage fasziniert mich. Deshalb habe ich beschlossen, meine Karriere genau diesem Thema zu widmen“.
Über Prof. Miki Ebisuya
Miki Ebisuya promovierte 2008 in ihrem Heimatland an der Universität Kyoto in Japan und wurde dort anschließend Forschungsgruppenleiterin. Nach einer Station am japanischen Forschungsinstitut RIKEN in Kyoto wechselte sie 2018 als Gruppenleiterin zum EMBL (European Molecular Biology Laboratory) an dessen neu gegründeten Standort in Barcelona, Spanien. Sie wurde 2019 mit dem japanischen Preis für exzellente Nachwuchsforscherinnen und 2020 mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Für die nächsten fünf Jahre erhält Miki Ebisuya eine Humboldt-Professur, mit der sie im April 2023 die Professur für Mechanismen der Zell- und Gewebekontrolle an der TU Dresden antreten möchte.
Über die Alexander von Humboldt-Professur
Die Alexander von Humboldt-Professur ist mit einem Wert von bis zu fünf Millionen Euro der höchstdotierte Forschungspreis in Deutschland. Ziel der Humboldt-Professur ist es, Spitzenforscher:innen aus dem Ausland für den Standort Deutschland zu gewinnen. Die Humboldt-Professuren werden für jeweils fünf Jahre von der Alexander von Humboldt-Stiftung vergeben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. www.humboldt-foundation.de/en
Über das Exzellenzcluster Physics of Life
Physics of Life (PoL) ist einer von drei Exzellenzclustern an der TU Dresden. Es konzentriert sich auf die Identifizierung der physikalischen Gesetze, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen. In dem Cluster arbeiten Physiker, Biologen und Informatiker zusammen, um zu erforschen, wie sich aktive Materie in Zellen und Geweben in vorgegebene Strukturen einordnet und so Leben entstehen lässt. PoL wird von der DFG im Rahmen der Exzellenzstrategie gefördert. Es ist eine Kooperation zwischen Wissenschaftlern der TU Dresden und Forschungseinrichtungen des Netzwerks DRESDEN-concept, wie dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), dem Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). www.physics-of-life.tu-dresden.de
Kontakt:
Kaori Nakashima
Science Communication Officer
Cluster of Excellence Physics of Life
Tel.: +49 351 463-41517