Jul 30, 2020
Aristolochia impudica: Botanische Seltenheit blüht zum erstem Mal in einem Botanischen Garten
Am Sonntagvormittag erblühte im Botanischen Garten der TU Dresden eine der botanischen Kostbarkeiten der Sammlungen: Aristolochia impudica. Der kleine Strauch gehört zu den Pfeifenwinden, wie diese Gattung auf deutsch genannt wird, und stammt aus Mexiko. Der Botanische Garten in Dresden beherbergt eine der weltweit größten und wertvollsten Forschungssammlungen dieser Gattung. Dem Direktor des Gartens, Prof. Dr. Christoph Neinhuis, zufolge, ist diese Pflanze die einzige, die sich bekanntermaßen in einem Botanischen Garten befindet. Sie wird in den kommenden Wochen immer wieder neue Blüten bilden und ist im Schaukasten im Eingangsbereich zum Sukkulentenschauhaus zu sehen.
Der Weg nach Dresden
Aristolochia impudica gehört zu einer besonderen Gruppe von Pfeifenwinden-Arten, die auf Mittelamerika, insbesondere Mexiko, beschränkt sind und im Gegensatz zu den meisten anderen Vertretern keine Lianen darstellen, sondern kleine bis mittelgroße Sträucher. Das weckte vor etwa 10 Jahren das Interesse der Forscher des Institutes für Botanik, die diese Gruppe und ihre besondere Wuchsform im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes untersuchten. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Dresden und Mexiko interessierte sich die damalige Doktorandin Sarah Wagner dafür, wie sich der Wechsel zwischen verschiedenen Wuchsformen in einem engen Verwandtschaftskreis vollzieht, also von einem Baum zur Kletterpflanze oder eben von einer Liane zum Strauch. Dazu erhielten die Forscher die Genehmigung auch eine Pflanze von Aristolochia impudica auszugraben und zu untersuchen. Nach Abschluss dieser Untersuchungen blieb die Wurzel zurück und wurde auf Wunsch des Direktors im Botanischen Garten der TU Dresden getopft, in der Hoffnung, dass sie vielleicht noch einmal austreibt. Nach mehreren Monaten intensiver Pflege durch die speziell zur Pflege außergewöhnlicher Pflanzen ausgebildeten Gärtner des Gartens, trieb sie tatsächlich aus und entwickelte sich sukzessive zu dem kleinen Strauch, wie er auch in der Natur zu finden ist.
Außergewöhnlicher Blütenaufbau
Insgesamt gibt es unter den etwa 500 bis 600 Arten nur sechs kleine bis mittelgroße Sträucher und diese ausschließlich in den Regenwäldern Mittelamerikas. Alle sechs Arten sind im Botanischen Gartens Dresden in Kultur und zeichnen sich, neben der Wuchsform, vor allem durch ihre außergewöhnlich aufgebauten Blüten aus. Die bekannteste unter ihnen ist Aristolochia arborea, die eine rötliche Blütenhülle aufweist, in deren Mitte die Attrappe eines kleinen Hutpilzes zu finden ist. Die Basis der Blütenhülle ist weiß gefärbt und ahmt das Mycel eines Pilzes nach. Auf diese Weise werden die Bestäuber, in diesem Fall Pilzmücken, angelockt. Daher befinden sich die Blüten auch in Bodennähe direkt am Stamm. Weniger spektakulär, aber ebenfalls Pilze imitierend, sind die Blüten der nahe verwandten Aristolochia salvadorensis und Aristolochia kalebii. Die fast zehnjährige Wartezeit auf die erste Blüte von Aristolochia impudica entschädigt die Forscher und Gärtner mit der wohl spektakulärsten Blüte. Nicht nur ist es die Größte unter den 6 Arten, mit ca. 7-8 cm, sondern besticht auch durch die ähnlich perfekte Nachahmung eines Pilzes wie bei Aristolochia arborea.
Bedrohte Pflanzenart
In der Natur sind nur wenige Fundstellen dieser Art bekannt und die wenigen teilweise schon wieder zerstört. Sie wurde erst von knapp 30 Jahren durch mexikanische Botaniker entdeckt und muss, aufgrund des rapiden Verlustes an natürlichen Lebensräumen und dem geringen Wissensstand über die Arten, als gefährdet eingestuft werden. Das gilt auch für etliche andere Arten aus der Gattung, da viele von ihnen nur kleine Verbreitungsgebiete und spezielle Anforderungen an den Lebensraum aufweisen.
Text: Prof. Christoph Neinhuis