07.10.2020
Digitales Lernen hilft, unterschiedliche Wissensstände auszugleichen
Die Architektur-Professoren Ansgar und Benedikt Schulz erhalten »Digital Fellowships«
Beate Diederichs
Seit dem Wintersemester 2019/20 nutzen die Professoren Ansgar und Benedikt Schulz von der Professur für Entwerfen und Konstruieren I der Fakultät Architektur der TUD ein digitales Format, einen sogenannten Flipped Classroom, um auf die Bedürfnisse einer zunehmend heterogenen Studentenschaft einzugehen. Nun werden sie das Angebot noch einmal verfeinern und haben dafür eines der diesjährigen Digital Fellowships an der TUD erhalten.
Entwurf, Konstruktion, Detail – das sind Begriffe, mit denen sich Architekturstudierende der ersten Semester im Fach Baukonstruktion beschäftigen. »Man lehrt dabei am Anfang grundlegende Fakten, zum Beispiel, welche Funktionen und Eigenschaften dem Bauteil Wand zugeschrieben werden, welche Konstruktionsarten dabei möglich sind oder wie Übergänge zu anderen Bauteilen herzustellen sind«, berichten die beiden Professoren Ansgar und Benedikt Schulz. Ihre Erfahrung zeigte ihnen aber: Die Studierenden, die in ihrem Hörsaal sitzen, bringen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit: Abiturienten frisch vom Gymnasium ohne Wissen zu Architektur und Konstruktion sind darunter, aber auch junge Leute mit sprachlichen Barrieren oder welche mit Berufsabschluss und oft schon einigen Jahren Berufserfahrung, zum Beispiel als Bauzeichner. Um dieser heterogenen Studentenschaft gerecht zu werden, stellten die Professoren im Wintersemester 2019/20 ihre klassische Präsenzlehre im Hörsaal auf einen sogenannten Flipped Classroom um: Dies ist ein »umgekehrter« Unterricht, in dem sich die Studenten selbstständig zu Hause die Lerninhalte aneignen und sie dann im Präsenzunterricht anwenden und besprechen. »Diese Art der digitalen Lehre hilft uns und den Studierenden, die Differenzen in den Wissensständen auszugleichen, ohne die einen zu langweilen und die anderen zu überfordern«, sagen die beiden Hochschullehrer. Dabei stellen sie die Blöcke der Vorlesung auf Blöcke von Videosequenzen um, die die angehenden Architekten entsprechend ihren Lernbedürfnissen anschauen, also zum Beispiel Passagen überspringen oder aber mehrmals ansehen können, wenn sie beim ersten Mal nicht alles verstanden haben. Die Filmblöcke werden wöchentlich über die Lernplattform OPAL zum Streamen zur Verfügung gestellt. »Begleitend bieten wir eine seminarähnliche Präsenzveranstaltung an, in der die Studierenden Fragen stellen können und wir Vertiefungsangebote machen«, so Ansgar und Benedikt Schulz.
Die beiden Professoren waren sehr gespannt darauf, wie das neue Format bei ihrer Zielgruppe ankommen würde. Sie stellten anhand der Streamingzahlen relativ schnell fest, dass die Videos gut angenommen und fleißig geschaut wurden. »Die ergänzenden Präsenzphasen konnten unsere Erwartungen dagegen nicht erfüllen. Die Studierenden reflektierten das verfügbare Wissen zu wenig, also war der Dialog in den Präsenzveranstaltungen sehr mühsam.« Um diese Schnittstelle zwischen Online- und Präsenzphase besser funktionieren zu lassen, hilft die zweite Ausschreibungsrunde der Digital Fellowships: Diese Förderung für Beispiele guter Praxis in der sächsischen Hochschullandschaft für die grundständige digitale Ausbildung kommt der Verfeinerung des Flipped Classroom von Ansgar und Benedikt Schulz zugute. »Zentrales Element unseres Digital-Fellowship-Antrags war die Ergänzung des bestehenden Flipped Classroom durch ein formatives E-Assessment. Hierfür integrieren wir am Ende jedes thematischen Video-Blocks freiwillige Lernkontrollen. Mit diesen erkennen die Studierenden, welches Wissen sie schon erworben und wo sie noch Vertiefungsbedarf haben. So erhalten sie Anreize zum Selbststudium und dazu, sich in der Präsenzphase gemeinsam mit den Lehrenden und anderen Studierenden aktiv mit dem Wissen auseinanderzusetzen«, kommentieren die Professoren. Das erweiterte Konzept war so überzeugend, dass sie mit ihrer Idee des E-Assessments eines der vier Digital Fellowships erhielten, die an die TUD vergeben wurden. Die Förderung läuft vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2021 und beläuft sich auf mehrere Tausend Euro. »Einzel-Fellowships wie unseres werden mit bis zu 12 000 Euro gefördert. Das schöpfen wir mit unserem Antrag nahezu aus. Die Förderung hilft uns, die E-Learning-Angebote unserer Professur weiter zu verbessern. Dabei investieren wir die Summe in eine zusätzliche projektbezogene Personalstelle, die das E-Assessment aufbaut und evaluiert«, sagen Ansgar und Benedikt Schulz. Auch die Kollegen können von ihrem Projekt profifieren: Wie die anderen geförderten Modelle kann man sie sich auf dem Bildungsportal Sachsens unter der Kategorie »Digital Fellows stellen sich vor« ansehen. Die beiden Professoren möchten ihre Erkenntnisse ebenfalls bei Netzwerktreffen und Workshops vorstellen und diskutieren und auch gerne mit ihren Kollegen der Fakultät Architektur teilen und sie anregen, Ähnliches auszuprobieren. Die geplante Breitenwirkung der Projekte ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung für die Digital Fellowships.
Digital Fellowships
Die Digital Fellowships sind eine Förderung des Hochschuldidaktischen Zentrums Sachsen, des Arbeitskreises E-Learning bei der Landesrektorenkonferenz und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Ansgar und Benedikt Schulz haben ebenso wie über 80 andere Bewerber an der zweiten Ausschreibungsrunde teilgenommen, die erste war im letzten Jahr. Außer den beiden Architekturprofessoren erhielten an der TU Dresden Digital Fellowships: Prof. Cornelia Breitkopf gemeinsam mit Prof. Grit Kalies für »Virtuelles Praktikum Thermodynamik - ViP Thermo«, Prof. Christian Louter gemeinsam mit Prof. Christian Wolf »Open GLASSroom - Digitalisierung aufwändiger Bauteilprüfungen im Glasbau, hochschulübergreifende Integration in den Lehrbetrieb und Bereitstellung als OER (Open Educational Resources)« und Prof. Ulrich Möller »Komplexe Problemlösungsstrategien für Ingenieure mittels Virtual Reality und Big Data«.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 15/2020 vom 6. Oktober 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.