Nov 01, 2019
Der Architekt des »Rundkinos« Winfried Sziegoleit wurde 80 Jahre alt
Auf einem während seiner Tätigkeit an der TU Dresden eingereichten Wettbewerbsentwurf basiert das »Rundkino«
Tanja Scheffler
Der am 2. Oktober 1939 in Insterburg (Ostpreußen) geborene Architekt Winfried Sziegoleit konnte vor Kurzem seinen 80. Geburtstag feiern. Er sorgte bereits kurz nach seinem Studium an der TH/TU Dresden mit dem preisgekrönten Gemeinschaftsentwurf des späteren »Rundkinos« für Aufsehen, arbeitete während der DDR-Zeit in größeren Planungskollektiven und nach der deutschen Wiedervereinigung freischaffend mit privatem Büro. Dabei war Sziegoleit von Anfang an ein sehr entwurfsstarker Architekt, der allein oder aber zusammen mit weiteren Kollegen in der Anfangsphase eines neuen Projektes innovative konzeptionelle Ideen und danach dann auch überzeugende gestaltprägende Details entwickeln konnte. Aufgrund der arbeitsteiligen Planungsprozesse der DDR wurden etliche dieser Bauvorhaben später jedoch von anderen Architekten ausgeführt.
Sziegoleit studierte von 1959 bis 1965 an der Fakultät für Bauwesen der Technischen Hochschule und späteren TU Dresden Architektur, in einer Zeit, als sich die Nachkriegsmoderne landesweit durchsetzte. Dabei prägten ihn vor allem die Professoren Fritz Schaarschmidt (Industriebau und Entwerfen) und Rolf Göpfert (Hochbauten und Gebäudelehre). Schaarschmidt konzipierte innovative Betonkonstruktionen und war an der Errichtung von zahlreichen Hochschulgebäuden der TH/TU Dresden beteiligt. Göpfert hatte lange Zeit als Architekt in der Denkmalpflege gearbeitet, später in der Meisterwerkstatt von Hermann Henselmann, und setzte bei seiner Lehre auf eine praxisnahe Ausbildung. Daher nahmen sowohl Göpferts Lehrstuhlkollektiv als auch das parallel dazu laufende, von ihm geleitete Entwurfsinstitut an vielen Wettbewerben teil.
Nach seinem Studienabschluss arbeitete Sziegoleit von 1965 bis 1969 als Mitarbeiter in Göpferts Entwurfsinstitut für Solitärbauvorhaben an verschiedenen baukünstlerisch interessanten Projekten. Zusammen mit seinem Kollegen Manfred Fasold nahm er auch am Ideenwettbewerb (1966) für das Filmtheater der Prager Straße teil. Dabei wurde kein 1. Preis vergeben. Der mit einem der beiden 2. Preise ausgezeichnete Entwurf von Fasold/Sziegoleit eines zylindrischen Baukörpers mit durchgehenden vertikalen Lamellen überzeugte die Jury jedoch durch seine klare Form, die sich von den vielen anderen rechtwinkligen Gebäuden dieser Fußgängerzone abhebt. Daher wurde dieses architektonische Konzept – ein Rundbau mit einem zweiten, innen liegenden Zylinder als Kinosaal – als Grundlage für die weiteren Planungen genutzt, später jedoch durch die Architekten Gerhard Landgraf, Waltraut Heischkel und Theo Wagenführ in einer etwas veränderten Form mit herausspringendem Sockelgeschoss und umlaufendem Stahlfries ausgeführt.
Von 1969 bis 1975 arbeitete Sziegoleit beim Baukombinat Leipzig und wechselte danach zum Aufbaustab des Rates des Bezirks Leipzig. Er gehörte zu den wenigen Architekten, die auch während der von Materialengpässen geprägten DDR-Zeit durchgängig anspruchsvolle Projekte entworfen und an herausragenden Sonderbauvorhaben mitgearbeitet haben. Dabei war Sziegoleit auch an dem von einem mehrköpfigen Entwurfskollektiv (Rudolf Skoda, Eberhard Göschel, Volker Sieg, Winfried Sziegoleit) unter der Leitung von Skoda konzipierten, 1981 eröffneten Neuen Gewandhaus ab den ersten 1971 entstandenen Ideenskizzen maßgeblich beteiligt. Hier geht sowohl die Anwendung des vorher bereits von Hans Scharoun bei der West-Berliner Philharmonie eingesetzten »Weinbergkonzepts« für den großen Saal des Gewandhauses als auch die Gestaltung der Hauptfassade zum Augustusplatz auf Sziegoleits Anregungen und Vorentwürfe zurück.
Parallel dazu plante er zusammen mit Volker Sieg die Großgaststätte im Connewitzer Wildpark (1977–79) und entwarf danach, ebenfalls zusammen mit Sieg, den Bowlingtreff (1985–87) am Wilhelm-Leuschner-Platz. Dabei wurde für das VIII. Turn- und Sportfest der DDR ein leer stehendes unterirdisches Umspannwerk aus den 1920er-Jahren zu einem großzügigen Freizeitzentrum mit Bowling-, Billard-, Fitness- und Gastronomiebereichen umgebaut und um ein neues oberirdisches Eingangsbauwerk ergänzt: Eine Meisterleistung, für die viele Leipziger Bürger bei freiwilligen Feierabendeinsätzen mehr als 40 000 unbezahlte Arbeitsstunden am Objekt übernahmen. Daher konnte hier in der Spätphase der DDR noch ein Gesellschaftsbau mit einer sehr aufwändigen Ausstattung (Glasdach, Marmor, Eichenparkett) entstehen. Er hat eine einzigartige, bis heute den damaligen Zeitgeist eindrucksvoll vermittelnde Innenraumgestaltung mit einer intensiven Farbigkeit und steht – genauso wie das »Rundkino« in Dresden – unter Denkmalschutz.
Nach der Wende gründete Sziegoleit zusammen mit Eberhard Göschel ein Architekturbüro in Leipzig, das er später mit seiner Frau Nina in Markkleeberg weiterführte, und bearbeitete eine große Bandbreite von ganz unterschiedlichen Projekten. Dabei gilt vor allem die von ihm zusammen mit Göschel durchgeführte Sanierung der Gebäude der Leipziger Universität an der Ritterstraße als denkmalpflegerisch vorbildliche Leistung. In das spätklassizistische frühere Königliche Palais, heute Rektorat, zogen verschiedene Einrichtungen der Hochschule ein. Bei der Sanierung der ehemaligen Handelshochschule, dem heutigen »Geschwister-Scholl-Haus«, wurde die erst bei der Befunduntersuchung zu Tage gekommene bauzeitliche Farbfassung von Treppenhaus und großem Hörsaal wiederhergestellt.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 17/2019 vom 29. Oktober 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.