Jun 14, 2023
In Erinnerung an Maria Obenaus (1950–2023)
Am Mittwoch vergangener Woche ist die Dresdner Architektin und Kustodin Maria Obenaus verstorben. Die Kustodie der Technischen Universität Dresden (TUD) möchte mit diesem Nachruf an ihr außergewöhnliches Wirken als engagierte Verfechterin eines ganzheitlichen Verständnisses von Kultur erinnern, das wichtige Bereiche ihres Schaffens – Architektur, Kunst, Technik – zusammenbrachte und -dachte.
Obenaus hat in den 1960er- und 70er-Jahren an der Sektion Architektur der TUD studiert, als wissenschaftliche Mitarbeiterin wirkte sie nach ihrem Diplom über zwei Jahrzehnte an der Professur für Innenraumgestaltung und bildete unzählige Architektinnen und Architekten aus, denen sie auf unnachahmliche, nämlich begeisternde und vor allem fördernde Art und Weise zentrale Handreichungen zum Zusammenspiel von Gestaltung und Architektur näherbrachte. Mit Leidenschaft setzte sie sich für die Neustrukturierung im Fakultätsrat ein, die Begleitung und Förderung von Studierenden und Nachwuchsforschern war ihr ein ganz besonderes Anliegen.
Ihre Affinität zu Fragen der Ganzheitlichkeit von Kultur hatte die Architektin bereits im Zuge der Wiedervereinigung in ihrer engagierten Mitarbeit im damals gegründeten „Baubund Sachsen“ zum Ausdruck gebracht. Als dieser in den 1992 von ihr mitgegründeten Deutschen Werkbund Sachsen aufging, wurde sie stellvertretende Vorsitzende und hat von da an die Arbeit des Werkbunds mit ihrem konstant hohen Qualitätsanspruch maßgeblich geprägt. In den dreißig Jahren ihres unermüdlichen, immer energievollen und optimistischen Engagements, überwiegend im Vorstand, hat sie unzählige Ausstellungen, Workshops und Projekte zur Baukultur konzipiert, und die deutschen Werkbundtage in Dresden-Hellerau 1999 und 2006 sowie 2014 in Leipzig mitorganisiert. Noch im letzten Jahr hat sie das 30-jährige Jubiläum des Werkbund Sachsen mit ihren kreativen Ideen aktiv mitgestaltet.
Von 2003 bis Anfang 2016 war die Architektin in der Kustodie für den Geschäftsbereich Kunst und Gestaltung zuständig. Unter ihrer Ägide konnte der Kunstbesitz weiter ausgebaut werden, wichtige Schenkungen des Malers Hubertus Giebe, des Konstruktivisten Manfred Luther sowie Werke von Charlotte Sommer-Landgraf und anderen kamen in ihrer Wirkungszeit in den Bestand. Ihre langjährige Erfahrung am Lehrstuhl für Raumgestaltung, erlaubte es ihr darüber hinaus mit großem Sachverstand die Kunst am Bau-Projekte wie beispielsweise von Roland Fuhrmann im Chemie-Neubau, sowie Denkmalsanierungen auf dem Campus zu begleiten und mit mitreißender Begeisterung dafür einzutreten, dass das Erbe der Ostmoderne nicht verloren ging. Auch setzte sie sich neben der Bestandspflege für eine rege Ausleihe in die Diensträume der Universität ein und beriet die Mitarbeitenden in ästhetischen Fragen der Raumgestaltung. Mit viel Freude übernahm sie in diesen Jahren die Kuration der Kabinettausstellungen der „Galerie im Gang“ im von Gerber-Bau. Als Autorin war sie zudem beteiligt an wichtigen Publikationen über Sammlungen, Kunstbesitz und Hochschulgeschichte. Parallel zu ihrer Tätigkeit für den Kunstbesitz war Maria Obenaus ebenfalls als Leiterin der Galerie der Kustodie im Görges-Bau, gegründet 2003 als Universitätssammlungen Kunst + Technik in der ALTANA-Galerie, tätig. Hier konnte sie ihre kreativen Intentionen voll entfalten und so wichtige und wegweisende Ausstellungen wie „Wahr-Zeichen. Fotografie und Wissenschaft“ (2006/07), „color continuo 1810…2010. System und Kunst der Farbe“ (2009/10) oder „Elbsandstein“ (2015/16) initiieren. In den Kooperationen mit den universitären Instituten sowie den Lehr- und Forschungssammlungen der Kustodie legte sie den Grundstein für die heutige Ausrichtung der Universitätsgalerie, die sich den Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Forschung in ihren Projekten widmet.
Für die aktuelle Ausstellung „Kunst und Lehre an der TU Dresden in den 1990er-Jahren“ hat Maria Obenaus die Vorbereitungen und Recherchen als wichtige Zeitzeugin, die selbst den Umbruch und die Neustrukturierung im Nachwendejahrzehnt aktiv mitgestaltete, unterstützt, die letzten intensiven Gespräche fanden im März und April statt.
Wir werden sie sehr vermissen.
Klaus Mauersberger (ehemaliger Direktor der Kustodie), Kirsten Vincenz und Gwendolin Kremer