06.12.2018
10.12.2018: Weltweite Lesung für Pressefreiheit
Der UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und das ZIS beteiligen sich an der weltweiten Lesung für Pressefreiheit und in Erinnerung an Jamal Khashoggi am 70. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte. Angehörige der Juristischen Fakultät lesen am 10.12.2018 um 14:50 Uhr in GER/009 aus Texten des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Alle sind herzlich willkommen.
Aufruf der Organisatoren:
Am 10. Dezember 1948, vor 70 Jahren, wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Palais de Chaillot in Paris verkündet. Anlässlich dieses Jahrestages ruft das internationale literaturfestival berlin (ilb) Menschen, Institutionen, Universitäten, Schulen und Medien, denen Pressefreiheit und Menschenrechte wichtig sind, zur Organisation und Teilnahme an einer weltweiten Lesung in Gedenken an den getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi auf.
Zum letzten Mal wurde Khashoggi lebend gesehen, als er am 2. Oktober das saudische Generalkonsulat in Istanbul betrat. Nach fast dreiwöchigem Schweigen haben die saudischen Machthaber eingeräumt, dass er dort während eines Streits mit Beamten ums Leben gekommen ist. Die Indizien, etwa die Entsendung eines fünfzehnköpfigen Teams von Sicherheitsbeamten inklusive eines Forensikers, deuten jedoch darauf hin, dass die Ermordung Khashoggis von langer Hand geplant oder zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Die Verwicklung höchster Regierungsstellen bis hin zum Kronprinzen Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien ist sehr wahrscheinlich, da eine solche Aktion gegen einen prominenten Regimekritiker wohl kaum ohne die Billigung des Königshauses hätte durchgeführt werden können. Über den Verbleib von Khashoggis Leichnam ist Saudi-Arabien bis jetzt jeden Hinweis schuldig geblieben. Die Initiatoren der Weltweiten Lesung fordern die vollständige und transparente Aufklärung des Falls. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Im letzten Text, den der 59 Jahre alt gewordene (am 13.10.2018 hätte er seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert) saudische Journalist geschrieben hat und den die Washington Post zwei Wochen nach seinem Verschwinden publiziert hat, fordert Khashoggi mit großem Nachdruck die Meinungsfreiheit in der arabischen Welt ein. Für seine klare Haltung hat der Journalist nun mit seinem Leben bezahlt.
Dieser Fall ist der Höhepunkt einer Reihe von oftmals unaufgeklärten Morden an Journalistinnen und Journalisten in den letzten Jahren, wie die jüngsten Beispiele in Mexiko, Bulgarien, Malta und der Slowakei gezeigt haben. Die Presse- und Meinungsfreiheit, deren Unerlässlichkeit Khashoggi mit Blick auf die arabische Welt betont hat, ist überall bedroht, auch mitten in Europa. Folglich sind Journalistinnen, Journalisten und politische Oppositionelle selbst im Exil längst nicht mehr geschützt, wie dieser Fall auf eklatante Weise zeigt. Jamal Khashoggi ist nur das bislang prominenteste Opfer. Viele Journalistenmorde rücken gar nicht mehr ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. Wir erinnern daran, dass auch in der Türkei die Pressefreiheit extrem eingeschränkt ist. Über 150 Journalisten und Autoren sind inhaftiert, einige erhielten lebenslange Haftstrafen. Zugleich hat dieser Fall bereits jetzt schwerwiegende Folgen für die internationale Politik und Wirtschaft. Zahlreiche führende Manager und Wirtschaftspolitiker werden nicht an der großen, Ende Oktober geplanten Future Investment Initiative in Riad teilnehmen. Der Fall zeigt damit exemplarisch, dass es sich bei dem Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit, beim Kampf gegen Journalistenmorde und extralegale Tötungen staatlicherseits nicht um einen weltfremden menschenrechtlichen Idealismus handelt, sondern dass wir alle von diesen Verbrechen betroffen sind – kulturell, politisch, wirtschaftlich.
Wenn der Fall, als der spektakulärste von allen Journalistenmorden der letzten Jahre, nicht zu Konsequenzen führt – was dann? Wer wird der nächste ermordete Journalist, Aktivist, Oppositionelle sein, und in welchem Land? Der Schutz von Journalisten und Aktivisten ist der Schutz aller Menschen. Der Fall darf auch nach dem Teilgeständnis der Saudis nicht unter den Tisch gekehrt werden. Die Erinnerung an Khashoggi anlässlich des Jahrestages der Deklaration der Menschenrechte soll dies mit Nachdruck deutlich machen.
Vor diesem Hintergrund rufen wir am 10. Dezember zur Teilnahme an der Weltweiten Lesung von Texten Jamal Khashoggis und – je nach länderspezifischem Kontext – anderer ermordeter, verschwundener und inhaftierter Journalisten auf. Bitte senden Sie Informationen über die Lesung an Ihrem Ort an , damit wir die Veranstaltungen auf unseren Websites www.literaturfestival.com und www.worldwide-reading.com kommunizieren können.
Ulrich Schreiber
Festivaldirektor, internationales literaturfestival berlin