18.12.2019
MALTA - SAFE HAVEN WORKSHOP
MALTA: Safe Haven
Moving forward_Wie wird aus humanitärer Krise Gesellschaft mit Mehrwert?
Und was könnte Architektur und gebaute Umwelt dazu beitragen?
Gemeinschaftlich werden sich diesen Fragen im Wintersemester 2019/20 Studenten der University of Malta (UoM - Valletta) und der TU Dresden widmen und betrachten dafür ein ca. 10.000qm großes Areal im Hafengebiet von Valletta genauer. Durch die Lage der Insel an einer der Hauptmigrationsrouten im Mittelmeer nimmt Malta nicht nur geografisch eine zentrale Rolle ein, sondern auch in Debatten um die humanitäre Krise. Die aktuell steigenden Zahlen an Todesfällen bei versuchten Überfahrten, die Aufnahme- und Unterbringungssituation vor Ort sowie die vermeintliche Hilflosigkeit aller Beteiligten zeigen, dass das derzeitige EU-Asylsystem und seine Politik auch über EU-Grenzen hinaus reformbedürftig ist.
Der Erarbeitung der genauen Aufgabenstellung ging ein Workshop an der maltesischen Universität in Valletta voraus. Der aus Malta stammende wissenschaftliche Mitarbeiter Christian Zammit (B.E. & A., M.A Arch), angestellt am Lehrstuhl Grundlagen des Entwerfens (GdE), organisierte in Kooperation mit seinen Kollegen Arch. Alex Spiteri (B.E. & A., M.Sc.AAD) und Arch. Peter Brincat (B.E. & A., M.Sc. AAD) einen mehrtägigen Aufenthalt für alle beteiligten Lehrkräfte des Lehrstuhles GdE. Den Auftaktgaben dessen Leiter Prof. Jörg Joppien, Dekan der Fakultät Architektur an der TU Dresden sowie Prof. Alex Torpiano, seinerseits Dekan der Fakultät für gebaute Umwelt an der UoM in Valletta. Neben einer ausführlichen Besichtigung des heterogenen Entwurfsgebietes stand die Erkundung der Stadt Valletta und weiterführend der Umgebung im Südteil der Hauptinsel auf dem Programm. Dabei lag der Focus auf dem Blick hinter die Kulissen der sonnigen Uraubsinsel.
Für die folgenden Tage gelang es den Organisatoren, verschiedene Vortragende zu engagieren, die die vielfältige und komplexe Thematik Migration aus sehr verschiedenen Perspektiven beleuchteten. Dazu zählte Krisenhelfer Kilian Kleinschmidt, der innerhalb eines Jahres aus dem zweitgrößten Flüchtlingslager der Welt, Zaatari im Norden Jordaniens, eine Lebensqualität ermöglichende Siedlung errichtete. Er klärte über den Mythos Rückkehr auf, appellierte an die Menschenwürde und baut auf innovative Konzepte für die „nächste“ Gesellschaft und zukünftige Städte.
Weiterhin gaben Bart Vandenbroucke von EASO (European Asylum Support Office) und Dr. Neil Falzon, Anwalt und Vorsitzender der Aditus Foundation einen Überblick über reglementäre Grundlagen und (menschen-)rechtliche Bestimmungen. Ana Ferreira und Koviljka Pajcin von IOM (International Organization for Migration) klärten über Begriffe wie Controlled Centres, Open Centres und co. auf, stellten die existierenden auf Malta vor und sprachen über deren Zustand und Überbelastung. Fabrizio Ellul, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei UNHCR (United Nations High Commissioner of Refugees) machte deutlich, wie schwierig es für eine vergleichsweise kleine Insel ist, eine Balance zwischen den Bedürfnissen der zahlreich Ankommenden und allgemeinen Regierungs- und Entwicklungsinteressen von Malta zu finden.
Die wohl bewegendsten Berichte teilten der Fotojournalist Rene Rossignaud sowie Richard, Maschinist und Crewmitglied eines momentan beschlagnahmten Seenotrettungsschiffes der deutschen NGO Mission Lifeline. Mit eindrücklichem Bild- und Videomaterial betonten sie trotz aller Schwierigkeiten, Herausforderungen und Tragödien die Entschlossenheit, die Kraft, den Mut und die Dankbarkeit der einzelnen Menschen. Den gesamten Aufenthalt stand Mohanad Almohammad, der bei Mission Lifeline für Networking und Crewzusammenstellung zuständig ist, für Fragen und Diskussionen zur Verfügung.
Am Beginn der Entwurfsaufgabe im Laufe des Semesters steht für die Studenten nun mit Unterstützung aller Lehrkräfte eine umfangreiche Analyse im lokalen und europäischen Kontext, die in Form einer Broschüre zusammengestellt werden soll. Weiterhin gilt es, Einzelproblemstellungen herauszuarbeiten und konkrete Lösungsansätze zu definieren, die sich in der im Anschluss zu entwickelnden baulichen Struktur widerspiegeln sollen. In Fortführung der Kooperation ist für eine gemeinsame Präsentation von Zwischenergebnissen ein Besuch der maltesischen Studenten in Dresden geplant. Außerdem ist die Arbeit an der Thematik dem Lehrstuhl GdE auch außerhalb des Entwurfsrahmens sowie über das Semester hinaus ein wichtiges Anliegen.